Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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stungen und direkten Steuern, darüber hinaus 
aber auch noch von allen indirekten Steuern, ein 
Vorrecht, das nicht einmal den Gesandten zukommt. 
4. Kapellenrecht. Wie den Gesandten steht 
auch den Jurisdiktionskonsuln das Recht der freien 
Religionsübung im Konsulatsgebäude zu, d. h. 
das Recht, daselbst eine Kapelle zu errichten und für 
sich, das Geschäftspersonal und die am Orte an- 
sässigen Landsleute durch Geistliche ihrer Nation 
Gottesdienst abhalten zu lassen. 
5. Von alters her genießen die Konsuln eine 
Reihe von Ehrenrechten, von denen das Recht, 
sich eine Ehrenwache zu halten, hervorzuheben ist. 
VII. Die Konsukargerichtsharkeit im be.- 
sondern. Stehen den Jurisdiktionskonsuln schon 
weit ausgedehntere polizeiliche Befugnisse als den 
Handelskonsuln zu, die sich in der ausschließlichen 
Polizeigewalt (Verordnungs= und Straf- 
gewalt) über die Angehörigen und Schutzgenossen 
ihres Heimatstaates äußern, so ist das bedeutendste 
Vorrecht, welches den Konsuln in den nichtchrist- 
lichen Ländern vor allem ihre so exzeptionelle 
Stellung verleiht, das der Zivil- und Straf- 
gerichtsbarkeit über ihre Landsleute. 
1. Die Organisation der Konsular- 
gerichte beruht in den einzelnen Ländern auf 
verschiedenen Einzelverträgen und nationalen Ge- 
setzen, auf welche die jeweiligen Bedürfnisse und 
Umstände wie überhaupt die geschichtliche Ent- 
wicklung bestimmend einwirken. Infolgedessen 
kann dieselbe keine einheitliche sein. Gleichwohl 
haben sich gewisse typische Organisationsformen 
bei einzelnen Nationen ausgebildet, welche dann 
den andern zum Vorbild dienten. Man kann da- 
her drei Typen der Organisation der Konsular- 
gerichte unterscheiden, den französischen, eng- 
lischen und russischen Typ. Anm besten hat 
sich der französische bewährt, welcher auf die schon 
erwähnte Marineordonnanz von 1681 zurückreicht 
und den sich die Organisation der deutschen, öster- 
reichischen, italienischen und belgischen Konsular= 
gerichte im allgemeinen angeschlossen haben (vgl. 
für Frankreich Ordonnanz von 1842 und Gesetz 
vom 8. Juli 1851; für England die Ordres in 
council von 1864, 1865 und 1881; russisches 
Konsularreglement vom 25. Dez. 1858; deut- 
sches Konsulargerichtsbarkeitsgesetz vom 7. April 
1900; für Osterkeich Gesetz vom 30. Aug. 1891; 
für Italien Legge consolare vom 28. Jan. 1866 
und Tariffa dei diritti da riscuotersi nei R. R. 
Consolati all' estero vom 16. Juni 1871; für 
Belgien Gesetz vom 31. Dez. 1851). 
a) Das französische Konsulargericht 
besteht aus dem Konsul und zwei ansässigen Lands- 
leuten als Beisitzer und ist zuständig für Zivil- 
und Handelssachen in erster Instanz. Appella- 
tionen gehen an den Gerichtshof zu Aix, Kassa- 
tionsklagen entscheidet der Pariser Kassationshof. 
Nur für China, Siam und Maskat sind andere 
Konsulargerichte als zweite Instanz bestimmt. In 
Strassachen entscheidet über Übertretungen der 
Konsuln. 
  
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Konsul als Einzelrichter in erster und letzter In- 
stanz, über Vergehen besonders zu bildende Kol- 
legialgerichte, bestehend aus dem Konsul und zwei 
ansässigen Landsleuten als Laienrichter; Appella- 
tionsinstanz hierfür ist das Konsulargericht. Bei 
Verbrechen ist der Konsul nur Untersuchungs- 
richter, das Urteil fällt der Gerichtshof zu Aix. 
b) Nach dem deutschen Gesetz vom 7. April 
1900 wird die Konsulargerichtsbarkeit ausgeübt 
durch den Konsul als Einzelrichter, durch das 
Konsulargericht, welches aus dem Konsul als 
Vorsitzenden und zwei, in einzelnen Fällen vier, 
aus den achtbaren Gerichtseingesessenen oder son- 
stigen Einwohnern des Konsularbezirkes zu er- 
nennenden Beisitzern zusammengesetzt ist, sowie 
chließlich durch das Reichsgericht (8§ 5). Der 
Konsul ist zuständig für die sonst den Amts- 
gerichten zugewiesenen Angelegenheiten der strei- 
tigen, Straf= und freiwilligen Gerichtsbarkeit (87); 
das Konsulargericht für die den Landgerichten 
in erster Instanz und den Schöffengerichten zu- 
gewiesenen Sachen, sowie für die Entscheidung 
über Beschwerden gegen Entscheidungen des Kon- 
suls in Strafsachen (§ 10); das Reichsgericht 
endlich für die Entscheidung über die Beschwerde 
und Berufung gegen die Entscheidungen des Kon- 
suls und des Konsulargerichts in streitigen An- 
gelegenheiten, des Konsulargerichts in Strafsachen 
und gegen Entscheidungen des Konsuls in An- 
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (814). 
Bei Verbrechen, die zur Zuständigkeit des Reichs- 
gerichts oder der Schwurgerichte gehören, hat der 
Konsul nur die erforderlichen Sicherheitsmaßregeln 
zu treffen, Untersuchungshandlungen dagegen nur 
insoweit vorzunehmen, als sie durch Gefahr im 
Verzuge geboten erscheinen. Die Akten sind dem 
zuständigen deutschen Gerichte, in Ermanglung 
eines solchen dem Oberreichsanwalt zuzusenden 
und der Beschuldigte dahin abzuliefern (§ 55). 
c) Der englische Typus weist gleichfalls das 
aus dem Konsul und zwei bzw. vier ansässigen 
Landsleuten als Beisitzer bestehende Konsular- 
gericht auf. Als Einzelrichter entscheidet der Kon- 
sul aber nur dann, wenn es an geeigneten Bei- 
sitzern fehlt. Für Strafsachen ist ein aus fünf 
Geschworenen gebildetes Geschworenengericht zu- 
ständig. Zweite und dritte Instanz ist der Su- 
preme Consular-Court in Konstantinopel, für 
China und früher auch für Japan besteht ein 
englischer Oberkonsulargerichtshof in Schanghai. 
4) Die russische Konsulargerichtsbarkeit ist 
bisher nur in Persien gesetzlich organisiert. Der 
Konsul entscheidet als Einzelrichter nur in Sachen 
von weniger als 30 Rubel Wert. An jedem Kon- 
sulat ist ein Gerichtshof gebildet, an dem auch 
Beisitzer aus der ansässigen Kaufmannschaft teil- 
nehmen. Derselbe ist zuständig für Rechtssachen, 
deren Parteien in dem Konsularbezirk ansässige 
russische Untertanen sind. Für die Rechtssachen 
der in Persien überhaupt Handel treibenden Russen 
besteht das bei der Gesandtschaft in Teheran ge- 
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