Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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gewalt allein aus, war demgemäß auch selbständig 
zur Anderung der Verfassungsbestimmungen in 
diesem weiteren Sinne befugt. Im Gegensatz hierzu 
ist nach dem konstitutionellen System der Monarch 
nur in der „Ausübung“ der Staatsgewalt an die 
verfassungsmäßig festgelegten Bestimmungen und 
für deren gesetzliche Feststellung an die Mitwirkung 
der Volksvertretung gebunden. Wie weit dieses 
Mitwirkungsrecht geht, ist nach den konkreten Ver- 
fassungsbestimmungen ganz verschieden. Einen 
nicht unerheblichen Fingerzeig für die Beurteilung 
von Zweifelsfällen in diesem Punkte hat man in 
der Entstehungsart der Verfassungen zu finden ge- 
glaubt. Man sagt, daß dort, wo die Verfassung 
seitens eines bis dahin absoluten Monarchen frei- 
willig gegeben (oktroyiert) wurde, man den Satz 
gelten lassen müsse, die Verfassung habe an Rechten 
des Monarchen nur so viel abtreten wollen, als 
sie ausdrücklich erkläre, so daß also in Zweifels- 
fällen die Vermutung für die Rechte und Befug- 
nisse des Monarchen spreche. Daraus folgt dann, 
daß dort, wo jenes nicht der Fall, wo vielmehr die 
Verfassung zwischen Monarch und Volksvertretung 
vereinbart ist, eine solche Vermutung sich nicht 
ohne weiteres rechtfertigen läßt, allerdings aber 
auch nicht die gegenteilige, daß dem Monarchen 
nur diejenige Gewalt zustehe, die ihm ausdrücklich 
zugesprochen ist, während sie im übrigen der Volks- 
vertretung zustände. In Fällen der letzteren Art 
wird also, wenn es sich um streitige Zuständig- 
keiten handelt und eine ausdrückliche klare Ver- 
fassungsbestimmung fehlt, eine Gleichberechtigung 
von Monarch und Volksvertretung anzunehmen 
sein. Für deutsche und namentlich preußische Ver- 
hältnisse trifft letzteres indessen nach der herrschen- 
den Ansicht nicht zu. In Fortwirkung des Art. 57 
der Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820, wo- 
nach „die gesamte Staatsgewalt in dem Ober- 
haupt des Staates vereinigt bleiben muß und der 
Souverän“ „durch eine landständische Verfassung 
nur in der Ausübung „bestimmter" Rechte an die 
Mitwirkung der Stände gebunden werden“ kann, 
haben fast sämtliche deutsche Verfassungsurkunden 
den Satz ausgenommen, daß der Monarch das 
Oberhaupt des Staates sei, „in sich alle Rechte 
der Staatsgewalt vereinige“ und sie „unter den 
in der Verfassungsurkunde festgesetzten Bestim- 
mungen ausübe“. Hier findet die herrschende An- 
sicht einen durchaus zutreffenden Ausdruck. Aber 
auch dort, wo, wie in der preußischen Verfassungs- 
urkunde, eine solche ausdrückliche Erklärung sich 
nicht findet, wird der Satz „als ein geschichtlich 
begründeter Fundamentalsatz des monarchischen 
Staatsrechts" festgehalten. 
3.Als wichtigster Teil der Staatsgewalt ist 
stets die Gesetzgebungsgewalt anzusehen. Nach dem 
Vorstehenden steht sie gemäß dem konstitutionellen 
Prinzip „dem Rechte“ nach dem Monarchen, „der 
Ausübung“ nach ihm und der Volksvertretung zu. 
Auch hier darf ein Ausdruck, wie ihn z. B. die 
preußische Verfassung (Art. 62) gebraucht, daß 
Konstitutionalismus. 
  
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die gesetzgebende Gewalt „gemeinschaftlich“ durch 
den König und durch zwei Kammern ausgeübt 
werde, nicht beirren. Allerdings bedarf der Monarch 
zu einem gesetzgeberischen Alte der Zustimmung 
der Volksvertretung, aber er ist dem Rechte nach 
der Inhaber der gesetzgebenden Gewalt, erst durch 
seine positive Zustimmung zu den Beschlüssen der 
Volksvertretung, durch Sanktionierung und die 
von ihm befohlene Verkündigung derselben kommt 
der verfassungsmäßige Staatswille zur Entstehung. 
Ob dabei dem Monarchen allein oder auch der 
Volksvertretung das Recht zusteht, Gesetze vorzu- 
schlagen, ist gleichgültig. Nicht mehr konstitutionell, 
sondern schon dem parlamentarischen System eigen 
ist es aber, wenn dem Monarchen die Initiative 
zu gesetzgeberischen Vorschlägen versagt ist. Das- 
selbe ist zu sagen, wenn ihm nur ein Vetorecht 
gegenüber den Beschlüssen der Volksvertretung zu- 
erkannt ist. 
4. Was die richterliche Gewalt anlangt, so ist 
konsequenterweise im konstitutionellen Staate der 
Monarch auch als Inhaber dieser zu bezeichnen. 
Überall wird sie „in seinem Namen“ ausgeübt. 
Er selbst nimmt, von Schweden abgesehen (s. d. 
Art. Richter), keinen Anteil an der Ausübung, 
darf auch keinen Einfluß auf die Ausübung zu 
nehmen versuchen; es steht ihm nur, soweit es sich 
um die Strafgerichtsbarkeit handelt, nach erfolgtem 
Richterspruche das Recht der Begnadigung oder 
Strafmilderung zu. Die Ausübung der richter- 
lichen Gewalt erfolgt vielmehr durch unabhängige, 
allein dem Gesetze unterworfene, auf Lebenszeit 
angestellte und nur nach Maßgabe des Gesetzes 
durch Richterspruch absetzbare Richter. Deren Er- 
nennung allerdings wieder, als Akt der allgemeinen 
Staatsverwaltung, steht dem Monarchen zu. In 
diesem Ernennungsrecht, wenn es als unbeschränk- 
tes anzuerkennen wäre, sieht eine demokratisch fort- 
geschrittene Richtung eine Beschränkung der ver- 
fassungsmäßig zu garantierenden Unabhängigkeit 
der Richter, indem dem Monarchen die Möglich- 
keit gegeben sei, die ihm genehmen Persönlichkeiten 
auszuwählen. Deswegen wird von ihr die in meh- 
reren Verfassungen (z. B. in der preußischen) sich 
findende Bestimmung, daß die öffentlichen Amter 
für alle dazu Befähigten, sobald sie die dafür fest- 
gestellten allgemeinen Bedingungen erfüllt haben, 
gleich zugänglich sein sollen, unrichtig dahin aus- 
gelegt, daß alle zum Richteramt Befähigten auch 
von der Staatsverwaltung zu diesem Amt an- 
genommen werden müssen (s. d. Art. Richter). 
5. Am freiesten steht nach konstitutionellen 
Grundsätzen der Monarch in bezug auf die sog. 
Exekutive, die vollziehende Gewalt. Er ist deren 
alleiniger Inhaber und übt sie allein aus. Zu ihr 
gehört die gesamte Repräsentation des Staates 
nach außen, insbesondere in auswärtigen An- 
gelegenheiten. Das Recht, Krieg zu erklären und 
Frieden zu schließen, auch Verträge mit andern 
Staaten zu schließen, liegt wohl ausnahmslos in 
den Händen des Monarchen allein. Nur in bezug
	        
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