Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

697 
ist einerseits das starke Wachsen der Dampferflotte 
— von 1877 bis 1902 beinahe verfünffacht (von 
570 auf 2604) — und anderseits das Zurückgehen 
der Kleinschiffahrt, insbesondere der Schiffe von 
einer Tragfähigkeit von 50 bis 150 t; letztere 
haben sich von 1877 bis 1902 um ½ vermindert. 
Nähere Angaben über den Bestand der Fluß-, 
Kanal., Haff= und Küstenschiffe finden sich in den 
Vierteljahrsheften der Statistik des Deutschen Rei- 
ches 1904, 2. Hft, S. 174. 
Die Kosten für Wasserbauten werden, ohne 
daß bestimmte Grundsätze maßgeblich wären, 
regelmäßig entweder vom Reiche unter besonderer 
Beteiligung eines oder mehrerer Bundesstaaten 
oder von einem Bundesstaat unter Heranziehung 
von andern Bundesstaaten, Provinzen, Kreisen, 
Gemeinden oder Privaten aufgebracht. Insbe- 
sondere wird in Preußen auf die Beteiligung der 
Interessenten an den Aufwendungen für Schiff- 
fahrtzwecke Wert gelegt. 
Die Transportkosten der Binnenschiffahrt sind 
infolge der vielen eingeführten Verbesserungen be- 
deutend heruntergegangen. Von 1885/87 bis 
1900/02 sind in einer Reihe wichtiger Verkehrs- 
relationen die Frachten von durchschnittlich 0.96 
auf 0,74 (einschließlich der Abgaben bei Kanälen) 
Pfg pro tkm, also um 28 % gefallen. Sie be- 
tragen heute regelmäßig 0,5—1 Pfg pro tkm, 
gehen ausnahmsweise sogar auf 0,2 Pfg pro tkm 
herunter. Hierzu können freilich bei Kanälen und 
kanalisierten Flüssen Abgaben hinzutreten. Aber 
auch wenn das der Fall ist, ist der Transport auf 
der Wasserstraße, vorausgesetzt, daß er eine ge- 
nügend große Versandlänge hat, immer noch billiger 
als der auf der Eisenbahn. Es kommt das daher, 
daß der Staat sich im einseitigen Interesse des 
Wasserstraßenverkehrs mit großen Ausgaben be- 
lastet, während er aus dem Eisenbahnverkehr hohe 
Überschüsse herausschlägt. Vom Standpunkte der 
ausgleichenden Gerechtigkeit ist diese verschiedene 
Behandlung des Wasserstraßen- und des Eisen- 
bahnverkehrs nicht zu rechtfertigen. 
Die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnen- 
schiffahrt sind geregelt durch das Reichsgesetz vom 
15. Juni 1895 (Reichsgesetzblatt 1895, Nr 23, 
S. 301). Durch 8§ 120 dieses Gesetzes ist für 
Dampfschiffe und andere Schiffe mit eigner 
Triebkraft, deren Tragfähigkeit mehr als 15 t be- 
trägt, sowie für sonstige Schiffe mit einer Trag- 
fähigkeit von mehr als 20 t die Registerpflichtigkeit 
eingeführt. Die Schiffsregister werden regelmäßig 
von den Amtsgerichten geführt. Über die Ein- 
tragung wird ein Schiffsbrief erteilt. Verpfändung 
eines eingetragenen Schiffes kann nur durch Ein- 
tragung in das Schiffsregister erfolgen. Die privat- 
rechtlichen Verhältnisse der Flößerei sind durch ein 
Reichsgesetz, ebenfalls vom 15. Juni 1895 (Reichs- 
gesetzblatt 1895, Nr 23, S. 341), geordnet. 
Literatur. van der Borght, Das Verkehrswesen, 
III. Abschn.; Eger, Die Binnenschiffahrt in Europa 
u. Nordamerika (mit Karten, 1899); C. V. Suppän, 
Wasserstraßen u. Binnenschiffahrt (1902); Führer 
Landwirtschaft. 
  
698 
auf den deutschen Schiffahrtstraßen, bearbeitet im 
kgl. preuß. Ministerium für öffentliche Arbeiten 
(5/1907); Graf Hue de Grais, Handbuch der Ver- 
fassung u. Verwaltung in Preußen u. im Deutschen 
Reiche (181907); Lotz, Verkehrsentwicklung in 
Deutschland 1800/1900 (1906; enthält ausführ- 
liche Literaturangaben); „Das Schiff“, Zeitung für 
Binnenschiffahrt (seit 1879). 
Über die Tätigkeit der preuß. Bauverwaltung 
in Bezug auf die Ausführung von Wasserbauten 
in den Jahren 1890/1900 spricht der oben (I am 
Ende) erwähnte Bericht des Ministers der öffentl. 
Arbeiten 150 f. über Kanäle (Schiffahrtskanäle) 
insbes. vgl. diesen Art. (Bd 1I, Sp. 1565 ff). 
IAm Zehnhoff.] 
Landwirtschaft. lBedeutung; Produk- 
tionsprozeß, Produktionszweige, Betrieb; Die 
Landwirtschaft betr. Zustände und Einrichtungen: 
Klima, Boden, Rechtsordnung, Staat.] 
I. Bedentung. Die Landwirtschaft bildet 
denjenigen Zweig der volkswirtschaftlichen Pro- 
duktion, der die Erzeugung pflanzlicher und tieri- 
scher Rohstoffe zum Zweck hat, daher mit der Be- 
bauung des Bodens sowie mit der Züchtung, 
Auszucht und Pflege der Haustiere sich beschäftigt. 
Sie spielt im Leben der Völker eine hervorragende 
Rolle. Zwei Ursachen sind es hauptsächlich, wel- 
chen sie dieselbe verdankt, einmal die der landwirt- 
schaftlichen Bevölkerung eignen physischen und 
moralischen Vorzüge und zum zweiten die grund- 
legende Bedeutung der landwirtschaftlichen Pro- 
duktion für das gesamte wirtschaftliche Leben. 
Normale Ernährung vorausgesetzt, ist die land- 
wirtschaftliche Bevölkerung immer gesunder, 
kräftiger und leistungsfähiger als die städtische, 
welche sich infolge ihrer Tätigkeit sowohl als auch 
aus Anlaß des in der Stadt sich breit machenden 
Luxus nicht desselben Grades körperlicher Gesund- 
heit erfreut. Die Landwirtschaft ist es, welche den 
Ersatz für die verbrauchte Volkskraft zu leisten hat. 
Das Leben in Gemeinschaft mit der Natur und 
im Kampfe gegen die Naturkräfte bringt den 
Menschen gleichsam in unmittelbare Berührung 
mit dem Schöpfer. Das ländliche Leben und der 
Betrieb der Landwirtschaft fordert gebieterisch den 
Bestand der Familie als Vorbedingung der in- 
dividuellen Existenz; der Besitz von Grund und 
Boden erhöht die Liebe zur Heimat, das Gefühl 
der Zugehörigkeit zur Nation. Die örtliche Ab- 
geschiedenheit hält den Landbewohner fern von 
der Beteiligung an Umtrieben, die geeignet sind, 
den innern Frieden zu stören. Mit andern 
Worten: Religion, gute Sitte, Nationalgefühl 
und gesunder Sinn, diese Grundpfeiler des staat- 
lichen Lebens, pflegen im Herzen der Landwirt- 
schaft treibenden Bevölkerung besonders tiefe 
Wurzeln zu schlagen. 
Mit der Bezeichnung der landwirtschaftlichen 
Produktion als eines Teiles der Urproduktion 
ist auf denjenigen Punkt hingewiesen, durch den 
sie sich grundsätzlich von allen andern Produktions- 
arten unterscheidet. Die Materie, d. h. die uns
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.