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regelt und durch eine gegenseitige Verpflichtung
aller Beteiligten, den gemeinsamen Abmachungen
gemäß zu handeln, zustande kommt“. Während
Liefmann aber mit dieser Erklärung offenbar zu
weit geht, da hiernach z. B. auch Magazingenossen-
schaften von Handwerkern zu den Kartellen zu
rechnen wären, scheint Pohles Definition die ver-
schiedenen für das Kartellwesen charakteristischen
Momente genauer und zutreffender zusammen-
zufassen: „Als Kartelle sind die auf dem Wege
des freien Vertrags entstandenen Vereinigungen
von Wirtschaftssubjekten gleicher oder verwandter
Berufe zu bezeichnen, welche in einer auf dem
System der freien Konkurrenz beruhenden Volks-
wirtschaft durch die aus der Einschränkung des
freien Wettbewerbes unter den Beteiligten hervor-
gehende monopolistische Beeinflussung
der Marktverhältnisse den größtmöglichen
Vorteil für ihre Mitglieder zu erreichen suchen.“
Unter diese Begriffsbestimmung fallen zwar
streng genommen ebenso die Gewerkvereine der
Arbeiter und Preisvereinbarungen von Hand-
werkern wie die großindustriellen Kartelle; doch
fällt das wenig ins Gewicht in Anbetracht ihrer
praktischen Brauchbarkeit zur Charakterisierung
gerade der letztgenannten, mit denen es dieser Ar-
tikel ausschließlich zu tun hat. In dieser Defi-
nition kommt zum Ausdruck, daß eine Unter-
nehmervereinigung, um unter den Begriff Kartell
zu gehören, folgende Voraussetzungen erfüllen
muß: 1) muß das herrschende volkswirtschaftliche
System dasjenige der freien Konkurrenz sein;
2) muß die Vereinigung nicht auf Herkommen,
Sitte oder staatlichem Zwang, sondern auf freiem
Vertrag beruhen, mag auch die Vertragsfreiheit
tatsächlich für manche der Vertragschließenden
sehr beschränkt sein; 3) muß den Mitgliedern ein
gewisser Grad von wirtschaftlicher Freiheit und
Selbständigkeit verbleiben, es darf nicht eine nahezu
völlige Verschmelzung mehrerer Unternehmungen
stattfinden (Trusts in Nordamerika); 4) muß ihr
Streben auf Beherrschung bzw. Beeinflussung der
Marktlage vermöge Einschränkung der freien Kon-
kurrenz, womöglich also auf Erlangung einer Mo-
nopolstellung gerichtet und 5) als letztes Ziel der
Vereinigung die Erhöhung des Unternehmer-
gewinns zu betrachten sein. „Auch wo über die
von jedem Mitglied einzuhaltenden Preise Ver-
einbarungen vollständig fehlen“, bemerkt in letz-
terer Hinsicht Pohle (Die Kartelle 8) — auf
dessen Darstellung des Kartellwesens sich dieser
Artikel in vielen Punkten stützt —, „wie bei den
Kartellen, die eine Einschränkung der Produktion
verabreden oder die jedem Mitglied ein gewisses
Absatzgebiet zuweisen, immer wird auf diesem
Wege indirekt eine Erhöhung des Gewinnes be-
absichtigt und auch meist erreicht. Die Kartelle
sind also eine Folge des allgemein menschlichen
Strebens nach dem höchstmöglichen Gewinn.“
III. Mannigfaltig sind die Mittel und
Jormen der Kartellierung. Die Anfänge der
Kartelle.
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Kartellbildung liegen oft in einfachen Verab-
redungen über Lieferungsbedingungen und ähn-
liches, die erst eine Vorstufe der Kartellierung
darstellen; ihre endgültige Entwicklung führt hier
und da sogar zu nahezu völliger Fusion mehrerer
großer Unternehmungen, zur annähernden Ver-
schmelzung derselben in ein einziges Riesenunter-
nehmen, welche bereits wieder über den Rahmen
der Kartellierung hinausgeht. Dazwischen sind
die verschiedensten Formen der Kartellierung mög-
lich, je nachdem die hierzu verfügbaren Mittel in
einfacherer oder komplizierterer Weise zur Anwen-
dung gelangen. Als ältestes, einfachstes, aber auch
an sich schwächstes Mittel der Kartellierung ist die
Preisvereinbarungüber Maximaleinkaufs-
und Minimalverkaufspreise anzusehen. Bei Ver-
einbarung von letzteren bilden überdies eine not-
wendige Ergänzung, falls sie nicht schon als Vor-
stufe der eigentlichen Kartellierung vorangegangen
sind, Vereinbarungen über Kreditgewährung,
Zahlungsbedingungen u. dgl. Reine Preiskartelle
bieten nicht nur einer wirklich durchgreifenden
Kontrolle besondere Schwierigkeiten, sondern
können auch, selbst wenn ihre Abmachungen streng
eingehalten werden, kaum verhindern, daß die
Geschäftserfolge der Mitglieder infolge besonderer,
im Rohmaterial oder in der Fabrikation gelegener
Vorzüge sich recht verschieden gestalten, der Zweck
des Kartells daher nicht für alle in gleicher Weise
erreicht wird. Zu dem Mittel der Preisvereinbarung
haben daher solche Kartelle in der Regel bald noch
das eine oder andere der sonstigen Mittel hinzu-
genommen, von denen weiterhin zu nennen ist die
Verteilung der Absatzgebiete bzw. der Kundschaft
— unter Umständen auch Verteilung der Bezugs-
quellen (z. B. Rüben-Rayonnierungsübereinkom-
men der Rohzuckerfabriken in Osterreich). Bei dieser
sog. Gebietskartellierung erlangt jedes Mit-
glied für einen bestimmten Bezirk eine Art Mo-
nopol, so daß Preisvereinbarungen ziemlich über-
flüssig sind. Indes find reine Gebietskartelle
selten, weil sie nur bei einer geringen Anzahl von
Unternehmungen möglich sind, die so über ein
Land verteilt liegen, daß jede schon von Natur auf
ein gewisses Absatzgebiet angewiesen ist. Oft ver-
einigen sich aber mehrere Kartelle desselben In-
dustriezweiges zur Verteilung der Absatzgebiete
untereinander, also zu einem aus Kartellen zu-
sammengesetzten Gebietskartell.
Viel häufiger ist die gemeinschaftliche Reglung
der Produktion bzw. des Absatzes, um durch Ge-
winnung eines besseren Uberblicks über die Markt-
lage, und darauf gestützt, durch Beseitigung oder
Verhütung von Überproduktion, häufig freilich
auch durch recht willkürliche Beschränkung der
Produktion die Preise und damit den Gewinn
zu verbessern. Die Produktionskartel-
lierung kann wieder in verschiedener Weise er-
solgen, entweder dadurch, daß einzelne Werke
gegen Entschädigung ganz still gesetzt werden,
oder durch Einschränkung des Betriebes bzw.