501
Schädigung des Feindes, Belagerungen und Be-
schießungen; Spione; Parlamentäre; Kapitu-
lationen; Waffenstillstand), Militärische Gewalt
auf besetztem feindlichen Gebiete, Bei Neutralen
festgehaltene Kriegführende und in Pflege befind-
liche Verwundete. 8) Das (III.) Abkommen betr.
die Anwendung der Grundsätze der Genfer Kon-
vention vom 22. Aug. 1864 auf den Seekrieg.
) Die drei Deklarationen, durch welche verboten
wird das Werfen von Geschossen und Spreng-
stoffen aus Luftschiffen (zunächst auf fünf Jahre),
der Gebrauch von solchen Geschossen, deren ein-
ziger Zweck ist, erstickende und giftige Gase zu ver-
breiten, und die Verwendung von Geschossen, die
sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder
platt drücken, derart wie die Geschosse mit hartem
Mantel, der den Kern nicht ganz umhüllt oder
mit Einschnitten versehen ist („Dum-Dum-
Gescosst).
b) Die zweite Genfer Konvention
vom 6. Juli 1906, welche die Revision der ersten
von 1864 zum Gegenstand hatte.
c) Die Ergebnisse der zweiten Haager
Konferenz, unterzeichnet am 18. Okt. 1907.
Es sind dies mit Ausschluß des (I.) Friedens-
abkommens und des (II.) Abkommens betr. die
Beschränkung der Anwendung von Gewalt bei
der Eintreibung von Vertragsschulden folgende:
a Das (III.) Abkommen über den Beginn der
Feindseligkeiten. ß) Das (IV.) (revidierte) Ab-
kommen und Reglement betr. die Gesetze und Ge-
bräuche des Landkrieges. 7) Das (V.) Abkommen
betr. die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte
und Personen im Falle eines Landkrieges. 6) Das
(VI.) Abkommen über die Behandlung der feind-
lichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der Feind-
seligkeiten. ) Das (VII.) Abkommen über die
Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegs-
schiffe. 3) Das (VIII.) Abkommen über die Legung
von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen.
ein) Das (IX.) Abkommen betr. die Beschießung
durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten. 6) Das (X.)
(revidierte) Abkommen über die Anwendung der
Grundsätze des Genfer Abkommens (von (1900)
auf den Seekrieg. 1) Das (XI.) Abkommen über
gewisse Beschränkungen in der Ausübung des
Beuterechts im Seekriege. 7) Das (XII.) Abkom-
men über die Errichtung eines internationalen
Prisenhofes.).) Das (XIII.) Abkommen betr. die
Rechte und Pflichten der neutralen Mächte im
Falle eines Seekrieges und p) eine Deklaration
betr. das Verbot des Werfens von Geschossen und
Sprengstoffen aus Luftschiffen (bis zum Schluß
der nächsten Friedenskonferenz).
4) Die Erklärung der Londoner Seekriegs-
rechtskonferenz vom 26. Febr. 1909, welche,
um die 1907 beschlossene Errichtung eines inter-
nationalen Prisenhofes zu verwirklichen, das von
diesem anzuwendende materielle Recht, also das
Prisenrecht, fixieren soll. Die Deklaration regelt
infolgedessen in neun Kapiteln die Blockade im
Krieg usw.
502
Kriege, die Kriegskonterbande, die neutralitäts-
widrige Unterstützung, die Zerstörung neutraler
Prisen, den Flaggenwechsel im Kriegsfalle, die
feindliche oder neutrale Eigenschaft des Schiffes
bzw. der Ware, das Geleit (Convoi) durch Kriegs-
chiffe, den Widerstand gegen die Durchführung
und den Schadensersatz bei ungerechtfertigter Be-
schlagnahme. Damit erst ist der internationale
Prisenhof ins Leben getreten.
Der Erfolg dieser Konferenzen ist ein ganz be-
deutender. Abgesehen von der wachsenden Teil-
nehmerzahl (erste Haager Konferenz 26, Genfer
Konvention 36, zweite Haager Konferenz 45 Staa-
ten; zur Seerechtskonferenz waren nur die zehn
großen Seemächte geladen, doch dürften die andern
Mächte sich ihren Beschlüssen anschließen) ist es
tatsächlich gelungen, den größten Teil des Kriegs-
rechts, und zwar das Landkriegsrecht auf der ersten
Haager Konferenz, die meisten Gebiete des See-
kriegsrechts und des Rechts der Neutralen auf der
zweiten Haager und der Londoner Konferenz, zu
kodifizieren. Was noch fehlt bzw. verbesserungs-
bedürftig ist, werden die künftigen Konferenzen
erledigen, so z. B. die Frage der Umwandlung
von Handels= in Kriegsschiffe auf hoher See, die
Frage, ob für den Charakter als feindliches Eigen-
tum die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz
des Eigentümers entscheidend sein soll usw.
3. Nichtbeachtung des Kriegsrechts.
Aus all dem geht klarer als je hervor, daß der
Krieg ein Rechtsverhältnis ist, eine Summe
von Rechten und Pflichten zwischen den Kriegs-
parteien selbst und zwischen diesen und den neu-
tralen Staaten erzeugt. Die Normen des Kriegs-
rechts sind für die Mitglieder der Völkerrechts-
gemeinschaft bindend. Zuwiderhandlungen
sind völkerrechtliche Delikte und erzeugen deren
Rechtsfolgen. Doch sind Abweichungen vom
Kriegsrecht in folgenden zwei Fällen zulässig:
a) wenn dem betreffenden Staat bei Beobach-
tung der Kriegsregeln die Gefahr der eignen Ver-
nichtung oder der völligen Vereitlung des Kriegs-
zwecks droht (Notstand);
b) wenn der Gegner selbst von den Normen des
Kriegsrechts abweicht (Kriegsrepressalien).
Allerdings ist die Zulässigkeit dieser Abweichungen,
„Kriegsraison“" (ratio belli oder nach Gro-
tius necessitas belli) genannt, bestritten. Und
in der Tat ist sie ein zweischneidiges Schwert,
das bei gewissenlosem Gebrauch die Errungen-
schaften der Humanität und Zivilisation im Kriegs-
recht illusorisch machen kann. Denn selbst die
Umgehung gewisser Kriegsrechtsregeln, die ab-
solute Geltung beanspruchen und deshalb als ab-
solut bindend anzusehen sind, wie das Verbot,
vergiftete Waffen zu gebrauchen, wird im äußersten
Falle mit der Ausrede der Kriegsraison verteidigt
werden können. Erst wenn künftige Konferenzen
die Kriegsraison schärfer umschrieben und inter-
nationale Garantien geschaffen haben, wird ein
Mißbrauch nicht mehr zu befürchten sein.
—