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umgebenden festen, flüssigen und gasförmigen
Körper, sind zusammengesetzt aus einer verhältnis-
mäßig beschränkten Anzahl chemischer Elemente.
Die Verbindungen, zu welchen sich diese Elemente
vereinigen, sind von der mannigfaltigsten Art, und
es findet in der schaffenden Natur teils mit teils
ohne Mitwirkung des Menschen eine fortwährende
Auflösung und Neubildung solcher Verbindungen
statt (Kreislauf des Stoffes). Zwischen allen
diesen Vorgängen besteht aber ein grundsätzlicher,
wohl zu beachtender Unterschied. Während bei der
einen Kategorie ein gewisses Quantum von Kraft
oder Wärme frei, d. h. verfügbar wird, hat die
andere ein solches zu ihrer Entstehung nötig. Alle
die verschiedenen Erscheinungen, welche man als
Lebensäußerungen der organisierten Materie zu
bezeichnen pflegt, haben den Verbrauch solcher
Kraft= oder Wärmequantitäten zur Folge. Das
Wachstum des Pflanzen-und Tierkörpers, Muskel-
bewegung und Muskelarbeit des letzteren sind nur
möglich unter der Voraussetzung des Vorhanden-
seins latenter chemischer Kraftmengen. Die Er-
zeugung von mechanischer Kraft mit Hilfe von
Dampfmaschinen oder andern Motoren ist eben-
falls zurückzuführen auf den Verbrauch der in dem
betreffenden Brennmaterial aufgespeicherten chemi-
schen Kraft.
Es ist leicht einzusehen, daß bei andauernder
einseitiger Fortsetzung dieses Prozesses allmählich
der Vorrat dieser kraftliefernden chemischen Ver-
bindungen zur Neige gehen müßte. Für die Auf-
rechterhaltung des Gleichgewichts ist aber dadurch
gesorgt, daß in den grünen Pflanzenteilen, oder
genauer gesagt, in der blattgrünhaltigen lebenden
Pflanzenzelle aus der der Pflanze zugeführten
unorganischen Nahrung im ausgedehntesten Maße
solche Verbindungen zur Entstehung kommen,
welche ihrerseits wieder latente chemische Kraft in
sich bergen. Auch hier in der Pflanzenzelle wird
diese Kraft nicht aus dem Nichts geschaffen, sie
wird vielmehr nur dort festgehalten, und die
Quelle, aus welcher die Pflanze schöpft, ist die
Sonne, welche in der Form ihrer Lichtstrahlen
jene Kraft= oder Wärmemenge spendet. Nur mit
Hilfe der Sonnenstrahlen ist die Pflanze befähigt,
ihre für alles Leben so hochwichtige Funktion zu
erfüllen.
Die Landwirtschaft, die ja das Pflanzenwachs-
tum zu ihren vorzüglichsten Produktionsmitteln
zählt, verdient deshalb mit Recht den Namen der
Urproduktion. Die Werterzeugung in allen übri-
gen Produktionszweigen besteht eben darin, daß
vorhandene Stoffe durch Aufwand von Arbeit in
ihrem Wert erhöht werden. Jener Arbeitsaufwand
hat aber wieder die geschilderte Tätigkeit der
Pflanzen zur Voraussetzung. Wohl ist es in
neuerer Zeit der Chemie gelungen, eine Anzahl
von Stoffen auf synthetischem Wege herzustellen,
für deren Entstehung man bisher die Tätigkeit des
organisierten Pflanzen= oder Tierkörpers als un-
umgänglich notwendig erachtete. Allein um die
Landwirtschaft.
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Kräfte zu gewinnen, mit deren Hilfe man diesen
Erfolg erzielt, muß man eben wieder eine Anleihe
bei den durch Vermittlung der Pflanzenproduktion
erzeugten Kraftmengen machen, und darum ist die
Herstellung jener Werte auf synthetischem Wege
zum mindesten teurer als ihre Erzeugung im
landwirtschaftlichen Betrieb. Eine Ausnahme
hiervon machen einige in der Natur sehr spärlich
auftretende Farb- und aromatische Stoffe, welche
die chemische Industrie heute allerdings mit viel
geringerem Aufwand herzustellen vermag, als dies
früher mit Hilfe von organischen Kräften mög-
lich war.
II. Der kandwirkschaftliche Produktions-
prozeß. A. 1. Die Pflanzenproduktion.
In Rücksicht auf die zur Verwendung kommenden
Rohstoffe zeichnet sich die Pflanzenproduktion
wesentlich dadurch aus, daß ein Teil der Stoffe
vor der Verarbeitung durch die Pflanze einen
wirtschaftlichen Wert nicht hatte; der andere Teil
allerdings erfährt auch hier nur eine Werterhöhung.
Zu der ersten Kategorie gehören der Kohlenstoff,
Wasserstoff und Sauerstoff, zum Teil auch der
Stickstoff; außerdem können hierher gerechnet
werden diejenigen Pflanzennährstoffe, welche die
Pflanze zu ihrer Ernährung zwar unbedingt
nötig hat, die aber in den geringen Mengen, um
die es sich hier handelt, sich stets in den Kultur-
böden finden, daher bei der Stoffzufuhr voll-
kommen vernachlässigt werden können, z. B. der
Schwefel, das Magnesium und das Eisen.
Zur zweiten Kategorie gehört vor allem wieder
der Stickstoff. Dieser nimmt deshalb eine Zwitter-
stellung ein, weil eine Klasse der landwirtschaft-
lichen Kulturpflanzen, die Leguminosen, also spe-
ziell Erbsen, Linsen, Wicken, Bohnen, Lupinen,
Klee usw. die Fähigkeit besitzen, ihren Stickstoff-
bedarf aus dem in ungemessenem Umfang und
kostenlos zur Verfügung stehenden Vorrat der
atmosphärischen Luft zu decken. Sie verdanken
diese Fähigkeit den sog. Knöllchenbakterien, welche
in den Wurzelknöllchen der Schmetterlingsblütler
leben und eigentümlicherweise imstande sind, den
elementaren Stickstoff der Lufst zum Aufbau ihres
Leibes zu verwenden und so in Saldpetersäure-
verbindungen zu überführen, welch letztere von den
Leguminosen als Stickstoffnahrung aufgezehrt wer-
den. Alle übrigen Kulturpflanzen sind hinsichtlich
der Deckung ihres Stickstoffbedarfes auf den Nähr-
stoffvorrat des Bodens angewiesen. Für sie ge-
hört also der Stickstoff in die zweite der von uns
unterschiedenen Stoffgruppen, und der Bedarf der
Pflanzen an diesem Stoffe ist ein sehr beträcht-
licher. Dahin gehört außerdem der Rest der mi-
neralischen Nährstoffe, welche die Pflanzen nur
dem Bodenvorrat entnehmen können und deren sie
in so großem Maße bedürfen, daß eine kosten-
verursachende Zufuhr ganz allgemein erforderlich
ist. Das ist die Phosphorsäure, das Kali und in
vielen Fällen auch der Kalk. Vorwiegend sind
es jedoch Stickstoff, Phosphorsäure und Kali,