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der in wichtigen ästhetischen und kulturellen Fragen
auf Regierungen und Gesetzgebung in seinem Sinne
einzuwirken sucht.
Die Museen als Staatsanstalten sind auch
erst Errungenschaften des 19. Jahrhunderts. Sie
sind alle ohne Ausnahme aus den Kunstkabinetten
und persönlichen Kunstliebhabereien der Fürsten
hervorgegangen. Ihr Übergang in den Besitz
des Staates hat dann ihren systematischen Aus-
bau gebracht. Den großen Gemäldegalerien
schlossen sich im Laufe der zweiten Hälfte des
19. Jahrh. die „Nationalmuseen“, Kunstgewerbe-
museen, Gipsmuseen usw. an. In neuester Zeit ent-
stehen mit der Zunahme des Interesses für Lokal-
kunst und Volkskultur in fast allen kleineren Städten
Lokalmuseen, deren sich der Staat durch reichliche
Unterstützung annimmt. Durch das allgemeine
Interesse für Kunst unter den Gebildeten, sodann
durch das Fortschreiten der wissenschaftlichen For-
schung hat die Entwicklung der Museen in den
letzten Jahrzehnten glänzende Fortschritte zu ver-
zeichnen. In Deutschland hat besonders General=
direktor Bode durch seine umfassenden Museums-
pläne Schule gemacht. Eine starke Konkurrenz
für die europäischen Sammlungen sind die reichen
amerikanischen Privatsammler geworden.
Ergänzend, jedoch nicht selten ihre Bestrebungen
kreuzend ist in jüngster Zeit die Denkmal-
pflege den Museen an die Seite getreten. Sie
steht zur Zeit im Vordergrund des stabtlichen
Interesses. Die sinnlosen Verwüstungen der
französischen Revolution und der seichten Auf-
klärung in Deutschland, die romantischen Restau-
rationen und der Stilpurismus der folgenden
Zeit, die Aufstapelungen von Kunstwerken in den
Museen und Privatsammlungen, wo sie entfernt
von Entstehungsort und künstlerischer Umgebung
sich gegenseitig erdrücken, hat die Erhaltung von
Kunstwerken dem Denkmälerschatz des Landes, der
Stadt, der Gemeinde in unverändertem Zustand
immer wichtiger erscheinen lassen. Immer dring-
licher wird die Frage: Wie kann die Menschheit
die geistigen Werte, die sie hervorbringt, sich er-
halten? (Dehio.) Immer klarer wird man sich
über die ideellen Zwecke der Kunstpflege in ihrer
Wirkung auf Herz, Geist, Gemüt, Heimatsliebe,
Patriotismus und Tradition. Nebenbei machen
sich aber immer mehr materielle Nebenzwecke be-
merkbar, da mit der Zunahme des Fremden-
verkehrs kunsthistorisch bedeutende und gut erhal-
tene Stätten lieber aufgesucht werden. Eine er-
schöpfende Definition des Wortes „Denkmal“ ist
bis heute noch nicht vorhanden und wird sich
auch niemals geben lassen, da die Wertschätzung
eines Gegenstandes als „Denkmal“ stets nach
Volk, Land, Zeit, Bildungsstufe, wissenschaft-
licher Erkenntnis, selbst Modeneigungen wechseln
wird. Es muß nur in irgend einer Beziehung zur
Kunst, Geschichte oder Natur stehen. So kann nur
der Fachmann, niemals der Laie unter Berück-
sichtigung aller Umstände bestimmen, was als
Kunstpflege.
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Denkmal zu betrachten ist. Der Denkmalschutz
erstreckt sich in erster Linie auf Werke der Archi-
tektur, Plastik, Malerei, Kleinkunst, eventuell auch
auf Handschriften, Urkunden sowie ältere Druck-
werke. Die vorhandenen Werke sollen unvermin-
dert, unverändert und ohne jegliche Zutaten der
Nachwelt erhalten werden. Aufgabe der Denkmal-
pflege ist „konservieren“, nicht „restaurieren“.
Abgesehen von Ausnahmefällen und besondern
Verhältnissen sollen nichtausgebaute Kirchen nach-
träglich nicht mehr „nach alten Plänen“ aus-
gebaut werden, Gemälde nicht übermalt, Statuen
nicht neu gefaßt werden, Zutaten späterer Jahr-
hunderte, die ja ebenso wertvolle Zeugnisse des
künstlerischen Strebens und des religiösen Emp-
findens unserer Vorfahren sind, nicht entfernt
werden. Mit den Fortschritten der Wissenschaft
sind wir ja zur Erkenntnis gekommen, daß wir
niemals einen alten Stil vollständig nachempfin-
den können, sondern daß die kommende Generation
das Hinzugefügte sofort erkennen wird (z. B.
Kölner Dom). So wenig eine moderne Ergän-
zung des Nibelungenliedes und von Gedichten
Walthers von der Vogelweide uns gleichwertig
erscheinen wird, ebensowenig muß sie es uns
bei Kunstwerken erscheinen. Daher der starke
Widerwillen in künstlerisch empfindenden Kreisen
gegen Neubau eines Heidelberger Schlosses, gegen
Zerstörung alter Städtebilder, gegen Freilegung
von Kirchen. Natürlich kann der Staat diese
Grundsätze ohne weiteres nur auf die in seinem
Besitze befindlichen Gebäude, sodann solche von
Gemeinden, Körperschaften, Stiftungen und
Kirchen ausdehnen, die irgendwie seiner Oberauf-
sicht unterstehen. Doch hier werden schon häufig
Bedürfnisse der Praxis, der Seelsorge, des Kul-
tus, des Verkehrs usw. die uneingeschränkte Durch-
führung des reinen Erhaltungs= und Konservie-
rungsprinzips unmöglich machen. Deshalb können
nur eigne Behörden, die sich vollständig frei halten
von Engherzigkeit, Bureaukratismus und Schema-
tismus, und das weiteste Entgegenkommen und
Verständnis für die Forderungen des Tages mit
aufrichtiger Liebe zur alten Kunst zu verbinden
wissen, hier in den einzelnen Fällen das Richtige
treffen. Noch schwieriger wird natürlich die
Frage, wenn es sich um Kunstwerke handelt, die
sich im Besitze von Privaten befinden. Doch
wird auch hier konziliantes Entgegenkommen und
Aufklärung durch die Behörden vieles zu verhin-
dern wissen; aber ohne gesetzliche Hilfsmittel und
vor allem reiche Geldmittel wird auf die Dauer
in dieser Richtung nichts zu machen sein.
Damit kommen wir zu der Geschichte der
Denkmalpflege, besonders im 19. Jahrhundert.
Neben der konservativen Tendenz macht sich dabei
immer mehr eine sozialistische geltend, da „ohne
Beschränkung des Privateigentums, ohne Be-
schränkung der Interessen des Verkehrs, der Ar-
beit, der individuellen Nützlichkeitsmotive“ ein
allgemeiner Denkmalschutz nicht durchführbar sein