Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Schädigung des Feindes, Belagerungen und Be- 
schießungen; Spione; Parlamentäre; Kapitu- 
lationen; Waffenstillstand), Militärische Gewalt 
auf besetztem feindlichen Gebiete, Bei Neutralen 
festgehaltene Kriegführende und in Pflege befind- 
liche Verwundete. 8) Das (III.) Abkommen betr. 
die Anwendung der Grundsätze der Genfer Kon- 
vention vom 22. Aug. 1864 auf den Seekrieg. 
) Die drei Deklarationen, durch welche verboten 
wird das Werfen von Geschossen und Spreng- 
stoffen aus Luftschiffen (zunächst auf fünf Jahre), 
der Gebrauch von solchen Geschossen, deren ein- 
ziger Zweck ist, erstickende und giftige Gase zu ver- 
breiten, und die Verwendung von Geschossen, die 
sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder 
platt drücken, derart wie die Geschosse mit hartem 
Mantel, der den Kern nicht ganz umhüllt oder 
mit Einschnitten versehen ist („Dum-Dum- 
Gescosst). 
b) Die zweite Genfer Konvention 
vom 6. Juli 1906, welche die Revision der ersten 
von 1864 zum Gegenstand hatte. 
c) Die Ergebnisse der zweiten Haager 
Konferenz, unterzeichnet am 18. Okt. 1907. 
Es sind dies mit Ausschluß des (I.) Friedens- 
abkommens und des (II.) Abkommens betr. die 
Beschränkung der Anwendung von Gewalt bei 
der Eintreibung von Vertragsschulden folgende: 
a Das (III.) Abkommen über den Beginn der 
Feindseligkeiten. ß) Das (IV.) (revidierte) Ab- 
kommen und Reglement betr. die Gesetze und Ge- 
bräuche des Landkrieges. 7) Das (V.) Abkommen 
betr. die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte 
und Personen im Falle eines Landkrieges. 6) Das 
(VI.) Abkommen über die Behandlung der feind- 
lichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der Feind- 
seligkeiten. ) Das (VII.) Abkommen über die 
Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegs- 
schiffe. 3) Das (VIII.) Abkommen über die Legung 
von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen. 
ein) Das (IX.) Abkommen betr. die Beschießung 
durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten. 6) Das (X.) 
(revidierte) Abkommen über die Anwendung der 
Grundsätze des Genfer Abkommens (von (1900) 
auf den Seekrieg. 1) Das (XI.) Abkommen über 
gewisse Beschränkungen in der Ausübung des 
Beuterechts im Seekriege. 7) Das (XII.) Abkom- 
men über die Errichtung eines internationalen 
Prisenhofes.).) Das (XIII.) Abkommen betr. die 
Rechte und Pflichten der neutralen Mächte im 
Falle eines Seekrieges und p) eine Deklaration 
betr. das Verbot des Werfens von Geschossen und 
Sprengstoffen aus Luftschiffen (bis zum Schluß 
der nächsten Friedenskonferenz). 
4) Die Erklärung der Londoner Seekriegs- 
rechtskonferenz vom 26. Febr. 1909, welche, 
um die 1907 beschlossene Errichtung eines inter- 
nationalen Prisenhofes zu verwirklichen, das von 
diesem anzuwendende materielle Recht, also das 
Prisenrecht, fixieren soll. Die Deklaration regelt 
infolgedessen in neun Kapiteln die Blockade im 
Krieg usw. 
  
  
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Kriege, die Kriegskonterbande, die neutralitäts- 
widrige Unterstützung, die Zerstörung neutraler 
Prisen, den Flaggenwechsel im Kriegsfalle, die 
feindliche oder neutrale Eigenschaft des Schiffes 
bzw. der Ware, das Geleit (Convoi) durch Kriegs- 
chiffe, den Widerstand gegen die Durchführung 
und den Schadensersatz bei ungerechtfertigter Be- 
schlagnahme. Damit erst ist der internationale 
Prisenhof ins Leben getreten. 
Der Erfolg dieser Konferenzen ist ein ganz be- 
deutender. Abgesehen von der wachsenden Teil- 
nehmerzahl (erste Haager Konferenz 26, Genfer 
Konvention 36, zweite Haager Konferenz 45 Staa- 
ten; zur Seerechtskonferenz waren nur die zehn 
großen Seemächte geladen, doch dürften die andern 
Mächte sich ihren Beschlüssen anschließen) ist es 
tatsächlich gelungen, den größten Teil des Kriegs- 
rechts, und zwar das Landkriegsrecht auf der ersten 
Haager Konferenz, die meisten Gebiete des See- 
kriegsrechts und des Rechts der Neutralen auf der 
zweiten Haager und der Londoner Konferenz, zu 
kodifizieren. Was noch fehlt bzw. verbesserungs- 
bedürftig ist, werden die künftigen Konferenzen 
erledigen, so z. B. die Frage der Umwandlung 
von Handels= in Kriegsschiffe auf hoher See, die 
Frage, ob für den Charakter als feindliches Eigen- 
tum die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz 
des Eigentümers entscheidend sein soll usw. 
3. Nichtbeachtung des Kriegsrechts. 
Aus all dem geht klarer als je hervor, daß der 
Krieg ein Rechtsverhältnis ist, eine Summe 
von Rechten und Pflichten zwischen den Kriegs- 
parteien selbst und zwischen diesen und den neu- 
tralen Staaten erzeugt. Die Normen des Kriegs- 
rechts sind für die Mitglieder der Völkerrechts- 
gemeinschaft bindend. Zuwiderhandlungen 
sind völkerrechtliche Delikte und erzeugen deren 
Rechtsfolgen. Doch sind Abweichungen vom 
Kriegsrecht in folgenden zwei Fällen zulässig: 
a) wenn dem betreffenden Staat bei Beobach- 
tung der Kriegsregeln die Gefahr der eignen Ver- 
nichtung oder der völligen Vereitlung des Kriegs- 
zwecks droht (Notstand); 
b) wenn der Gegner selbst von den Normen des 
Kriegsrechts abweicht (Kriegsrepressalien). 
Allerdings ist die Zulässigkeit dieser Abweichungen, 
„Kriegsraison“" (ratio belli oder nach Gro- 
tius necessitas belli) genannt, bestritten. Und 
in der Tat ist sie ein zweischneidiges Schwert, 
das bei gewissenlosem Gebrauch die Errungen- 
schaften der Humanität und Zivilisation im Kriegs- 
recht illusorisch machen kann. Denn selbst die 
Umgehung gewisser Kriegsrechtsregeln, die ab- 
solute Geltung beanspruchen und deshalb als ab- 
solut bindend anzusehen sind, wie das Verbot, 
vergiftete Waffen zu gebrauchen, wird im äußersten 
Falle mit der Ausrede der Kriegsraison verteidigt 
werden können. Erst wenn künftige Konferenzen 
die Kriegsraison schärfer umschrieben und inter- 
nationale Garantien geschaffen haben, wird ein 
Mißbrauch nicht mehr zu befürchten sein. 
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