Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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mehr und mehr an Ansehen und Bedeutung ein- 
büßten. Zuletzt war denn auch deren Tätigkeit so 
gut wie auf den Kirchenstaat beschränkt, bis sie 
mit dessen Untergang schließlich zu einem bloßen 
Scheindasein verurteilt wurden. Innerhalb der 
Kongregationen selbst verwischten sich indessen die 
Kompetenzgrenzen immer mehr, so daß in einer 
Reihe von Angelegenheiten mehrere Kongregationen 
zuständig sein konnten. Die Folge war, daß ein- 
zelne Kongregationen mit Geschäften geradezu 
überlastet waren, während manche andere nur noch 
dem Namen nach bestanden. 
Verschiedentlich suchten die Päpste diesen Miß- 
ständen, denen sich noch das teilweise korrumpierend 
wirkende Sporteln= und Taxenwesen zugesellte, 
durch Umschreibung der Kompetenzen, Aufhebung 
der Vereinigung einzelner Kongregationen, Schaf- 
fung neuer Kongregationen und Kommissionen, 
Reglung des Beamtenrechts zu steuern. Indes 
nur mit geringem Erfolg. Erst Pius X. ist zu 
einer durchgreifenden und, wie zu hoffen steht, 
dauernden Reorganisation der Kurie geschritten. 
Am 29. Juni 1908 erging als grundlegendes 
Verfassungsgesetz die päpstliche Konstitution Sa- 
pienti consilio, mit der organisch verbunden sind 
die Lex propria S. Romanze Rotae et Sig- 
naturae Apostolicae (über die spezielle Ver- 
fassung und das Verfahren dieser beiden Gerichts- 
höfe) vom gleichen Datum und der Ordo ser- 
vandus in Sacris Congregationibus, Tri- 
bunalibus, Officiis Romanae Curiae, deren 
erster Teil, die Normae communes (Beamten- 
recht, Geschäftsverkehr, Taxenordnung), ebenfalls 
am 29. Juni erlassen wurde, während der zweite 
Teil, die Normae peculiares (spezielle Geschäfts- 
anweisungen), das Datum des 29. Sept. 1908 
tragen (abgedruckt in Acta Apostolicae Sedis 1 
(19091] 7 f 20 ff 36 ff 59 ff; Archiv für kath. 
Kirchenrecht LXXXVIII (19081 679 ff 690 ff 
705 ff; LXXXIX I1909) 300 ff; Deutsche Zeit- 
schrift für Kirchenrecht XI (1908] 436 ff 448 ff 
463 ff; XLI 19091 280 ff). Die für die Reform 
maßgebenden Gesichtspunkte sind: Trennung von 
Justiz und Verwaltung, scharfe Scheidung und 
Umschreibung der Kompetenz der einzelnen Be- 
hörden, Vereinfachung des Behördenorganismus, 
gleichmäßige Verteilung der Geschäfte, Schaffung 
eines wirklichen Beamtenrechts, Reglung des 
Taxenwesens, Erleichterung des Verkehrs mit der 
Kurie. Im folgenden ist vornehmlich das nun- 
mehr geltende Recht zu berücksichtigen, das frühere 
aber nur insoweit, als es zum Verständnis des 
heutigen beiträgt. 
III. Das Konsistorium und die Kardinals- 
Kongregationen im allgemeinen. 1. Das 
Konsistorium ist die feierliche Versammlung 
der in Rom anwesenden Kardinäle unter dem 
Vorsitz des Papstes. Während dasselbe im Mittel- 
alter an Stelle der früheren Synoden sämtliche 
causae arduae et maiores, darunter auch die 
Prozeßsachen erledigte und zu diesem Zwecke noch 
Kurie. 
  
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unter Innozenz III. täglich oder doch wenigstens 
mehrmals in der Woche zusammentrat, verlor es 
seit Einsetzung der verschiedenen Kurialbehörden, 
besonders aber seit Errichtung der Kardinals- 
kongregationen mehr und mehr an Bedeutung und 
wird heute nur noch zur feierlichen Promulgation 
von besonders hervorragenden, bereits an anderer 
aaben spruchreif gemachten Angelegenheiten be- 
rufen. 
Schon seit langem werden die Konsistorien nach 
der persönlichen Zusammensetzung wie nach der 
Art der in Frage stehenden Angelegenheiten in 
geheime (consistoria secreta seu ordinaria) 
und öffentliche (consistoria publica seu extra- 
ordinaria) unterschieden. Außerdem kennt der 
stilus curiae noch halböffentliche Konsistorien 
(consistoria semipublica). Zur Kompetenz 
der geheimen Konsistorien, an denen nur 
Kardinäle teilnehmen, gehören jetzt nur solche 
Angelegenheiten von größerer Bedeutung, die 
von sog. gratioser oder kirchenpolitischer Natur 
sind. Unter die erstere Art fallen: die Krea- 
tion von Kardinälen, die Ernennung des Käm- 
merers und Kanzlers der römischen Kirche, 
die sog. causae maiores, d. h. die auf die 
Bistümer und Bischöfe bezüglichen Angelegen- 
heiten, wie Errichtung, Teilung und Vereinigung, 
Besetzung und Translation, Erteilung des Pal- 
liums usw., ferner die Besetzung der sog. Kon- 
sistorialabteien, die Entsendung der legati a la- 
tere u. a. Was die Angelegenheiten der zweiten 
Art anlangt, so kommen in Betracht: Abschließung 
oder Abänderung von Konkordaten, hieraus ent- 
standene Differenzen usw. In der Regel handelt 
es sich aber nur darum, den versammelten Kar- 
dinälen von dem jeweiligen Stand der in Verhand- 
lung stehenden Angelegenheiten oder von deren 
etwaiger Sanktion Mitteilung zu machen. Vor 
allem dienen die geheimen Konsistorien dem Papste 
dazu, sich über gewisse Vorkommnisse kirchen- 
politischer Art feierlich auszusprechen, und zwar in 
Form der sog. Allokutionen, die trotz ihres zunächst 
vertraulichen Charakters für die Offentlichkeit be- 
stimmt sind. — Während nach dem Gesagten die 
geheimen Konsistorien zur Beratung oder Erledi- 
gung wichtiger Regierungsangelegenheiten dienen, 
tragen die öffentlichen Konsistorien, weil zur 
Vornahme feierlicher Akte bestimmt, einen rein 
zeremoniellen Charakter. Die Kardinäle erscheinen 
hier nicht als der Senat des Papstes, sondern als 
kirchliche Würdenträger, um der vom Papst vor- 
zunehmenden Handlung eine höhere Feierlichkeit 
zu geben. Aus demselben Grunde nehmen auch 
die in Rom anwesenden Bischöfe, Prälaten, die 
diplomatischen Vertreter, die römische Aristokratie 
usw. teil. Die Akte, die hier vorgenommen wer- 
den, sind: die Überreichung des roten Hutes an 
die neuen Kardinäle, der feierliche Endbeschluß 
über Kanonisationen, der Empfang regierender 
Fürsten oder deren Gesandten. — Das halb- 
öffentliche Konsistorium ist die Verbindung
	        
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