Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

503 Krieg usw. 504 
V. Der Beginn des Krieges. Die Wir- zuzeigen, die sich aber auf das etwaige Ausbleiben 
kKungen des Kriegsaushruchs. 1. Die Kriegs= der Anzeige nicht berufen dürfen, wenn unzweifel- 
eröffnung erfolgt entweder durch die förmliche haft feststeht, daß sie den Kriegszustand tatsächlich 
Erklärung eines Staates, daß er den Krieg gekannt haben. 
gegen einen andern Staat beginnen werde, oder 2. Maßregeln bei Ausbruch des Krie- 
durch die tatsächliche Anwendung militärischer Ge= ges. Vor der Kriegseröffnung oder gleichzeitig 
waltmaßregeln auf beiden Seiten. In früheren mit derselben pflegen die Staaten eine Reihe von 
Zeiten war die feierliche Kriegserklärung unerläß- Maßregeln zu treffen. Dieselben äußern sich: 
liche Bedingung für die Begründung des Kriegs= ag hinsichtlich der eignen Staatsangehörigen 
zustandes. Den Römern wie allen Völkern des 
Altertums war ein bellum justum ohne indictio 
belli undenkbar. Auch im Mittelalter erschien bei 
der Privatfehde eine förmliche Aufkündigung der 
in der Proklamierung des Kriegs-oder 
Standrechts, sodann in den Dehortato- 
rien, Inhibitorien und Avokatorien. 
Unter Dehortatorien versteht man allgemeine 
Treue (dift#datio), bei öffentlichen Kriegen eine Warnungen mit Strafandrohung, gewisse Hand- 
in feierlicher Form abgegebene Kriegserklärung lungen vorzunehmen, die im Kriegsfall entweder 
durch Schreiben von Souverän zu Souverän, seit dem eignen Staate Nachteil verursachen, dem 
dem 15. Jahrh. durch sog. Waffenherolde als un= Feinde Vorteile verschaffen oder aber auch das 
erläßlich. Seit Anfang des 18. Jahrh. läßt man Privatinteresse der Staatsangehörigen selbst ge- 
die feierliche Kriegserklärung als notwendige For= fährden könnten. Inhibitorien sind Verbote 
derung für den Kriegsbeginn fallen. Seitdem ge= des Handels mit dem feindlichen Staate oder seinen 
nügt die reine Tatsache gegenseitiger militärischer Untertanen hinsichtlich bestimmter Waren, z. B. 
Gewaltmaßregeln (ex vi mutua). Von 1700 bis Waffen, Pferde, Nahrungsmittel usw. Mit Avo- 
1870 werden denn auch 107 Fälle gezählt, in 
denen der Krieg ohne Kriegserklärung erfolgte. 
Gleichwohl war vielfach eine Kriegsverkün- 
digung (proclamation de guerre) üblich, d. h. 
der Erlaß einer motivierten Erklärung an das 
eigne Volk oder an die neutralen Staaten oder an 
alle Welt des Inhalts, daß der Krieg gegen einen 
bestimmten Staat begonnen werde. Daneben wird 
neuerdings die Stellung eines Ultimatums, 
d. h. die letzte Aufforderung an den Gegner, sich 
in bestimmter Frist befriedigend zu äußern, ver- 
katorien bezeichnet man die Zurückberufungs- 
befehle an die Staatsangehörigen, welche sich im 
feindlichen oder auch nur neutralen Staate auf- 
halten, vorzüglich aber diejenigen, welche noch 
militärpflichtig sind oder im Zivil= oder Militär- 
dienst des feindlichen Staates stehen. Soweit solche 
Avokatorien nicht erlassen werden, pflegt jede 
Kriegspartei ihre auf feindlichem Gebiete ver- 
bleibenden Angehörigen dem Schutze eines be- 
freundeten neutralen Staates zu empfehlen. 
b) Gegenüber den Angehörigen des feind- 
  
bunden mit der Abberufung des diplomatischen lichen Staates steht der Staatsgewalt das 
Vertreters als bedingte Kriegserklärung angesehen. Recht zu, dieselben auszuweisen (Tenolasie). 
Erfolgt die Antwort nicht oder nicht in zufrieden- Doch ist es Sitte geworden, den fremden Staats- 
stellender Weise, so gilt die Bedingung als ein- angehörigen die formelle Erlaubnis zum weiteren 
getreten, der Krieg eröffnet. So verlangte eine Verbleiben zu geben oder bei Ausweisung ihnen 
von dem nordamerikanischen Gesandten 1898 der mindestens eine angemessene Frist zur Erledigung 
spanischen Regierung überreichte, von Mac Kinley ihrer Angelegenheiten zu stellen. In den neueren 
unterzeichnete Resolution des Kongresses, bis Kriegen hat nur Frankreich 1870 von dem Recht 
Samstag den 23. April 1898, 6 Uhr früh die der Tenolasie Gebrauch gemacht. Auch den in 
Erklärung seitens der spanischen Regierung, ob Häfen befindlichen Handelsschiffen feindlicher Na- 
man entschlossen sei, die spanischen Truppen von tionalität ist bei Ausbruch des Krieges eine be- 
Kuba zurückzuziehen und die Regierung der Insel stimmte Frist zum ungehinderten Auslaufen zu 
aufzugeben oder nicht; wenn nicht, so bedeute dies gewähren (Art. 1/2 des VI. Haager Abkommens 
den Krieg. — Geleitet von der Erwägung, welch von 1907). 
großen Wert es für die Sicherheit der friedlichen 3. Rechtswirkungen des Kriegsaus- 
Beziehungen hat, wenn die Feindseligkeiten nicht bruchs. Neben den erwähnten Maßregeln hat 
ohne vorausgehende Benachrichtigung beginnen, der Ausbruch des Krieges auch bestimmte, un- 
wenn ferner der Kriegszustand unverzüglich den mittelbar eintretende Rechtswirkungen zur Folge. 
neutralen Mächten angezeigt wird, hat die Haager Zwar tritt nicht ein rechtloser Zustand ein, son- 
Konferenz von 1907 das oben erwähnte (III.) dern es wird nur das bestehende Recht zum Teil 
Abkommen geschlossen. In demselben erkennen die suspendiert, zum Teil durch das Kriegsrecht als 
45 Vertragsmächte an, daß die Feindseligkeiten Ausnahmerecht modifjziert. 
unter ihnen nicht beginnen dürfen ohne eine vor-= a) In den Beziehungen der feindlichen 
ausgehende unzweideutige Benachrichtigung, die 
entweder die Form einer mit Gründen versehenen 
Kriegserklärung oder die eines Ultimatums mit 
bedingter Kriegserklärung haben muß. Außerdem 
ist der Kriegszustand den neutralen Mächten an- 
Staaten zueinander macht sich dies darin 
geltend, daß die friedlichen Verhältnisse 
und der friedliche Verkehr untereinander 
aufhören, wie dies in der Abberufung bzw. Zurück- 
sendung der diplomatischen Vertreter und der
	        
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