Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

693 
Verwaltung und Unterhaltung genommen worden, 
so daß den Gemeinden nur die unbedeutenden 
Wege verblieben sind. (Für die Rheinprovinz vol. 
Gesetz vom 11. Frimaire VII, Tit. 1, 8 2, Nr 4.) 
In der Rheinprovinz kennt man diese Dreiteilung 
nicht. Hier sind die die Stelle der Kreisstraßen 
vertretenden Bezirksstraßen durch allerhöchsten Er- 
laß vom 27. Dez. 1875 mit den Provinzialstraßen 
vereinigt worden. Allerdings gibt es auch hier sog. 
Kreisstraßen. Diese sind aber von den Kreisen 
nicht auf Grund Gesetzes, sondern auf Grund 
ihres Eigentums oder Vertrages zu unterhalten. 
Auch im Regierungsbezirk Kassel werden nur Land- 
straßen (so heißen dort die Chausseen) und Land- 
wege unterschieden. 
Nach § 64 des Zuständigkeitsgesetzes und 81f 
des Ergänzungsgesetzes betr. die Vorleistungen 
zu Wegebauten vom 11. Juli 1891 können 
Fabriken, Bergwerke, Steinbrüche oder ähnliche 
Unternehmungen, welche die Wege in erheblichem 
Maße abnutzen, zu Präzipualleistungen heran- 
gezogen werden. 
5. Abgaben. Früher wurden fast durchweg 
von denjenigen, welche Chausseen benutzten, Ab- 
gaben erhoben, und zwar einmal als sog. Kom- 
munikationsabgaben (Wege-, Brücken-, Tor-, 
Pflastergelder), die tatsächlich die Natur eines 
vom Verkehr erhobenen Grenzzolles hatten, und 
zum andern als Chausseegelder, d. i. als Beitrag 
für die Instandhaltung der Straße. Diese Ab- 
gaben, in denen man mit Recht eine lästige 
Schranke des Verkehrs erblickte, sind in neuerer 
Zeit immer mehr beseitigt worden, namentlich 
seitdem der Staat (Preußen 1875) auf seinen 
Chausseen auf ihre Erhebung Verzicht geleistet hat. 
Für die Aufhebung sprach auch der Umstand, daß 
der Nettoertrag in keinem Verhältnis zu den 
Kosten der Erhebung und zu der durch letztere 
verursachten Zeitversäumnis stand. Auf keinen 
Fall dürfen nach Art. 22 des Zollvereinsgesetzes, 
der durch Art. 40 der Reichsverfassung aufrecht 
erhalten worden ist, die Verkehrsabgaben die zur 
Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der 
Wege erforderlichen Kosten übersteigen. Es ist dies 
derselbe Grundsatz, der in Art. 54 der Reichsver- 
fassung für die Höhe der Kanalabgaben aufgestellt 
ist. Daß zur Zeit noch auf einzelnen staatlichen 
Brücken, z. B. der Rheinbrücke in Köln, Abgaben 
erhoben werden, muß als Anachronismus bezeich- 
net werden. Anders liegt die Sache, wo, wie bei 
Fähren und Eisenbahnen, nicht nur der Weg, 
sondern auch der Transport gewährt wird. Hier 
kann, ohne daß mit dem Prinzip der Verkehrs- 
freiheit in Widerspruch getreten wird, für letzteren 
eine Vergütung verlangt werden. 
6. Wegepolizei. Sie wird von den all- 
gemeinen Orts= und Landespolizeibehörden, in 
der obersten Instanz vom Ministerium der öffent- 
lichen Arbeiten (2. Abt.) ausgeübt. Ihr liegt nach 
§ 55 des Zuständigkeitsgesetzes die Aufsicht über 
die öffentlichen Wege und deren Zubehörungen 
Land- und Wasserstraßen. 
  
694 
sowie die Sorge dafür ob. daß den Bedürfnissen 
des öffentlichen Verkehrs in Bezug auf das Wege- 
wesen Genüge geschieht. Die Gemeindewege (nicht 
die Privatwege) unterstehen der Ortspolizeibe- 
hörde. Bezüglich der Provinzialstraßen steht die 
Wegepolizei im allgemeinen der Landespolizei- 
behörde, d. i. dem Regierungspräsidenten, zu; nur 
der polizeiliche Schutz der Chausseen gehört zum 
Ressort des Landrates. 
Die Aussichtsbehörde (d. i. der Landrat bzw. 
der Regierungspräsident) kann die Wegepolizei- 
behörde anweisen, gegen den nach ihrer Meinung 
Verpflichteten vorzugehen sowie eine wegepolizei- 
liche Verfügung nicht zu erlassen oder eine schon 
erlassene zurückzunehmen. Die Zuständigkeit der 
Kreis= und Bezirksausschüsse richtet sich bald nach 
den Parteien, bald nach der Behörde, welche die 
polizeiliche Verfügung erlassen hat, bald nach der 
Lage des Weges. Der ordentliche Rechtsweg ist in 
Wegesachen nur sehr beschränkt zulässig. 
Strafandrohungen für Beschädigungen öffent- 
licher Wege und Gefährdung oder Störung des 
Betriebes auf ihnen enthalten die 88 304, 305, 
321, 326, 370, Abs. 1 und 2 des Strafgesetz- 
buchs, § 366, Abs. 2, 3, 5, 9, 10, § 367, AbfK. 12 
des Strafgesetzbuches und 8 30 des Feldpolizei- 
gesetzes vom 1. April 1880. 
Näheres über Wegepdlizei: Graf Hue de Grais, 
Handbuch der Verfassung u. Verwaltung in Preu- 
ßen u. im Deutschen Reiche (181907); ferner: die 
neuen preußischen Verwaltungsgesetze von N. Brau- 
chitsch (Studt u. Braunbehrens), zu Tit. 11 des 
Zuständigkeitsgesetzes, „Wegepolizei“; Das Wege- 
recht u. die Wegeverwaltung in Preußen von 
Germershausen, u. Rechtsprechung des Oberver- 
waltungsgerichts von v. Kamptz III. — über die 
Tätigkeit der preuß. Bauverwaltung auf dem Ge- 
biete des Wegewesens gibt Auskunft der vom Mi- 
nister der öffentl. Arbeiten Sr Majestät dem Kaiser 
erstattete Bericht (1901) 228f. 
II. Wasserstraßen. Wasserstraßen im wei- 
teren Sinne des Wortes sind das Meer und die 
Binnenwasserstraßen. Im engeren Sinne, in dem 
das Wort hier genommen wird, versteht man 
darunter nur die Binnenwasserstraßen. Diese 
zerfallen wieder in Haffe, Flüsse, Kanäle und 
sonstige Binnengewässer. Unter den Flüssen sind 
hervorzuheben die regulierten und unter diesen 
wiederum die kanalisierten Flüsse. Ob eine Ka- 
nalisierung oder nur eine Regulierung vorliege, 
kann im einzelnen Falle zweifelhaft sein. Für 
erstere wird man sich namentlich dann entscheiden, 
wenn in dem Flusse Schleusen angebracht sind. 
Die Unterscheidung der Flüsse in kanalisierte und 
nicht kanalisierte ist wichtig mit Rücksicht auf 
Ari. 54, Abs. 4 der Reichsverfassung, wonach auf 
allen natürlichen Wasserstraßen Abgaben nur für 
die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Er- 
leichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben 
werden dürfen. Diese Abgaben für die Befahrung 
solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staats- 
eigentum sind, dürfen die zur Unterhaltung und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.