689
nach Anlage des Straßenkörpers und Benutzung
von den übrigen Landstraßen durchaus verschieden
sind, auch einer besondern Gesetzgebung unterstehen,
sind sie hier ausgeschieden und in einem besondern
Artikel behandelt. Auch die Privatwege und Pri-
vatstraßen sollen nicht in den Kreis unserer Er-
örterung gezogen werden, das sind diejenigen
Wege und Straßen, die für den Gebrauch ein-
zelner Personen oder (als Interessenten-, Feld-,
Holz-, Koppel= und Wirtschaftswege) einer be-
schränkten Mehrheit von Personen bestimmt sind.
Wir beschäftigen uns hier nur mit den öffentlichen
Wegen und Straßen, d. h. mit denjenigen, die
für den gemeinen Gebrauch bestimmt sind und ihm
nicht kraft Privatrechts entzogen werden können.
Vermitteln diese nur den Verkehr zwischen benach-
barten Orten, so nennt man sie Kommunikations-=
oder Vizinalwege, führen sie aber von einer Grenze
des Landes zu einer andern oder von einer Stadt,
von einem Post= oder Zollamte zu einem andern
oder zum Meere oder zu Hauptströmen, so nennt
man sie Landes= oder Heerstraßen. Mit Rücksicht
auf die Unterhaltungspflicht kann man sie, ohne
daß übrigens dieser Sprachgebrauch feststehend
wäre, in Provinzial--, Kreis= und Gemeindestraßen
einteilen. Nach der Bauart endlich unterscheidet
man gewöhnliche, ordinäre Landstraßen und Kunst-
oder Dammstraßen (Chausseen), je nachdem zu
ihrer Herstellung die gewöhnlichen Handdienste der
Landleute hinreichen oder ein höheres Maß von
künstlerischer Arbeit bedingt wird. Als Kunst-
straßen (Chausseen) im gesetzlichen Sinne gelten
in Preußen nach § 12 des Gesetzes vom 10. Juni
1887 alle Kunststraßen, 1) auf welche die Ver-
ordnung vom 17. März 1839, betr. den Verkehr
auf Kunststraßen, Anwendung findet, 2) welche
Chausseegeld erheben dürfen, und 3) welche auf
Antrag des Unterhaltungspflichtigen als solche
staatlich anerkannt worden sind von dem Ober-
präsidenten, der darüber ein durch die Amtsblätter
zu veröffentlichendes Verzeichnis führt.
2. Geschichtliches. Die ältesten Kunst-
straßen sind die assyrischen, die von Semiramis
erbaut worden sein sollen. Kaum weniger alt
dürften die chinesischen sein, die so dauerhaft her-
gestellt sind, daß sie noch heute benutzt werden
können. Auch die Griechen und Karthager legten
gute Landstraßen an. Den großen militärischen
und wirtschaftlichen Wert eines ausgebildeten
Straßennetzes aber haben vor allem die Römer
erkannt. Man nehme nur die Weltkarte des Ca-
storius, die sog. Peutingersche Tafel (hrsg. von
Miller, Ravensburg) zur Hand, und man wird
darüber staunen, wie das ganze große Reich von
Rom aus von Heerstraßen durchzogen war. Von
Köln z. B. strahlten fünf Heerstraßen aus. Spuren
dieser Römerstraßen finden sich noch innerhalb des
ganzen Umfanges des Reiches. Sie sind die Vor-
bilder für die späteren Kunststraßen gewesen. Seit
dem Untergange des römischen Reichs gerieten diese
Straßen in Verfall. Erst von Karl d. Gr. wurden
Land= und Wasserstraßen.
690
sie zum Teil wieder hergestellt. Von diesem wur-
den auch neue Heerstraßen angelegt.
Seit dem 13. Jahrh. begegnen wir in den ver-
schiedenen europäischen Ländern einem geregelten
Straßenbau; kunstgemäß hergestellte Straßen gibt
es aber erst seit dem 18. Jahrhundert. Namentlich
die in der zweiten Hälfte des letzteren in Frankreich
erbauten Kunststraßen zeichnen sich durch Bequem-
lichkeit und Dauerhaftigkeit aus. Daher kommt es
auch, daß man Kunststraßen überhaupt gewöhn-
lich mit dem französischen, allerdings in Frank-
reich nicht mehr in diesem Sinne gebräuchlichen
Namen Chausseen nennt. Auch Napoleon hat sich
um den Bau der Chausseen sehr verdient gemacht.
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. wurde
von dem Amerikaner John Loudon Mac Adam
(gest. 1836) eine neue Art des Chausseebaus in
Anwendung gebracht, deren Besonderheit darin
besteht, daß die Straßenbahn aus einer etwa
25 cm dicken Schicht festgestampften Kleinschlags
hergestellt wird. Namentlich seit Einführung der
Dampfwalze ist diese Art der Herstellung, das
„Macadamisieren“, sehr in Ubung gekommen.
Schon der Sachsenspiegel enthielt nähere Be-
stimmungen über das Ausweichen auf der Heer-
oder Königsstraße (Landrecht II, Art. 59, 88 3, 4),
die aber wenig praktisch waren; dagegen trug zur
Erleichterung des Verkehrs sehr viel bei die im
18. Jahrh. in England aufgekommene Anordnung,
daß alle Wagen rechts fahren sollen.
Seit der Entwicklung der Eisenbahnen haben
die Chausseen ihre ehemalige Bedeutung, Träger
des gesamten Verkehrs zu sein, allerdings ein-
gebüßt, sie haben jedoch auch jetzt noch großen
Wert für den lokalen Verkehr und als Zubringer
der Eisenbahnen. Sie werden auch immer mehr
zur Anlage von Kleinbahnen benutzt, und in letzter
Zeit entwickelt sich auf ihnen — vorläufig nur
durch Polizeiverordnungen geregelt — der Fahr-
rad= und Automobilverkehr. Sie zu vernach-
lässigen, würde also ein großer Fehler sein.
In Preußen ist trotz der großen Ausdehnung
des Eisenbahnnetzes (im Jahre 1908 mehr als
35.000 km) die Länge der Chausseen noch un-
gefähr dreimal so groß wie die der Eisenbahnen.
Literatur. Im allgemeinen: van den
Borght, Das Verkehrswesen (1894) II. Abschnitt,
insbes. zur Gesch, des Straßenbaues im Altertum;
E. Curtius, Zur Gesch., des Wegebaues bei den
Griechen, Abhandlung der Berliner Akad. (1855);
Nissen, Pompejan. Studien zur Städtekultur des
Altertums 516 f; N. Bergier, Histoire des grands
chemins de l’empire romain (1734); E. Paulus,
Die Römerstraßen (1857); F. Berger, über die
Heerstraßen des röm. Reichs (1882/83); J. Schnei-
der, Die alten Heer= u. Handelswege der Germanen,
Römer u. Franken im deutschen Reiche (1889);
Dünzelmann, Das röm. Straßennetz in Nord-
deutschland (1893).
3. Wegebau. Beim Wegebau ist Rücksicht
zu nehmen auf die Verkehrsbedürfnisse und die
Beschaffenheit des vom Wege zu durchkreuzenden