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bestimmte in seinen Reformakten solchen Vellei-
täten gegenüber als Erfordernis nur ein von den
Kardinälen abzugebendes Konsilium mit rein zere-
monieller, nicht rechtlicher Bedeutung. Bei dem
großen Interesse jedoch, welches die Kardinäle an
der Persönlichkeit haben, die in ihr Kollegium
eintreten soll, pflegten die Päpste in billiger Be-
rücksichtigung desselben und zu ihrer eigenen In-
sormation jene als ihre geborenen Ratgeber auch
bei dieser Angelegenheit regelmäßig zu Rate zu
ziehen und ihnen so eine jedesmalige Mitwirkung
freiwillig zu gewähren. Infolgedessen sind denn
auch bestimmte Akte und Zeremonien üblich
geworden, unter deren Vornahme heute noch die
Kreation der Kardinäle seitens des Papstes sich
vollzieht. Früher geschah dieselbe in vier zu diesem
Behufe berufenen und in gewissen Zwischenräumen
stattfindenden Versammlungen der Kardinäle.
Jetzt erfolgt die Ernennung nach vorheriger Be-
ratung mit den Kardinälen ohne Konsistorium.
Der so Ernannte wird sodann in einer Privat-
audienz dem Papste vorgestellt und erhält das
rote Birett. Später werden zwei Konsistorien ab-
gehalten; in dem ersten (öffentlichen) geschieht die
feierliche Ubergabe des roten Hutes, in dem zwei-
ten (geheimen) die Zeremonie der Schließung und
Offnung des Mundes, die Überreichung des
Ringes und die assignatio tituli. Zuweilen be-
hält der Papst bei diesen Kreationen einen oder
mehrere Kandidaten in petto (in pectore reser-
vat), d. h. er teilt die Ernennung mit, ohne den
Namen anzugeben (reliquos in pectore reser-
vamus arbitrio nostro quandocunque decla-
randos). Wird später der betreffende Kardinal
namentlich proklamiert, so datiert seine Ancienni=
tät von dem Tage, an welchem er in petto be-
halten wurde. — Wenngleich, wie oben schon an-
gedeutet ist, den weltlichen Mächten hierbei ein
rechtlich garantierter Einfluß keineswegs zusteht,
so können dennoch die größeren katholischen Mächte
(Osterreich, Spanien, Portugal, früher auch Frank-
reich) observanzmäßig Vorschläge machen, welche
die Päpste gewöhnlich berücksichtigen, aber ohne
an diese gebunden zu sein. Die unter Berück-
sichtigung derartiger Wünsche ernannten Kardinäle
werden Kronkardinäle genannt.
In Anbetracht der hohen Würde der Kardinäle
sind bezüglich ihrer persönlichen Eigenschaften
mannigsache Bestimmungen ergangen (Ferraris,
Card. art. 1, n.24; Phillips, Kirchenrecht VI273).
Namentlich hat das Konzil von Trient (c. 1, s. 24)
bestimmt, daß sie alle die Eigenschaften haben
müssen, welche für den Episkopat gefordert werden.
Um etwaigen Parteibildungen im Kardinalkolle-
gium entgegenzutreten, bestimmte Julius III.
(„const. Pro bono regimine vom 26. Jan.
1554), daß niemand zum Kardinal ernannt wer-
den soll, dessen Bruder, Halbbruder oder über-
haupt Verwandter ersten und zweiten Grades
schon Kardinal ist. Um dem Kardinalkollegium
Männer zu sichern, welche zur Erfüllung seiner
Kardinäle.
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hohen Aufgabe die erforderlichen Kenntnisse be-
sitzen, schrieb die erste Sixtinische Konstitution
§ 9 vor, daß neben den Doktoren beider Rechte
oder wenigstens des kanonischen Rechts mindestens
vier Magistri der Theologie, vornehmlich aus dem
Mendikantenorden, Mitglieder desselben sein sollen.
Und da ja die Kardinäle berufen sind, als Ge-
hilfen des Papstes sich an der Regierung der
ganzen Kirche zu beteiligen, so sollen in ihrem
Kollegium möglichst die verschiedenen Nationali-
täten vertreten sein (Conc. Trid. c. 1, s. 24;
Cons. Basil. c. 4, s. 23). Schon der hl. Bernhard
hatte hierauf in seinem Werke De consideratione
ad Eugenium III. (4, 4) hingewiesen. Indes
alle diese Bestimmungen, mögen sie auf allgemeinen
Konzilien oder von Päpsten erlassen sein, haben
dem jedesmaligen Papste gegenüber nur eine direk-
tive, keine normative Bedeutung. Diesem kann
bei richtiger Auffassung seines Verhältnisses zum
kirchlichen Recht die Befugnis nicht bestritten wer-
den, in einzelnen Fällen auch gegen jene Bestim-
mungen Kardinalkreationen vorzunehmen. In der
vollzogenen Ernennung liegt zu gleicher Zeit ein
Dispensationsakt von der entgegenstehenden Be-
stimmung.
Die mit der Kardinalswürde verbundenen
Rechte sind teils Regierungsrechte teils besondere
Vorrechte oder Privilegien teils Ehrenrechte. Die
Regierungsrechte stehen den Kardinälen als
Gehilfen und Vertretern des Papstes in der Lei-
tung der Gesamtkirche zu, und sie üben dieselben
aus entweder in ihrer Gesamtheit (in Konsistorien)
oder in ständigen Ausschüssen (in Kongregatio-
nen) oder in einzelnen Amtern als Vorstände der
Kurialbehörden. Ihre besondern Vorrechte
oder Privilegien sind sehr zahlreich (Ferraris,
Card. art. 3, n. 25). Zunächst stehen ihnen alle
jene Privilegien zu, welche den Bischöfen gewährt
sind. Von den darüber hinausgehenden sind die
wichtigsten: 1) Sie sind exemt und sakrosankt; sie
werden nur vom Papst unter Zuziehung des
Kardinalkollegiums gerichtet; ihre Verletzung gilt
als crimen laesae maiestatis und hat außer
der Exkommunikation die Infamie auch der De-
szendenten des Schuldigen zur Folge. 2) Auf
Grund ihrer Würde üben sie (auch Priester und
Diakonen) an ihren Kirchen die jurisdictio quasi-
episcopalis aus, und die Kardinalpriester können
ihren subditi die Tonsur und die niederen Weihen
erteilen. 3) Auf allgemeinen Konzilien haben sie,
ohne Bischöfe zu sein. Sitz und Stimme wie die
Bischöfe. 4) Sie allein können zu legati a latere
ernannt werden. 5) Es steht ihnen das Recht der
Papstwahl in der Art zu, daß sie dasselbe auch
ausüben können, wenn sie einer kirchlichen Zenfur
verfallen sind (Const. Vacante Sede Aposto-
lica vom 25. Dez. 1904, Nr 29). Eine Reihe von
ihren Vorrechten beruht nicht auf gesetzlichen Be-
stimmungen oder auf dem Gewohnheitsrechte,
sondern auf Indulten. Da diese jedoch regelmäßig
gewährt werden, so tragen dieselben um nichts