Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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wiederholte Bekräftigungen und Erweiterungen im 
Laufe des 18. Jahrh. (Handelskonvention vom 
24. Febr. 1784, Vertrag vom 4. Aug. 1791). 
Eine Zusammenfassung dieser Abkommen enthält 
der Handels= und Schiffahrtsvertrag vom 22. Mai 
1862. In dem Ententeprotokoll vom 26. Febr. 
1909 hat dagegen Osterreich auf eine Reihe von 
Bestimmungen der Kapitulationen verzichtet und 
in die Einfuͤhrung von neuen Monopolen oder die 
Erhebung von bestimmten Verbrauchssteuern, so- 
wie in die Aufhebung gewisser österreichischer 
Postämter eingewilligt, schließlich in Art. 8 seine 
Unterstützung bei der von der Pforte beabsichtigten 
allgemeinen (wohl schwerlich zu verwirklichenden) 
Ersetzung der Kapitulationen durch das Völker- 
recht zugesichert. Weiter wäre noch hervorzuheben 
die nunmehr für das Deutsche Reich geltende preu- 
ßische Kapitulation vom 22. Febr. 1761, neu be- 
kräftigt durch den Vertrag vom 20. März 1862. 
Eine generelle Bekräftigung fanden die verschie- 
denen Kapitulationen seitens der Türkei auf dem 
Pariser Kongreß v. 1856 (vgl. v. Ullmann, Völ- 
kerrecht (21908 § 54). In neuerer Zeit sind an 
die Stelle der Kapitulationen Konsularverträge, 
Handels= und Schiffahrtsverträge, dann Ver- 
träge über Fremdenniederlassungen (settlements, 
concessions) im entfernteren Orient: China, 
Siam, Korea, getreten (s. den Art. Konsuln). 
Die Voraussetzungen der Kapitulationen sind 
dort entfallen, wo der mohammedanischen Regie- 
rung eine christliche gefolgt bzw. europäischer Ein- 
fluß auf die Verwaltung und Rechtsprechung zur 
Geltung gekommen ist, so in den ehemaligen 
Donaufürstentümern und in den ehemals türkischen 
Provinzen Bosnien und Hercegovina. Nicht ohneh 
Einfluß auf die Kapitulationen dürften die neuen 
Verhältnisse in der Türkei bleiben. 
Literatur. v. Martens, Das Konsularwesen 
u. die Konsularjurisdiktion im Orient (1874); 
Pradier-Foderé, La question des Capitulations 
d’Orient: Revue de droit internat. I; Etudes pra- 
tiques sur la Question d'Orient, Réformes et 
capitulations (Par. 1869); Hall, A Treatise on 
the foreign Power and Jurisdiction of the British 
Crown (1894); Ungenannt: Le régime des capi- 
tulations: Son bistoire, son application, ses mo- 
difications (1898); Brouillat, Etude historique 
et critique sur la jurisdiction consulaire (1898); 
Pellissié du Rausas, Le régime des capitulations 
dans I’Empire ottoman I (1902) II (1905) u. die 
Literatur beim Art. Konsuln. 
2. Kapitulation im Kriege ist der Akt 
der Übergabe von festen Plätzen, Schiffen, Trup- 
penteilen oder ganzen Armeen an den siegreichen 
Gegner. Auch die Vereinbarung, derzufolge diese 
Übergabe geschieht, wird Kapitulation genannt. 
Die Festungs= und selbständigen Truppenbefehls= 
haber sind ermächtigt, derlei Kapitulationen abzu- 
schließen; doch können sie nur militärische, nicht 
aber politische Dispositionen (z. B. Gebietsab- 
tretungen u. a.) treffen. Ergeht die Aufforde- 
rung, zu kapitulieren, und wird sie nicht ohne 
Kapitulation. 
  
  
  
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weiteres zurückgewiesen, so werden die Unterhand- 
lungen über die Bedingungen durch Parlamen- 
täre geführt. Eine Kapitulation darf nur dann 
erfolgen, wenn alle Mittel des Widerstandes er- 
schöpft sind, im Festungskriege nur durch Beschluß 
des Verteidigungsrates auf Grund genauer Fest- 
stellung und Bescheinigung aller Umstände, die es 
als zweifellos erkennen lassen, daß der feste Platz 
nicht länger zu halten war. Man unterscheidet 
Kapitulationen von festen Plätzen und Kapitula- 
tionen im freien Felde. Letztere galten in der 
älteren Kriegspraxis für unzulässig, weil es die 
Waffenehre verlange, bis auf den letzten Mann 
im Kampfe auszuharren. Gegen die moderne 
Strategie und Waffentechnik konnte diese Ansicht 
nicht mehr aufkommen. Die Kapitulationen er- 
folgen bedingt oder unbedingt, im ersteren Falle 
auf Grund vereinbarter Punktationen, die mehr 
oder minder ehrenvolle Zugeständnisse enthalten. 
Für besonders ehrenvoll gilt es, wenn einer 
Truppe die Waffen, Fahnen und das Kriegs- 
archiv belassen werden. In der Regel müssen die 
Truppen die Waffen strecken und werden als 
Kriegsgefangene behandelt. Nach dem Haager 
Kriegsreglement von 1899 (Art. 35) sollen die 
Kapitulationen den Forderungen der militärischen 
Ehre Rechnung tragen und, einmal abgeschlossen, 
von beiden Teilen gewissenhaft beobachtet werden. 
Der sonstige Inhalt der Kapitulationsverträge ist 
selbstverständlich von der Kriegslage abhängig 
und kann Zeitbestimmungen, Bedingungen, Be- 
stimmungen über das Kriegsmaterial, die Art 
des Abzuges, die Kriegsgefangenschaft, die Be- 
bondlung der Nichtkombattanten zum Gegenstand 
aben. 
Die Kriegsgeschichte verzeichnet eine große Zahl 
denkwürdiger Kapitulationen (der Sachsen beie 
Pirna, Okt. 1756; der preußischen Korps bei 
Maxen, Nov. 1759, dann bei Prenzlau, Okt. 
1806; die Kapitulation der Osterreicher in Ulm, 
20. Okt. 1805; in neuerer Zeit: Kapitulation 
von Vilagos, Aug. 1849; Metz, 27. Okt. 1870; 
Sedan, 2. Sept. 1870; Paris, 28. Jan. 1871; 
Belfort, 16. Febr. 1871; Plewna, 10. Dez. 1877, 
im Schipka-Passe, 8. Jan. 1878; Nisch, 10. Jan. 
1878). Da nach dem Haager Kriegsreglement 
(Art. 10/12) den Kriegsgefangenen gestattet wer- 
den kann, ihre Entlassung zu nehmen gegen die 
ehrenwörtliche Zusage, während des Feldzuges 
nicht mehr gegen den Feind zu dienen (vgl. Art. 
Krieg, Kriegsrecht), wird auch bei Kapitulationen 
eine derartige Klausel aufgenommen werden dür- 
fen. Die kapitulierenden Truppen zu zwingen, 
an den Kriegsoperationen gegen ihr eigenes Vater- 
land teilzunehmen, wäre geradezu völkerrechts- 
widrig. Eine Verletzung der Kapitulation in 
einem Punkte macht dieselbe in allen andern 
Punkten hinfällig. Falls die Beendigung des 
Kriegszustandes durch vollständige Unterwerfung 
des Gegners stattfindet, so zwar, daß dieser auf- 
hört, als Staat fortzubestehen, können Abmachun-
	        
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