Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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den Neutralen, erzeugt. Der Zweck des Krieges 
wird in der Regel in der Geltendmachung oder 
Abwehr wirklicher oder vermeintlicher Ansprüche 
bestehen, der Krieg kann aber auch die Lösung 
politischer oder anderer nichtrechtlicher Fragen be- 
zwecken; doch hat für den Begriff des Krieges der 
Zweck keine Bedeutung (Ullmann, Völkerrecht 465). 
Aus dem Begriff des Krieges ergibt sich, daß 
Subjekt des Krieges und der durch denselben 
begründeten Rechtsverhältnisse nur souveräne 
Staaten und Mitglieder der Völkerrechtsgemein- 
schaft sein können; denn diese allein sind selbstän- 
dige Träger völkerrechtlicher Befugnisse und Pflich- 
ten. Daraus folgt: 
a) Nur der Waffenkampf zwischen Mitglie- 
dern der Völkerrechtsgemeinschaft ist 
Krieg im völkerrechtlichen Sinne. Der Kampf 
gegen Staaten und Völkerschaften, die außerhalb 
der Völkerrechtsgemeinschaft sich befinden, unter- 
steht daher nicht den Normen des Kriegsrechts, 
sondern ist nach allgemeinen Grundsätzen des 
Christentums und der Menschlichkeit zu beurteilen 
(Liszt, Völkerrecht 317). 
b) Wenn nur Staaten Träger der facultas 
bellandi sind, so können Privatpersonen 
keinen Krieg führen, ihre etwaigen feindlichen 
Handlungen gegen einen fremden Staat sind nach 
Strafrecht bzw. Standrecht zu behandeln (ogl. 
Schill 1809). Eine Ausnahme liegt vor, wenn 
Privatpersonen, z. B. Kolonialgesellschaften, von 
ihrem Heimatstaate zur Kriegführung autorisiert 
werden. 
) Auch der Bürgerkrieg, d. h. die Auf- 
lehnung der Staatsbürger gegen die eigne Staats- 
gewalt, ist nicht Krieg im völkerrechtlichen Sinne, 
so daß z. B. für die andern Mächte die Pflicht der 
Neutralität entfällt. Gelingt es indessen den Auf- 
ständischen, einen Teil des Staatsgebietes tatsäch- 
lich besetzt zu halten und eine geordnete Verwal- 
tung einzuführen, so können sie als kriegführende 
Partei (partie bélligerante) anerkannt werden. 
Hierdurch wird der anerkennende Staat zur Neu- 
tralität verpflichtet. Vorzeitige Anerkennung ist 
ein unfreundlicher Akt gegen den Mutterstaat, ja 
kann als Unterstützung der Rebellion angesehen 
werden. Gleiche Grundsätze gelten von dem Kampf 
der Gliedstaaten, eines Bundesstaates oder einer 
Realunion untereinander oder gegen die Bundes- 
gewalt sowie des halbsouveränen Staates, der nur 
auf Grund besondern Rechtstitels das Kriegsrecht 
haben kann, gegen den Schutzstaat. In der Per- 
sonalunion und im Staatenbunde bleibt jedoch 
jedem der Einzelstaaten die facultas bellandi, 
wenn auch gegenseitige Bekriegung staatsrechtlich 
ausgeschlossen ist. 
4) Der dauernd neutralisierte Staat 
hat nur ein beschränktes Recht der Kriegführung, 
insofern er jeden Angriff mit Waffengewalt ab- 
wehren darf, eine Offensive seinerseits dagegen eine 
Völkerrechtsverletzung ist, wenn sie auch alle Rechts- 
wirkungen des Kriegsausbruchs hat. 
Krieg ufw. 
  
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Die feindlichen, sich bekämpfenden Staaten 
heißen Kriegsparteien. Eine Kriegspartei 
braucht aber nicht aus einem einzigen Staate zu be- 
stehen, sondern kann sich aus mehreren zusammen- 
setzen. Haben sich mehrere Mächte zu gemeinsamer 
Kriegführung gegen denselben Gegner mit Ein- 
setzung ihrer gesamten militärischen Macht ver- 
einigt, so werden sie sämtlich Hauptparteien 
(Verbündete, Kriegsgenossen, alliés), das Ver- 
hältnis zueinander Kriegsbündnis, Kriegsgenossen- 
schaft, Allianz genannt. Dasselbe wird durch den 
Bündnisvertrag (traité d'alliance) näher ge- 
regelt. Leisten dagegen Staaten nur partielle, 
d. h. nach Art und Maß begrenzte Kriegshilfe 
G. B. Stellung eines Hilfskorps, Unterstützung 
durch Geldmittel), so erscheinen sie als Neben- 
parteien (Hilfsmächte, auxiliaires). Der dem 
Verhältnis zugrunde liegende Vertrag ist nur ein 
Hilfs= oder Subsidienvertrag (traité de secours, 
de subsides). 
2. Arten des Krieges. Man unterscheidet: 
a) Angriffs= und Verteidigungs- 
kriege. Völkerrechtlich ist als Angreifer nicht 
derjenige anzusehen, der gerade als erster die 
Waffen ergreift, sondern vielmehr derjenige, wel- 
cher den Krieg ohne rechtlichen Grund veranlaßt 
oder für den Gegner unvermeidlich macht. Damit 
fällt jene Unterscheidung mit der von gerechten 
und ungerechten Kriegen zusammen. In- 
dessen dürfte es praktisch meistens zweifelhaft 
bleiben, auf wessen Seite das Recht ist, zumal 
jede Partei vom Unrecht der andern überzeugt sein 
wird. Gleichwohl kann jene Unterscheidung nicht 
allein völkerrechtlich (1der Dreibund kennt nur den 
Angriffskrieg als casus foederis), sondern auch 
staatsrechtlich von Bedeutung sein (Art. 11, 2 der 
deutschen Reichsverfassung sieht bei einem Angriff 
auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten von der 
sonst zur Kriegserklärung seitens des Kaisers er- 
forderlichen Zustimmung des Bundesrates ab). 
b) Nach den Ursachen und Zwecken in Rechts- 
und politische Kriege, Eroberungs-, 
Befreiungs-, Revanche-, Religions- 
kriege usw. Doch ist diese Unterscheidung für 
das Völkerrecht unpraktisch, weil sich hieraus ein 
Unterschied für die Kriegführung und deren Recht 
nicht ergibt. 
T) Auch die früher übliche Einteilung in öf- 
fentliche md private und gemischte Kriege, 
je nachdem der Krieg von Staaten gegen Staaten 
oder von Privatpersonen gegen Privatpersonen 
oder von Staaten gegen Privatpersonen (z. B. 
Seeräuber) geführt wird, ist für das heutige Recht 
hinfällig, weil, wie gesagt, nur Staaten Subjekte 
des Krieges sein können, somit alle Kriege öffent- 
liche Kriege sind. Dagegen ist 
d) die Unterscheidung in Land= und See- 
krieg von großer juristischer wie praktischer Be- 
deutung, weil sich, wie die Natur der Sache und 
eine jahrhundertelange Praxis ergibt, für den 
Seekrieg viele von den allgemeinen Kriegsregeln
	        
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