Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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nach Anlage des Straßenkörpers und Benutzung 
von den übrigen Landstraßen durchaus verschieden 
sind, auch einer besondern Gesetzgebung unterstehen, 
sind sie hier ausgeschieden und in einem besondern 
Artikel behandelt. Auch die Privatwege und Pri- 
vatstraßen sollen nicht in den Kreis unserer Er- 
örterung gezogen werden, das sind diejenigen 
Wege und Straßen, die für den Gebrauch ein- 
zelner Personen oder (als Interessenten-, Feld-, 
Holz-, Koppel= und Wirtschaftswege) einer be- 
schränkten Mehrheit von Personen bestimmt sind. 
Wir beschäftigen uns hier nur mit den öffentlichen 
Wegen und Straßen, d. h. mit denjenigen, die 
für den gemeinen Gebrauch bestimmt sind und ihm 
nicht kraft Privatrechts entzogen werden können. 
Vermitteln diese nur den Verkehr zwischen benach- 
barten Orten, so nennt man sie Kommunikations-= 
oder Vizinalwege, führen sie aber von einer Grenze 
des Landes zu einer andern oder von einer Stadt, 
von einem Post= oder Zollamte zu einem andern 
oder zum Meere oder zu Hauptströmen, so nennt 
man sie Landes= oder Heerstraßen. Mit Rücksicht 
auf die Unterhaltungspflicht kann man sie, ohne 
daß übrigens dieser Sprachgebrauch feststehend 
wäre, in Provinzial--, Kreis= und Gemeindestraßen 
einteilen. Nach der Bauart endlich unterscheidet 
man gewöhnliche, ordinäre Landstraßen und Kunst- 
oder Dammstraßen (Chausseen), je nachdem zu 
ihrer Herstellung die gewöhnlichen Handdienste der 
Landleute hinreichen oder ein höheres Maß von 
künstlerischer Arbeit bedingt wird. Als Kunst- 
straßen (Chausseen) im gesetzlichen Sinne gelten 
in Preußen nach § 12 des Gesetzes vom 10. Juni 
1887 alle Kunststraßen, 1) auf welche die Ver- 
ordnung vom 17. März 1839, betr. den Verkehr 
auf Kunststraßen, Anwendung findet, 2) welche 
Chausseegeld erheben dürfen, und 3) welche auf 
Antrag des Unterhaltungspflichtigen als solche 
staatlich anerkannt worden sind von dem Ober- 
präsidenten, der darüber ein durch die Amtsblätter 
zu veröffentlichendes Verzeichnis führt. 
2. Geschichtliches. Die ältesten Kunst- 
straßen sind die assyrischen, die von Semiramis 
erbaut worden sein sollen. Kaum weniger alt 
dürften die chinesischen sein, die so dauerhaft her- 
gestellt sind, daß sie noch heute benutzt werden 
können. Auch die Griechen und Karthager legten 
gute Landstraßen an. Den großen militärischen 
und wirtschaftlichen Wert eines ausgebildeten 
Straßennetzes aber haben vor allem die Römer 
erkannt. Man nehme nur die Weltkarte des Ca- 
storius, die sog. Peutingersche Tafel (hrsg. von 
Miller, Ravensburg) zur Hand, und man wird 
darüber staunen, wie das ganze große Reich von 
Rom aus von Heerstraßen durchzogen war. Von 
Köln z. B. strahlten fünf Heerstraßen aus. Spuren 
dieser Römerstraßen finden sich noch innerhalb des 
ganzen Umfanges des Reiches. Sie sind die Vor- 
bilder für die späteren Kunststraßen gewesen. Seit 
dem Untergange des römischen Reichs gerieten diese 
Straßen in Verfall. Erst von Karl d. Gr. wurden 
Land= und Wasserstraßen. 
  
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sie zum Teil wieder hergestellt. Von diesem wur- 
den auch neue Heerstraßen angelegt. 
Seit dem 13. Jahrh. begegnen wir in den ver- 
schiedenen europäischen Ländern einem geregelten 
Straßenbau; kunstgemäß hergestellte Straßen gibt 
es aber erst seit dem 18. Jahrhundert. Namentlich 
die in der zweiten Hälfte des letzteren in Frankreich 
erbauten Kunststraßen zeichnen sich durch Bequem- 
lichkeit und Dauerhaftigkeit aus. Daher kommt es 
auch, daß man Kunststraßen überhaupt gewöhn- 
lich mit dem französischen, allerdings in Frank- 
reich nicht mehr in diesem Sinne gebräuchlichen 
Namen Chausseen nennt. Auch Napoleon hat sich 
um den Bau der Chausseen sehr verdient gemacht. 
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. wurde 
von dem Amerikaner John Loudon Mac Adam 
(gest. 1836) eine neue Art des Chausseebaus in 
Anwendung gebracht, deren Besonderheit darin 
besteht, daß die Straßenbahn aus einer etwa 
25 cm dicken Schicht festgestampften Kleinschlags 
hergestellt wird. Namentlich seit Einführung der 
Dampfwalze ist diese Art der Herstellung, das 
„Macadamisieren“, sehr in Ubung gekommen. 
Schon der Sachsenspiegel enthielt nähere Be- 
stimmungen über das Ausweichen auf der Heer- 
oder Königsstraße (Landrecht II, Art. 59, 88 3, 4), 
die aber wenig praktisch waren; dagegen trug zur 
Erleichterung des Verkehrs sehr viel bei die im 
18. Jahrh. in England aufgekommene Anordnung, 
daß alle Wagen rechts fahren sollen. 
Seit der Entwicklung der Eisenbahnen haben 
die Chausseen ihre ehemalige Bedeutung, Träger 
des gesamten Verkehrs zu sein, allerdings ein- 
gebüßt, sie haben jedoch auch jetzt noch großen 
Wert für den lokalen Verkehr und als Zubringer 
der Eisenbahnen. Sie werden auch immer mehr 
zur Anlage von Kleinbahnen benutzt, und in letzter 
Zeit entwickelt sich auf ihnen — vorläufig nur 
durch Polizeiverordnungen geregelt — der Fahr- 
rad= und Automobilverkehr. Sie zu vernach- 
lässigen, würde also ein großer Fehler sein. 
In Preußen ist trotz der großen Ausdehnung 
des Eisenbahnnetzes (im Jahre 1908 mehr als 
35.000 km) die Länge der Chausseen noch un- 
gefähr dreimal so groß wie die der Eisenbahnen. 
Literatur. Im allgemeinen: van den 
Borght, Das Verkehrswesen (1894) II. Abschnitt, 
insbes. zur Gesch, des Straßenbaues im Altertum; 
E. Curtius, Zur Gesch., des Wegebaues bei den 
Griechen, Abhandlung der Berliner Akad. (1855); 
Nissen, Pompejan. Studien zur Städtekultur des 
Altertums 516 f; N. Bergier, Histoire des grands 
chemins de l’empire romain (1734); E. Paulus, 
Die Römerstraßen (1857); F. Berger, über die 
Heerstraßen des röm. Reichs (1882/83); J. Schnei- 
der, Die alten Heer= u. Handelswege der Germanen, 
Römer u. Franken im deutschen Reiche (1889); 
Dünzelmann, Das röm. Straßennetz in Nord- 
deutschland (1893). 
3. Wegebau. Beim Wegebau ist Rücksicht 
zu nehmen auf die Verkehrsbedürfnisse und die 
Beschaffenheit des vom Wege zu durchkreuzenden
	        
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