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der Päpste an denselben. Ebensowenig wird die
Ausschließlichkeit dieses Rechts durch sog. Aus-
nahmefälle oder durch die Möglichkeit der Be-
rufung allgemeiner Konzilien seitens der Kardinäle,
sei es in dem Falle einer simonistischen Papstwahl
(Konst. Julius II. CLumtam vom 14. Jan.1505),
sei es zur Zeit eines Schismas, modifiziert. Es
handelt sich hier gar nicht um eigentliche Aus-
nahmefälle, da es sich nicht um das Recht handelt,
ein dem Wesen nach ökumenisches Konzil zu be-
rufen. Solche von Kardinälen berufene und ohne
den Papst abgehaltene Konzilien sind nur Ver-
sammlungen von Bischöfen, deren Berufung in
zeitweiligen anormalen kirchlichen Zuständen ihre
volle relative Berechtigung haben kann, und die
bei allgemeiner Beteiligung auch allgemeine ge-
nannt werden können; aber rechtlich tragen sie den
Charakter der Okumenizität nicht, weil dazu die
Teilnahme des Papstes wesentlich ist. Nachdem
indessen Papst Pius X. durch die Konstitution
Vocante Sede Apostolica vom 25. Dez. 1904
die Bestimmungen der vorgenannten Bulle Ju-
lius' II. bzw. der simonistischen Papstwahl aus-
drücklich in der Weise abgeändert, daß, um den
Ausbruch eines Schismas zu vermeiden, auch eine
simonistisch vollzogene Papstwahl — wenn auch
im höchsten Grade verurteilenswert — doch de
lure gültig sein soll, so ist dadurch jenes wesent-
lich die Nullität der Papstwahl voraussetzende
Konvokationsrecht der Kardinäle als beseitigt zu
erachten. Wie das Berufungsrecht des Papstes,
so ergibt sich auch aus dem Wesen eines ökumeni-
schen Konzils das Recht der Bischöfe — die ex-
kommunizierten ausgenommen —, berufen zu wer-
den. Ein Konzil, zu welchem demgemäß nicht alle
Bischöfe berufen werden, ist auch mit dem Papste
kein ökumenisches, weil in ihm nicht der Gesamt-
episkopat zur Darstellung kommt. Die Beteiligung
sämtlicher Bischöfe ist aber nicht wesentlich;
auf keinem allgemeinen Konzil waren alle Bischöfe
zugegen, und dies dürfte auch schwer oder gar
nicht zu erreichen sein. Bei dem Mangel einer
positiven Bestimmung über die Zahl, durch welche
die Okumenizität eines Konzils bedingt würde,
genügt eine solche, mit welcher der Gesamtepiskopat
auch äußerlich vertreten erscheint. Nicht die Zahl
der Bischöfe, sondern die Vereinigung derselben
mit dem Papste bildet vorwiegend das bestim-
mende Moment. Mit diesem Recht haben aller-
dings die Bischöfe auch die Pflicht, wenn berufen,
Folge zu leisten. Und um die Erfüllung derselben
Möglichst zu sichern, hat jeder Bischof bei seiner
Konsekration das eidliche Gelöbnis abzulegen:
Vocatus ad synodum veniam, nisi praepedi-
tus fuero canonica praepeditione. In dem
Falle des Nichterscheinens aber ist die Sendung
eines Prokurators zum Konzil zur Mitteilung der
Verhinderungsgründe gesetzlich vorgeschrieben.
Die Patriarchen, Primaten und Erzbischöfe
haben auch dieses Recht, aber nicht als solche, son-
dern nur, weil sie Bischöfe sind. Ob Weihbischöfe
Konzil.
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und Vicarüt Apostolici zur Teilnahme am Kon-
zil berufen werden müssen, ist eine noch nicht
autoritativ entschiedene Streitfrage. Auf dem letzten
Vatikanischen Konzil galten sie, ohne besonders
genannt zu sein, in den Bischöfen als berufen und
haben sich auch in größerer Zahl als vollberechtigt
daran beteiligt (vgl. Granderath-Kirsch, Geschichte
des Vatik. Konzils I 9077 u. Archiv für kathol.
Kirchenrecht XIIVI 207). Außer den Bischöfen
werden auch einfache Kleriker, allerdings nur auf
Grund eines Privilegs, bestehenden Gewohnheits-
rechts oder päpstlichen Mandats, berufen.
Auf Grund eines Privilegs und Gewohnheits-
rechts werden berufen die Kardinäle, auch wenn
sie nur Priester und Diakonen sind. Abgesehen
von der ihnen an ihren Titelkirchen zustehenden
iurisdictio quasi-episcopalis wären ihre hohe
Stellung in der kirchlichen Hierarchie, der Vor-
rang, den sie vor allen Bischöfen, und namentlich
die hohe Bedeutung, die sie als Berater, Gehilfen
und Vertreter des Papstes bei Leitung und Regie-
rung der Gesamtkirche haben, ebensoviele Gründe,
welche für sie das Recht, an allgemeinen Konzilien
teilzunehmen, und damit das, dazu berufen zu
werden, als höchst angemessen erscheinen ließen,
und darum sind sie auch seit den ersten mittelalter-
lichen Konzilien kraft eines allmählich fixierten
Gewohnheitsrechts im Besitze desselben gewesen.
Auf den gleichen Rechtstitel hin werden ferner be-
rufen die Ordensgenerale, insoweit ihnen eine
iurisdictio quasi-episcopalis zusteht, und des-
halb nur die Generale ordinum religiosorum,
d. h. der Orden mit der professio religiosa oder
dem feierlichen Gelübde, nicht die Generalobern
der Kongregationen mit dem einfachen Gelübde,
weil sie jene Jurisdiktion nicht haben; ebenso die
Abte nullius dioecesis oder abbates saecula-
res, d. h. solche Abte, welche über Klerus und
Volk eines keinem Dibzesanverbande angehörigen
Bezirkes Jurisdiktion ausüben, von den Regular-
äbten nur die Generaläbte, nicht die Abte der ein-
zelnen Klöster (Cecconi, Gesch. des Vatikanischen
Konzils 1 113/124). Da das Recht der Genannten
nicht, wie das der Bischöfe, in dem Wesen eines
ökumenischen Konzils begründet liegt, so würde
dieses in dem Falle ihrer Nichtberufung seinen
Charakter nicht einbüßen; in dem Falle ihrer Be-
rufung aber haben sie gleiches Stimmrecht oder
ein votum decisivum wie jene. Auf Grund eines
päpstlichen Mandats werden auch nichtberechtigte
Kleriker zur Teilnahme berufen, sei es zur Vor-
nahme der notwendigen formellen Akte, sei es als
Fachgelehrte, Theologen und Kanonisten zur Unter-
stützung der Bischöfe bei den Konziliarverhand-
lungen, wobeisie dann nurberatend mitzuwirken und
deshalb auchnur ein votum consultativumhaben.
Für die Berufung eines allgemeinen Konzils
gibt es keine bestimmte Formvorschrift; sie muß
nur in einer Weise geschehen, daß alle, welche das
Recht haben, berufen zu werden, davon Kunde
erhalten; sie kann eine persönliche sein, es genügt