Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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züchtung sind durchaus nicht gering zu veran- 
schlagen. Die heute im Anbau befindlichen hoch- 
gezüchteten Weizensorten liefern Erträge, welche 
den alten Landweizensorten ganz erheblich über- 
legen sind. Ahnliche, wenn auch nicht ganz so 
weit gehende Erfolge liegen für die übrigen haupt- 
sächlichsten Getreidearten vor. Für Zuckerrüben 
und Kartoffeln beziehen sich die Ergebnisse der 
Züchtung sowohl auf die Vermehrung der Ernte- 
masse wie auch auf die Verbesserung des erzielten 
Produktes. 
Die Medien, welche die Pflanze umgeben, sind 
die atmosphärische Luft und der Boden. Die in 
ihnen wirkenden Kräfte sind nur sehr teilweise 
menschlicher Beeinflussung zugänglich. Die Luft 
ist für die Pflanzenproduktion von Bedeutung 
als Trägerin der atmosphärischen Nährstoffe, des 
Wassers, der Kohlensäure, des Sauerstoffs und 
Stickstoffs, und als leitendes Medium für die 
Sonnenstrahlen. Die nach dieser Richtung an 
einer bestimmten Ortlichkeit herrschenden Zustände 
pflegt man unter dem Begriff „Klima“ zusammen- 
zufassen. Auf dieses letztere einzuwirken, liegt 
jedenfalls außerhalb der Machtsphäre des einzelnen 
wirtschaftenden Landwirts, wohl aber liegt die 
Möglichkeit der Beeinflussung dieser Verhältnisse 
durch die im Staate verkörperte Gesamtheit in der 
Waldkultur vor. 
Das zweite Medium ist der Boden. Er hat 
der Pflanze als Standort zum Festwurzeln zu 
dienen und weiterhin ein geeignetes Reservoir für 
die Pflanzennährstoffe abzugeben. Für den Grad, 
in welchem der Boden diese Bedingungen erfüllt, 
sind besonders folgende Verhältnisse ausschlag- 
gebend: a) seine mechanische Beschaffenheit; b) ein 
gewisses Maß wasserhaltender Kraft; c) das Vor- 
handensein einer genügenden Menge von Hohl- 
räumen, welche den Zutritt der Luft ermöglichen, 
und d) die größere oder geringere Absorptions= 
fähigkeit für die Pflanzennährstoffe. Von den 
unter b) und c) genannten Punkten ist zugleich 
sein Verhalten gegen die Wärme hauptsächlich 
abhängig, wenn hierauf allerdings auch die spezi- 
fische Wärme der bodenbildenden Bestandteile an 
sich influiert und in geringem Maße auch die 
Farbe des Bodens, insofern dieselbe ausschlag- 
gebend ist für den Grad, in welchem die erwärmen- 
den Sonnenstrahlen absorbiert werden. 
Auf die Herbeiführung dieser Verhältnisse sind 
nun eine Reihe von Maßregeln gerichtet, welche 
entweder allein oder im Bunde mit den selbst- 
tätig wirkenden Naturkräften das vorgesteckte Ziel 
teils mehr teils weniger vollkommen erreichen lassen. 
Unter den Punkt a) fallen alle die verschiedenen 
Verrichtungen, die man unter dem Begriff Boden- 
bearbeitung zusammenzufassen pflegt. Aus dem 
sterilen Felsen sind im Laufe der Jahrtausende 
durch ununterbrochene Wirksamkeit der Natur- 
kräfte diejenigen Gebilde entstanden, die man heute 
mit dem Namen Ackerboden zu belegen gewohnt 
ist. Die Veränderungen, welche jene Gesteine 
Staatslexikon. III. 3. Aufl. 
Landwirtschaft. 
  
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dabei erfahren, sind: mechanische Zerkleinerung, 
Mischung der feineren und gröberen Bestandteile 
und chemische Aufschließung der darin enthaltenen 
Elemente. Diese Vorgänge werden wirksam unter- 
stützt durch die einzelnen Akte der Bodenbearbei- 
tung. Derselben dienten anfangs ziemlich unvoll- 
kommene Instrumente, die nur eine wenig weit 
gehende Lockerung der obersten Bodenschichten er- 
möglichten, so daß wenigstens die für die Unter- 
bringung und Keimung des Saatkorns notwen- 
dige Krume beschafft wurde. Bei länger andauern- 
der Kultur hebt sich die jedesmal durch die Arbeit 
der Pflugschar berührte Schicht von den darunter 
liegenden Partien als sog. Mutterboden ab. In 
dem Mutterboden ist die Zersetzung weiter fort- 
geschritten; es ist dies aber nicht allein die Folge 
der Bearbeitung, sondern es haben an dem er- 
zielten Effekt auch die in Form von Dünger und 
Pflanzenresten dem Boden einverleibten Mengen 
organischer Substanz einen wesentlichen Anteil. 
Neben dieser Wirkung bezweckt die Bodenbearbei- 
tung auch noch die Vernichtung der Unkräuter. 
Das Verfahren besteht darin, daß die entwickelten 
Unkräuter durch Aushacken vernichtet, die aus- 
gefallenen Samen durch Lockerung des Bodens 
zum Keimen gebracht und die jungen Pflanzen 
sodann zu geeigneter Zeit, jedenfalls vor ihrer 
Reife ebenfalls vernichtet werden. Die Fortschritte 
der modernen Landwirtschaft berühen nicht zum ge- 
ringsten Teil auf der Verbesserung der Instrumente, 
welche den genannten Zwecken dienen. Brauch- 
barere Pflugkonstruktionen haben die Arbeit an 
sich wirkungsvoller gemacht. Tiefpflüge und 
Untergrundpflüge haben die Vertiefung der Acker- 
krume ermöglicht, die Herstellung von mehr- 
scharigen Pflügen und Hackmaschinen hat die Un- 
krautvertilgung erleichtert. 
Zu den Punkten b) undch ist zu bemerken, daß 
der richtige Grad wasserhaltender Kraft abhängt 
von dem Vorhandensein einer entsprechenden Menge 
feinerdig-toniger und humoser Bestandteile einer- 
eits und sandigen oder kiesigen Materials ander- 
eits. Innerhalb enger Grenzen sind auch diese 
Verhältnisse einer raschen Beeinflussung zugäng- 
lich, insofern durch Aufbringung des fehlenden 
Materials, durch Heraufholen geeigneter Schichten 
des Untergrundes dem Mangel abgeholfen werden 
kann. Weniger die wasserhaltende Kraft als viel- 
mehr der faktische Wassergehalt läßt sich ferner 
noch beeinflussen durch Erhöhung oder Vertiefung 
des Grundwassers oder durch Wasserzufuhr von 
oben. In vielen Fällen reichen zu so eingreifenden 
Maßregeln (Berieselungs= und Entwässerungs- 
anlagen) die Kräfte des einzelnen nicht aus, es ist 
dann auch hier wieder eine Vereinigung gewisser 
Interessentenkreise oder das Eingreifen des Staates 
vonnöten. 
2. Die Tierproduktion ist grundsätzlich 
verschieden von der Pflanzenproduktion insofern, 
als durch dieselbe niemals chemische Spannkräfte 
erzeugt, sondern stets solche vernichtet werden und 
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