Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Die Immunitäten und Privilegien 
der Konsuln sind im einzelnen folgende: a) Be- 
freiung von der Zivil= und Strafge- 
richtsbarkeit des Empfangsstaates genießen 
die Konsuln grundsätzlich nich t. Soweit etwaige 
Verträge nichts anderes bestimmen, unterstehen sie 
also für alle ihre privatrechtlichen Hand- 
lungen der Jurisdiktion des Amtssitzes. Ausge- 
nommen hiervon dürften im Interesse der freien 
Ausübung ihres Amtes, wie auch die Praxis der 
Gerichte anerkennt, alle jene Handlungen sein, die 
sie kraft ihres Amtes innerhalb ihrer Kompetenz 
vornehmen (Ullmann, Völkerrecht (21908) 222). 
In Strasfsachen wird vielfach, wenigstens den 
Berufskonsuln, durch die Verträge persönliche 
Unantastbarkeit eingeräumt. Doch sind die 
Verbrechen im engeren Sinne, besonders solche 
gegen Bestand und Sicherheit des Empfangs- 
staates, regelmäßig hierbei ausgeschlossen. Außer 
bei Ergreifung auf frischer Tat wird allerdings 
gewöhnlich erst das Exequatur zurückgenommen 
und dann die Strafverfolgung eingeleitet, wenn 
man nicht in leichteren Fällen zu dem Mittel der 
Ausweisung greift. Aus dem obigen Grundsatz 
ergibt sich ferner, daß die Konsuln, von besondern 
Vereinbarungen abgesehen, auch der Zeugnis- 
pflicht vor den Gerichten des Empfangsstaates 
unterworfen sind. In den Verträgen beschränkt 
man die etwaige Befreiung meistens auf das per- 
sönliche Erscheinen und begnügt sich mit der An- 
ordnung der schriftlichen Aussage oder der Ver- 
nehmung im Konsulatsgebäude. 
b) Die Unverletzlichkeit der Amts- 
räume ist als Vorbedingung der freien Aus- 
übung der konsularischen Funktionen gemeines 
Recht. Vor allem bezieht sich dies auf die daselbst 
befindlichen amtlichen Papiere, das Konsulats- 
archiv, das weder durchsucht noch beschlagnahmt 
werden darf. Vielfach werden, um Schwierig- 
keiten zu vermeiden, die Konsuln in den Verträgen 
zur Sonderung der amtlichen von den privaten 
Papieren verpflichtet, welch letztere also nicht wie 
die der Gesandten jene Befreiung genießen. Zu- 
weilen wird auch den Wohnräumen des Konsuls 
die Immunität verliehen, dagegen kommt selbst 
den Amtsräumen niemals das Asylrecht zu. 
c) Befreiung von persönlichen Lei- 
stungen und direkten Steuern wird in 
den Verträgen gewöhnlich gewährt, sofern die 
Konsuln Angehörige des ernennenden Staates sind. 
Hierher gehören Militärdienste und Einquartie- 
rungslast, Staats= und Kommunal-, Mobiliar-= 
und Luxussteuern, dagegen nicht Grundsteuern. 
d) Zu den Ehrenrechten der Konsuln gehört 
die Befugnis, an ihrer Amtswohnung das Wap- 
pen ihres Staates mit einer das Konsulat be- 
zeichnenden Umschrift anzubringen und die Natio- 
nalflagge am Gebäude sowie im Hafen auf dem 
Konsulatsboote zu führen. 
VI. Die Rechtsstellung der Konfuln in den 
nichlchristlichen KSändern (Jurisdiktions- 
Konfuln. 
  
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Konfuln) im allgemeinen. Die europäischen 
Konsuln in den nichtchristlichen Ländern nehmen 
aus den oben erörterten Gründen eine durchaus 
eigenartige Rechtsstellung ein. Diese beruht auf 
der fortdauernden einseitigen Geltung des Per- 
sonalitätsprinzips in den pays hors chrsétienté. 
Sollten die Handelsbeziehungen der zivilisierten 
Staaten mit jenen Ländern aufrecht erhalten 
bleiben, so mußte zunächst Person und Eigentum 
ihrer Angehörigen gesichert sein. Hierfür gab es 
nur einen Weg: die Exemtion der letzteren von 
der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit der betreffen- 
den Lokalbehörden (dieselbe erstreckt sich teilweise 
sogar auf die einheimische Dienerschaft christlicher 
Staatsangehöriger und allgemein auf die Woh- 
nungen der letzteren) sowie die Verleihung ent- 
prechender Immunitäten und Vorrechte an die 
mit dem Schutze ihrer Landsleute und deren Han- 
delsinteressen betrauten offiziellen Organe der 
europäischen Staaten. Dadurch ist die Stellung 
der Jurisdiktionskonsuln jener der Gesandten an- 
genähert, zu einer „quasidiplomatischen“ (Rivier, 
Lehrbuch des Völkerrechts I21899 § 43) erhoben. 
Die formelle Grundlage hierfür bilden die Kapi- 
tulationen und Konsularverträge sowie auch in 
nicht geringem Maße das Herkommen. Über die 
Rechte der Handelskonsuln hinaus sind die Privi- 
legien und Immunitäten der Juris- 
diktionskonsuln folgende: 
1. Persönliche Unantastbarkeit. Die 
Jurisdiktionskonsuln sind für ihre Person von der 
Zivil= und Strafgerichtsbarkeit des Empfangs- 
staates eximiert, die fremde Staatsgewalt kann 
der Person des Konsuln gegenüber keinerlei Ge- 
waltmaßregeln anwenden selbst bei schweren Ver- 
brechen ist die prozessualische Verhaftung oder gar 
eine Freiheitsstrafe ausgeschlossen. Diese Unver- 
letzlichkeit geht aber naturgemäß auch nicht weiter 
als die der Gesandten (ogl. Bd II, Sp. 529), so 
daß sie nicht geltend gemacht werden kann, sobald 
der Konsul durch eignes rechtswidriges Verhalten 
eine Notwehrhandlung oder Sicherheitsmaßregeln 
gegen sich veranlaßt oder ohne Grund sich selbst 
in Gefahr begeben hat. — Die Immunität er- 
streckt sich hier auch auf die Familie des Konsuls, 
das Geschäftspersonal und die Dienerschaft. 
2. Unantastbarkeit des Konsulats- 
gebäudes. Kein Organ des Empfangsstaates 
darf daselbst ohne Genehmigung des Konsuls 
irgend welche Jurisdiktionshandlungen vorneh- 
men. In manchen Ländern, z. B. China, ist den 
Konsuln ein bestimmter Stadtbezirk eingeräumt, 
der dann unter erhöhtem Schutz steht (analog dem 
früheren ius quarteriorum oder franchise des 
quartiers der Gesandten). Vielfach wird sogar 
ein Asylrecht, selbst für diesen ganzen Bezirk, in 
Anspruch genommen. 
3. Abgabenfreiheit. Ahnlich wie die 
Handelskonsuln genießt der Jurisdiktionskonsul 
nebst den im Dienste des Konsulates stehenden 
Personen volle Befreiung von persönlichen Lei- 
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