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Übereinkunft einzuschreiten. Als 1894 in den
südwestlichen Provinzen ein religiöser Aufstand
ausbrach, erbat der bedrängte König Hilfe von
China, das 2000 Mann nach Korea schickte.
Sofort erschienen 6000 Japaner zwischen Söul
und Tschemulpo, unterdrückten den Aufstand und
zwangen den König, wichtigen Reformen zuzu-
stimmen und besonders dem Beamtenunwesen ent-
gegenzutreten. Der nun folgende chinesisch-japa-
nische Krieg endete mit einer völligen Niederlage
Chinas, das im Frieden von Schimonoseki (April
1895) die volle Unabhängigkeit Koreas anerkennen
mußte. Die Japaner setzten nun ihre Ränkepolitik
in Söul fort, suchten die Regierung rücksichtslos
an sich zu reißen und ließen ihre Hauptgegnerin,
die Königin, am 8. Okt. 1895 ermorden. Der
König suchte Schutz in der russischen Gesandtschaft,
von wo aus er als „Kaiser“ (diesen Titel hatte er
zum Zeichen seiner Unabhängigkeit angenommen)
bis Aug. 1897 sein Land regierte. Bald darauf
sprach jedoch die koreanische Regierung dem rus-
sischen Kaiser den tiefgefühlten Dank für den ge-
nossenen Schutz aus und lehnte weitere Hilfeleistung
von seiten Rußlands ab. In zwei Verträgen
(14. Mai 1896 und 25. April 1898) erkannten
Rußland und Japan die Unabhängigkeit Koreas
an und verzichteten auf Einmischung in die innern
Angelegenheiten des Landes; trotzdem suchten
beide Staaten ihre Stellung im Lande möglichst
zu befestigen: Rußland durch Besetzung der
Mandschurei, Bahnbauten und Erwerbung von
Konzessionen, Japan durch eine starke Auswande-
rung nach Korea und durch das Bündnis mit
England vom 30. Jan. 1902, in dem beide sich
verpflichteten, die Unabhängigkeit Chinas und
Koreas aufrechtzuerhalten und einander beizu-
stehen, wenn eine der beiden Mächte mit einer
Koalition in Krieg geriete. Das weitere Vordringen
Rußlands und dessen Weigerung, die japanische
Vormachtstellung in Korea anzuerkennen, führte
zum russisch-jzapanischen Krieg (s. Japan), in
dessen Verlauf die Japaner das Land besetzten und
es zur Annahme von Reformen nötigten, die Ja-
pan zum tatsächlichen Herrn der innern und äußern
Politik machten. Rußland mußte im Friedensver-
trag von Portsmouth (29. Aug. 1905) Japans
Stellung anerkennen. Als der Kaiser Mi-Höng
eine Gesandtschaft nach Washington schickte, um
auf Grund des Vertrags von 1882 die „guten
Dienste" der Vereinigten Staaten in Anspruch zu
nehmen, wurde er durch Marquis Ito zum Ab-
kommen vom 17. Nov. 1905 gezwungen, wonach
die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten Ko-
reas in die Hände eines japanischen Generalresi=
denten in Söul übergehen sollte. Nach längerem
Widerstreben unterzeichnete das koreanische Mini-
sterium im Mai 1906 den Vertrag, den die frem-
den Mächte dadurch anerkannten, daß sie ihre
diplomatischen Vertretungen nach und nach auf-
gaben. Der Widerstand des Volkes gegen die
Verwandlung des Landes in eine japanische Pro-
Staatslexikon. III. 3. Aufl.
Korea.
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vinz äußerte sich in zahlreichen Aufständen. Als
im Frühjahr 1907 eine koreanische Mission auf
der zweiten Friedenskonferenz im Haag gegen die
Nichteinladung Koreas protestierte und die Mächte,
besonders die Vereinigten Staaten, zum Ein-
schreiten gegen die japanische Vergewaltigung zu
bewegen suchte, forderte Japan vom Kaiser die
unbedingte Anerkennung des Vertrags vom
17. Nov. 1905, den dieser bisher nicht unter-
zeichnet hatte. Da der Kaiser sich weigerte, wurde
er 19. Juli zur Abdankung gezwungen zugunsten
seines Sohnes J-tschak; dieser mußte 24. Juli
eine neue Konvention (s. unten) unterzeichnen, die
Japan auch rechtlich zum Herrn des Landes macht.
Durch Landung von 4000 Mann japanischer
Truppen, durch Auflösung und Entwaffnung des
koreanischen Heeres (Ende Juli 1907) wurde jeder
Widerstand unterdrückt. Streitigkeiten bezüglich
der Nordgrenze sind durch das Pekinger Abkommen
vom 4. Sept. 1909 zwischen China und Japan
beigelegt worden.
2. Bevölkerung, Wirtschaff. Korea hat mit
Einschluß der Insel Quelpart einen Flächeninhalt
von 218 650 qkm. Die Zahl der einheimischen
Bevölkerung betrug nach der Zählung vom 28. Mai
1907: 9781 671, davon 5 283 682 männlich
und 4497 989 weiblich. Ende Dez. 1906 be-
fanden sich in Korea 102 785 Ausländer: 98 495
Japaner (Ende Sept. 1907), 3661 Chinesen,
286 Amerikaner, 138 Engländer, 54 Deutsche,
103 Franzosen, 48 sonstige Europäer. Die Frem-
den wohnten fast ausschließlich in der Hauptstadt
Söul (1902: 193 606 Einw.) und in den Ver-
tragshäfen. — Die mongolische Bevölkerung ist
den Japanern näher verwandt als den Chinesen,
von denen sie Kultur, Schrift, Sprache der höheren
Stände, Staats= und Gesellschaftsordnung über-
nommen haben (um sie ihrerseits den Japanern
zu übermitteln), und gliedert sich in Adlige (nebst
Beamten, Offizieren und Gelehrten), Bauern,
Handwerker und Kaufleute. Der Adel hat gewisse
Vorrechte, trägt besondere Kleidung und scheidet
sich in Geschlechter, deren Sonderung auf Ab-
stammung und Geschichte beruht. — Hauptbe-
schäftigung des Volkes ist der Ackerbau (für über
70%); außer Reis, der besonders reichliche Ernten
liefert, und Weizen werden Gerste, Hirse, Mais,
Hülsenfrüchte, Baumwolle, Maulbeerbäume, Ta-
bak und Hanf angebaut, ferner Gemüse und Gin-
seng. Die Viehzucht (Rinder, Pferde und Esel als
Zug= oder Lasttiere, Schweine) steht auf keiner
hohen Stufe. Die ehemals so blühende Lackwaren-,
Metall= und Porzellanindustrie, die von hier aus
ihren Eingang nach Japan fand, beginnt sich all-
mählich wieder aus ihrem Verfall zu erheben.
Einheimische Industrieartikel sind: Seide, Papier,
Matten, Hornsachen, Bürsten u. a. Die Fischerei
(Sardinen, Heringe, Walfische, Trepang usw.) ist
fast ausschließlich in den Händen der Japaner. —
Der Mineralreichtum des Landes (Gold, Silber,
Kupfer, Eisen, Kohle) wird erst neuerdings mit
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