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bildete Gesandtschaftsgericht, an dem gleichfalls
russische Kaufleute als Beisitzer teilnehmen. In
anderer Zusammensetzung ist es zugleich Gericht
höherer Instanz.
2. Die persönliche Zuständigkeit der
Konsulargerichte. Die sachliche Kompetenz
der Konsulargerichte wurde bereits in obigem dar-
gestellt. In persönlicher Hinsicht erstreckt sich die
Zuständigkeit grundsätzlich nur auf die Staats-
angehörigen des Absendestaates, denen die Schutz-
genossen meistens gleichgestellt werden. Da aber
Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen nicht allein
zwischen Konnationalen, sondern auch zwischen
Angehörigen verschiedener Staaten, wie auch ferner
zwischen Europäern und Eingebornen in Frage
kommen, so ist zu unterscheiden:
a) Alle Zivil= und Handelsstreitigkeiten zwischen
Staatsangehörigen oder Schutzgenossen
desselben Staates, sowie die Strafhand-
lungen eines solchen, begangen an einem Kon-
nationalen oder Schutzgenossen, gehören vor das
Konsulargericht des betreffenden Staates. Eine
Ausnahme besteht für die Türkei. Durch Gesetz
vom 10. Juni 1867 wurde den Angehörigen
europäischer Staaten der Erwerb von Grund-
eigentum gestattet, und infolge der hierdurch not-
wendig gewordenen Reglung der Zuständigkeit
der Lokalgerichte und Konsulargerichte in Grund-
sachen durch das Protokoll vom 9. Juni 1868 die
ausschließliche Kompetenz der türkischen Gerichte
in allen Immobiliarsachen anerkannt.
b) Handelt es sich um Rechtsstreitigkeiten oder
Strassachen zwischen Ausländern ver-
schiedener Nationalität, so gilt gewohn-
heitsmäßig der Grundsatz actor sequitur forum
rei, so daß also das Konsulargericht des Beklagten
oder Beschuldigten zuständig ist.
Te) Für die Behandlung der Streit= und Straf-
sachen zwischen einem Europäer und
einem Eingebornen besteht keine allgemeine
Regel. Maßgebend hierfür sind die einzelnen Kapi-
tulationen und Verträge. Infolgedessen herrscht
große Verschiedenheit. Das forum rei kommt
nur selten in Betracht, so in Korea, Siam; in
China nur für strafbare Handlungen. Es ist also
das Konsulargericht zuständig, falls der Beklagte
bzw. Angeschuldigte Europäer, das Lokalgericht,
falls er Eingeborner ist. Vielfach entscheiden all-
gemein die einheimischen Gerichte, so in China
und Persien bei Angelegenheiten der streitigen Ge-
richtsbarkeit, jedoch mit dem Recht des Konsuls,
zu intervenieren; ebenso in der Türkei in Straf-
sachen. Hier muß der Konsul von der Anklage
gegen einen seiner Landsleute benachrichtigt, die
Verhandlung in seiner Gegenwart geführt wer-
den; ohne seine Beteiligung ist eine Hausdurch-
suchung verboten. Doch sind vielfach auch die
Konsulargerichte zuständig, und zwar die derjenigen
Staaten, welche, wie z. B. das Deutsche Reich,
in der Türkei auf dem Fuße der meistbegünstigten
Nationen behandelt werden. Denn die Türkei
Konfuln.
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gewährte 1830 den Vereinigten Staaten das
Recht, daß die amerikanischen Konsuln über straf-
bare Handlungen ihrer Landsleute richten sollen,
auch wenn der Verletzte türkischer Untertan ist.
Seit 1856 bestehen außerdem in Konstantinopel
und andern größeren Städten der Türkei ge-
mischte Zuchtpolizeigerichte, die zur
Hälfte aus Eingebornen, zur Hälfte aus Ange-
hörigen des betreffenden Staates gebildet werden.
Ohne Genehmigung und Unterschrift seitens des
beteiligten Konsuls, der bei der Verhandlung zu-
gegen sein und in dieselbe eingreifen kann, darf
das Urteil nicht vollzogen werden. Ebenso werden
seit 1847 Handelsstreitigkeiten zwischen Europäern
und Eingebornen, bei einem Werte des Streit-
gegenstandes von mehr als 1000 Piaster, durch
gemischte Handelskammern entschieden,
in denen drei Türken (einer als Vorsitzender) und
zwei Angehörige des betreffenden europäischen
Staates als Richter wirken. Zweite Instanz ist
die ähnlich zusammengesetzte Handelskammer in
Konstantinopel. Im Jahre 1850 wurde außer-
dem noch ein gemischtes Seehandels-
gericht in Konstantinopel gegründet. In Per-
sien endlich werden Strafsachen von den lokalen
Gerichten, aber nach den für meistbegünstigte Na-
tionen bestehenden Regeln beurteilt.
3. Einschränkung der Konsular-
gerichtsbarkeit. Wird die Zivil= und
Kriminaljurisdiktion des Konsuls bereits durch
die Einsetzung der erwähnten gemischten Gerichte
nicht unbedeutend geschmälert, so findet sie eine
tiefgreifende und zugleich vorbildliche Einschrän-
kung durch die Einrichtung der internatio-
nalen Gerichtshöfe in Agypten. Hier
hatten sich die Übelstände der Konsulargerichts-
barkeit in gemischten Prozessen, die vielfache
Schädigung der Interessen der Eingebornen, die
Bevorzugung der Europäer, die Zurückdrängung
der einheimischen Jurisdiktion in besonders hohem
Maße gezeigt. Auf Anregung des Khediven ar-
beitete 1867 eine französisch-ägyptische Kommis-
sion, dann internationale Kommissionen der euro-
päischen Mächte und der Vereinigten Staaten
ein Reglement über die Organisation internatio-
naler Gerichte für die gemischten Prozesse in
Agypten aus. Es trat am 1. Juni 1876 in Kraft.
a) Organisation. Gemäß dem Reglement
bestehen als gemischte Gerichte drei Gerichtshöfe
erster Instanz in Alexandrien, Kairo und Man-
surah (früher Ismailia), ferner ein Appellations-=
gerichtshof in Alexandrien. Die Gerichte erster
Instanz sind als Zivil= oder Handelskammern
mit je fünf Richtern (zwei eingebornen und drei
fremden), als Strafkammern mit drei Richtern
(einem eingebornen und zwei fremden) und vier
(fremden) Beisitzern besetzt. Der Appellations-
gerichtshof besteht aus sechs ägyptischen und zehn
fremden Richtern, als Schwurgericht aus drei
Richtern (einem eingebornen und zwei fremden)
und zwölf nichtägyptischen Geschworenen. Die