Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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gramme von La Chesnaie und Malestroit, den 
Avenir und seine Kämpfe verfolgen. Wenn der 
Voltaireanismus, der Gallikanismus (der kirch- 
liche, weniger der politische) zu Tode getroffen 
wurde, der Katholizismus auf dem Boden des 
gemeinen Rechts sich erhebend jene Freiheiten und 
Einrichtungen sich erkämpfen konnte, wie die Frei- 
heit des mittleren und höheren Unterrichts, der 
kirchlichen Selbstverwaltung, die Erneuerung der 
Liturgie in aller Schönheit, wenn das Ordens- 
leben in antiker Schönheit erstehen, wenn eine 
bessere Wissenschaftspflege im ganzen Bereiche der 
Theologie und Philosophie und ihrer Hilfswissen- 
schaften sich anbahnen und in Presse und Litera- 
tur neue, ungeahnte Fortschritte gezeitigt werden 
konnten, so sind das alles Erscheinungen, die vor 
1880 wenig bemerkbar und beachtet in den Ar- 
beiten und Schöpfungen der Gerbet, Lacordaire, 
Guéanger, L. Veuillot, Rohrbacher, de Salinis, 
Combalot, de Coux, Montalembert den heute 
noch hellstrahlenden Glanz der katholischen Re- 
stauration verbreiten und mit dem Namen Lamen- 
nais vor seinem Falle verbunden bleiben. Louis 
Veuillot (Correspondance I 327) stellte schon 
sieben Jahre vor dem Tode Lamennais' den katho- 
lischen Standpunkt seiner Beurteilung einem Be- 
schimpfer Lamennais' gegenüber mit den Worten 
fest: „Wir können es nicht vergessen, daß Lamen- 
nais der Religion unberechenbare Dienste geleistet; 
er als der erste war der Träger aller der Ideen, 
die wir verteidigen; er hat die Bresche gelegt, 
durch die wir eindringen; und so sehr wir seine 
Fehler verabscheuen, uns steht es besser an, ihn 
zu beklagen und für ihn zu beten, als ihn zu 
beschimpfen.“ Lamennais war und bleibt in der 
ersten Hälfte seines Lebens ein großer Zeuge des 
wiedererstehenden Glaubens, in der letzten eine 
ernste Warnung vor seiner Erniedrigung in der 
Verquickung mit den sich jagenden Schatten der 
liberal-revolutionären Zeitpolitik. 
Literatur. Außer den erwähnten Schriften 
ist hinzuweisen auf den heute noch in Frankreich 
viel gebrauchten geistig-aszetischen Guide spirituel 
ou Miroir des ämes religieuses (1809), eine nach 
Louis de Blois angefertigte Anweisung zum innern 
Leben, insgleichen die Übersetzung lmitation de 
Jésus-Christ (1829) mit vortrefflichen Erwägungen 
am Schluß jedes Kapitels, die drei Sammlungen 
von Artikeln u. kleineren Schriften in den Mé- 
langes religienx et philosophiques (1819, 1826 
u. 1835) sowie die Sammlung der Cechen Artikel 
des Avenir unter dem Titel Questions politiques 
et philosophiques (2 Bde, 1840). Zu den (Euvres 
completes (11 Bde, 1844/47) vgl. die Correspon-- 
dance, die uvres médites von A. Blaize (2 Bde, 
1866) u. die (Suvres posthumes von Em. For- 
gues (5 Bde, 1855/58). Der kirchlichen Zensur ver- 
fielen die Paroles d’'un croyant (Enzyklika Gre- 
gors XVI. v. 25. Jan. 1834 u. Dekret v. 7. Juli 
1836), Affaires de Rome (Dekret v. 14. Febr. 
18371, Le livre du peuple (Dekret vom 13. Febr. 
1838; deutsch unter „Das Volksbuch“" 1905 von 
Paetz, mit einer Einleitung von Georg Adler: L., 
Landarbeiter. 
  
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u. der religiöse Sozialismus des 19. Jahrh.), 
Esquisse d’'une philosophie (Dekret v. 30. März 
1841), Amschaspands et Darwands (Dekret v. 
17. Aug. 1843), Les Evangiles (Dekret v. 17. Aug. 
1845). Zu den Biographien von Blaize u. Forgues 
vgl. de Lomenie (1840), Mercier (Lamennais 
d’après sa correspondance et les travaux les 
plus récents I1894), Peigne (L. sa vie intime à 
Chesnaie (18541), Ricard (/1887, mit Vorsicht zu 
gebrauchen), Robinet (1835), Roussel (L. d’apres 
des documents inédits (2 Bde, 21893] u. L. in- 
time (1897)), Spuller (Etude d’histoire politique 
et religieuse [1892]). Über seine Lehre u. ihre 
Kritik vgl. Boyer, Examen de la doctrine de M. 
de la Mennais (1834); Ferraz, Histoire de la 
philosophie en France au XIXe siecle (1880); 
Janet, La Philosophie de L. (1890); Lacordaire, 
Considérations sur le systeme philosophique de 
L. (1834); dazu Gerbet, Réflexions sur la chute 
de M. de L. (1838); Peyrat, Béranger et I. 
(1862); Sainte-Beuve, Portraits contemporains 
I u. Nouveaux Lundis I u. XI. Eine Übersicht 
über die Revueartikel gibt Mercier S. 338, ins- 
gleichen über die weitere Literatur; dazu vygl. 
OQuerard, Les supercheries littéraires (1870) u. 
Wetzer u. Weltes Kirchenlexikon VII2 1350 ff. 
Weinand.) 
Landarbeiter. Unter Landarbeitern in 
weiterem Sinne versteht man alle Personen, welche 
dem Leiter eines landwirtschaftlichen Betriebes 
ihre Arbeitskraft zur Erreichung der Betriebs- 
zwecke zur Verfügung stellen; im engeren Sinne 
derartige Personen, wenn sie für ihre Arbeits- 
leistung Entgelt erhalten. 
Nach der Berufszählung vom 12. Juni 1907 
gab es im Deutschen Reiche an derartigen land- 
wirtschaftlich Erwerbstätigen im Hauptberuf: 1) Fa- 
milienangehörige, in der Wirtschaft des Haus- 
haltungsvorstandes tätig 3883.034, davon männlich 
1.051 057, weiblich 2 831977; 2) landwirtschaft- 
liche Knechte 707538, landwirtschaftliche Mägde 
625179; 3) landwirtschaftliche Arbeiter, Taglöhner, 
welche eignes oder gepachtetes Land bebauen 
259390, davon männlich 213717, weiblich 45 673; 
4) landwirtschaftliche Arbeiter, Taglöhner, welche 
kein eignes oder gepachtetes oder sonstiges Land be- 
bauen 236 534, davon männlich 219 220, weiblich 
17314; 5) landwirtschaftliche Arbeiter, Taglöhner, 
welche kein Land bebauen 1 343 225, davon mönn- 
lich 646 236, weiblich 696 989; insgesamt 7054 900. 
Ein Vergleich mit der Berufszählung von 1895 
ergibt eine starke Zunahme der Frauenarbeit, die 
sich mit Ausnahme des Gesindes in allen Gruppen, 
am stärksten bei den Familienangehörigen zeigt. 
und auf den zunehmenden Mangel männlicher Ar- 
beiter zurückzuführen ist. Gegen 2 367 388 weib- 
liche Personen im Jahre 1895 sind 1907: 4217132 
tätig, davon außer den Familienangehörigen 
1350019gegen 1 385 155. Dem Mehrvon 1849744 
weiblicher Arbeiter für 1907 steht ein Mehr von 
1 609 076 sämtlicher Landarbeiter gegenüber. 
Die männlichen Arbeiter sind von 3.078 526 auf 
2837 768 gefallen; läßt man die Familienange- 
hörigen, deren Zahl gestiegen ist, außer acht, so er- 
geben sich gegen 1895 mit 2197 038 Personen im 
Jahre 1907: 1 786 711.
	        
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