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welche für die Düngung zum Zweck der Pflanzen-
ernährung Berücksichtigung finden müssen. Wenn
auch in manchen Kulturböden ein dem Nahrungs-
bedürfnis der Pflanzen genügender Kalkvorrat
enthalten ist, so ist doch eine gelegentliche Zufuhr
von Kalk wegen der verschiedenen, indirekten,
bodenverbessernden Wirkungen in den seltensten
Fällen zu entbehren. Als besonders wichtige
Wirkungen einer sachgemäßen Kalkdüngung sind
zu nennen: die Entsäuerung des Bodens, die Un-
schädlichmachung der in manchen Böden vorkom-
menden pflanzengiftigen Eisenverbindungen, die
Beförderung der Salpeterbildung sowie die Um-
setzung der Nährstoffe des Bodens überhaupt, die
Verbesserung des mechanischen Zustandes des
Bodens, indem schwere, zähe Böden durch Kalkung
gelockert und erwärmt, leichte Böden durch Merge-
lung bindiger und somit wasserhaltender werden.
Als kalkhaltige Düngemittel kommen in Betracht:
gebrannter Kalk, Kalkasche, Staubkalk, gemahlener
Kalkstein, Kalkmergel und der Scheideschlamm der
Zuckerfabriken.
Es ist nun aber sehr wesentlich, darauf hin-
zuweisen, daß der Anteil der unentgeltlich zur
Verfügung stehenden Stoffe an der Zusammen-
setzung des fertigen Pflanzenkörpers um das Viel-
fache größer ist als derjenige, welchen die zweite
Gruppe umfaßt. Daher kommt es auch, daß die
Düngerzufuhr einen größeren Zuwachs an der
Erntemasse bewirkt, als den zugeführten Stoff-
mengen entspricht. Es ist deshalb eine der Haupt-
aufgaben des produzierenden Landwirts, dafür zu
sorgen, daß die Pflanze stets einen vollkommen
hinreichenden Vorrat jener Stoffe im Boden vor-
finde. Diese auf den ersten Blick sich sehr einfach
darstellende Anforderung enthältnichtsdestoweniger
die schwierigsten Fragen der Düngerlehre. Es ist
allerdings der wissenschaftlichen Forschung ge-
lungen, das Bedürfnis der einzelnen Kultur-
pflanzen an jenen wichtigen Stoffen genau fest-
zustellen. Die Chemie kann uns über den im
Boden vorhandenen Vorrat Aufschluß geben, aber
es fehlt jede Beziehung zwischen jenen beiden
Größen, weil es nicht darauf ankommt, wie groß
jener Bodenvorrat überhaupt ist, sondern vielmehr
darauf, welcher Teil desselben in dem gegebenen
Augenblick für die Pflanze verwendbar ist und sich
in einer für sie aufnehmbaren Form vorfindet.
In den Kreis dieser Erwägungen fällt auch die
Frage nach dem Ursprung der den Bodenvorrat
zusammensetzenden Elemente. Die mineralischen
Nährstoffe, also die Phosphorfäure, das Kali und
der Kalk, entstammen den Gesteinsarten, aus
denen der betr. Boden durch Verwitterung ent-
standen ist. Der Vorrat ist also ein beschränkter,
und wenn der Verwitterungsprozeß abgeschlossen
ist, ist eine fernere Vermehrung undenkbar. Einen
andern Ursprung hat der Stickstoff. Er gelangt
durch die atmosphärischen Niederschläge, welche die
in der Luft stets vorhandenen geringen Mengen
gebundenen Stickstoffs (Ammonial) mit sich reißen,
Landwirtschaft.
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in den Boden, wo dieselben teilweise von den in
Vegetation befindlichen Pflanzen aufgenommen
werden. Wenn dann diese Pflanzen absterben,
so werden annähernd dieselben Mengen für die
nächstfolgende Generation verfügbar; es kann sich
also auf diese Weise mit der Zeit ein Vorrat von
stickstoffhaltiger Substanz im Boden ansammeln,
sofern die auf dem betreffenden Orte entstandenen
Pflanzen nicht entfernt werden; das letztere ist aber
in der Landwirtschaft regelmäßig der Fall, und zwar
werden die in der Ernte weggeführten Mengen
größer sein als der Zufluß aus der genannten
Quelle; es wird also auch hier eine Abnahme des
vorhandenen Vorrats Platz greifen.
Die wissenschaftliche Düngerlehre hat in
Bezug auf ihre Stellung zu diesen Fragen im
Laufe der Zeit die verschiedenartigsten Wand-
lungen erfahren. Den Anfang bildete die ins-
besondere von Thaer (Grundsätze der rationellen
Landwirtschaft (1808/12.) ausgebildete Humus-
theorie, der durch die Beobachtung, daß humus-
haltige Böden sich für die Regel auch als ertrag-
reich erwiesen, sich zu der Annahme verleiten ließ,
der Humus sei diejenige Substanz, welche allein
das Nahrungsbedürfnis der Pflanze zu befrie-
digen fähig sei. Das Fundament für die gedeih-
liche Weiterentwicklung wurde aber erst durch
Liebig (Chemie in ihrer Anwendung auf die
Agrikultur (1840.) gelegt, der durch die Einfüh-
rung chemischer Anschauungsweise in den Ideen-
kreis der landwirtschaftlichen Wissenschaft ein ganz
anderes Licht in diese Frage brachte. Zwar ver-
fiel er bezüglich des Stickstoffs in die Täuschung,
daß dieser in hinreichenden Mengen von der
atmosphärischen Luft geliefert werden könne, und
legte deshalb den Hauptnachdruck auf die mine-
ralischen Nahrungsstoffe. Er bildete die sog. Er-
satztheorie aus, welche in der Forderung gipfelt,
daß diejenigen Stoffmengen, welche in der Form
der Ernte dem Boden entzogen werden, zum min-
desten durch den Dünger demselben wieder zu-
geführt werden müßten. Da nun aber alle die
Stoffquantitäten, welche in Form von Getreide,
Vieh und andern Produkten hinaus in den freien
Verkehr gehen, in der Regel nicht mehr in den be-
treffenden landwirtschaftlichen Betrieb zurückkehren,
so ist nach dieser Theorie eine Betriebsführung,
welche nicht für den Ersatz der so dem Boden
entnommenen Stoffe besorgt ist, als Raubbau zu
bezeichnen. Die Konsequenz dieser Anschauungs-
weise bildet sodann die Forderung, daf die städti-
schen Auswurfstoffe möglichst vollkommen in die
Landwirtschaft zurückkehren müßten. Damit wären
allerdings die Bedingungen der Ersatztheorie nach
Möglichkeit erfüllt; nur diejenigen Stoffquanti-
täten, die als Substanz des menschlichen Körpers
in den Friedhöfen aufgespeichert werden, gingen
dann der Produktion verloren.
Im weiteren Lauf der Entwicklung stellte so-
dann die Wissenschaft eine zweite Theorie auf,
die als Variation der Ersatztheorie zu betrachten