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gewalt allein aus, war demgemäß auch selbständig
zur Anderung der Verfassungsbestimmungen in
diesem weiteren Sinne befugt. Im Gegensatz hierzu
ist nach dem konstitutionellen System der Monarch
nur in der „Ausübung“ der Staatsgewalt an die
verfassungsmäßig festgelegten Bestimmungen und
für deren gesetzliche Feststellung an die Mitwirkung
der Volksvertretung gebunden. Wie weit dieses
Mitwirkungsrecht geht, ist nach den konkreten Ver-
fassungsbestimmungen ganz verschieden. Einen
nicht unerheblichen Fingerzeig für die Beurteilung
von Zweifelsfällen in diesem Punkte hat man in
der Entstehungsart der Verfassungen zu finden ge-
glaubt. Man sagt, daß dort, wo die Verfassung
seitens eines bis dahin absoluten Monarchen frei-
willig gegeben (oktroyiert) wurde, man den Satz
gelten lassen müsse, die Verfassung habe an Rechten
des Monarchen nur so viel abtreten wollen, als
sie ausdrücklich erkläre, so daß also in Zweifels-
fällen die Vermutung für die Rechte und Befug-
nisse des Monarchen spreche. Daraus folgt dann,
daß dort, wo jenes nicht der Fall, wo vielmehr die
Verfassung zwischen Monarch und Volksvertretung
vereinbart ist, eine solche Vermutung sich nicht
ohne weiteres rechtfertigen läßt, allerdings aber
auch nicht die gegenteilige, daß dem Monarchen
nur diejenige Gewalt zustehe, die ihm ausdrücklich
zugesprochen ist, während sie im übrigen der Volks-
vertretung zustände. In Fällen der letzteren Art
wird also, wenn es sich um streitige Zuständig-
keiten handelt und eine ausdrückliche klare Ver-
fassungsbestimmung fehlt, eine Gleichberechtigung
von Monarch und Volksvertretung anzunehmen
sein. Für deutsche und namentlich preußische Ver-
hältnisse trifft letzteres indessen nach der herrschen-
den Ansicht nicht zu. In Fortwirkung des Art. 57
der Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820, wo-
nach „die gesamte Staatsgewalt in dem Ober-
haupt des Staates vereinigt bleiben muß und der
Souverän“ „durch eine landständische Verfassung
nur in der Ausübung „bestimmter" Rechte an die
Mitwirkung der Stände gebunden werden“ kann,
haben fast sämtliche deutsche Verfassungsurkunden
den Satz ausgenommen, daß der Monarch das
Oberhaupt des Staates sei, „in sich alle Rechte
der Staatsgewalt vereinige“ und sie „unter den
in der Verfassungsurkunde festgesetzten Bestim-
mungen ausübe“. Hier findet die herrschende An-
sicht einen durchaus zutreffenden Ausdruck. Aber
auch dort, wo, wie in der preußischen Verfassungs-
urkunde, eine solche ausdrückliche Erklärung sich
nicht findet, wird der Satz „als ein geschichtlich
begründeter Fundamentalsatz des monarchischen
Staatsrechts" festgehalten.
3.Als wichtigster Teil der Staatsgewalt ist
stets die Gesetzgebungsgewalt anzusehen. Nach dem
Vorstehenden steht sie gemäß dem konstitutionellen
Prinzip „dem Rechte“ nach dem Monarchen, „der
Ausübung“ nach ihm und der Volksvertretung zu.
Auch hier darf ein Ausdruck, wie ihn z. B. die
preußische Verfassung (Art. 62) gebraucht, daß
Konstitutionalismus.
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die gesetzgebende Gewalt „gemeinschaftlich“ durch
den König und durch zwei Kammern ausgeübt
werde, nicht beirren. Allerdings bedarf der Monarch
zu einem gesetzgeberischen Alte der Zustimmung
der Volksvertretung, aber er ist dem Rechte nach
der Inhaber der gesetzgebenden Gewalt, erst durch
seine positive Zustimmung zu den Beschlüssen der
Volksvertretung, durch Sanktionierung und die
von ihm befohlene Verkündigung derselben kommt
der verfassungsmäßige Staatswille zur Entstehung.
Ob dabei dem Monarchen allein oder auch der
Volksvertretung das Recht zusteht, Gesetze vorzu-
schlagen, ist gleichgültig. Nicht mehr konstitutionell,
sondern schon dem parlamentarischen System eigen
ist es aber, wenn dem Monarchen die Initiative
zu gesetzgeberischen Vorschlägen versagt ist. Das-
selbe ist zu sagen, wenn ihm nur ein Vetorecht
gegenüber den Beschlüssen der Volksvertretung zu-
erkannt ist.
4. Was die richterliche Gewalt anlangt, so ist
konsequenterweise im konstitutionellen Staate der
Monarch auch als Inhaber dieser zu bezeichnen.
Überall wird sie „in seinem Namen“ ausgeübt.
Er selbst nimmt, von Schweden abgesehen (s. d.
Art. Richter), keinen Anteil an der Ausübung,
darf auch keinen Einfluß auf die Ausübung zu
nehmen versuchen; es steht ihm nur, soweit es sich
um die Strafgerichtsbarkeit handelt, nach erfolgtem
Richterspruche das Recht der Begnadigung oder
Strafmilderung zu. Die Ausübung der richter-
lichen Gewalt erfolgt vielmehr durch unabhängige,
allein dem Gesetze unterworfene, auf Lebenszeit
angestellte und nur nach Maßgabe des Gesetzes
durch Richterspruch absetzbare Richter. Deren Er-
nennung allerdings wieder, als Akt der allgemeinen
Staatsverwaltung, steht dem Monarchen zu. In
diesem Ernennungsrecht, wenn es als unbeschränk-
tes anzuerkennen wäre, sieht eine demokratisch fort-
geschrittene Richtung eine Beschränkung der ver-
fassungsmäßig zu garantierenden Unabhängigkeit
der Richter, indem dem Monarchen die Möglich-
keit gegeben sei, die ihm genehmen Persönlichkeiten
auszuwählen. Deswegen wird von ihr die in meh-
reren Verfassungen (z. B. in der preußischen) sich
findende Bestimmung, daß die öffentlichen Amter
für alle dazu Befähigten, sobald sie die dafür fest-
gestellten allgemeinen Bedingungen erfüllt haben,
gleich zugänglich sein sollen, unrichtig dahin aus-
gelegt, daß alle zum Richteramt Befähigten auch
von der Staatsverwaltung zu diesem Amt an-
genommen werden müssen (s. d. Art. Richter).
5. Am freiesten steht nach konstitutionellen
Grundsätzen der Monarch in bezug auf die sog.
Exekutive, die vollziehende Gewalt. Er ist deren
alleiniger Inhaber und übt sie allein aus. Zu ihr
gehört die gesamte Repräsentation des Staates
nach außen, insbesondere in auswärtigen An-
gelegenheiten. Das Recht, Krieg zu erklären und
Frieden zu schließen, auch Verträge mit andern
Staaten zu schließen, liegt wohl ausnahmslos in
den Händen des Monarchen allein. Nur in bezug