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gestiegen ist. Indessen find auch im Inland in
der neuesten Zeit mit der Zucht kaltblütiger Pferde
erhebliche Fortschritte gemacht worden. Pferde
für rasche Gangarten werden vorwiegend in Ost-
preußen, Hannover, Schleswig-Holstein und
Oldenburg gezüchtet, während die Zucht des
schweren Zugpferdes in der Rheinprovinz und in
Mitteldeutschland stark in Aufnahme gekommen ist.
Bei der Zucht und Haltung des Rindes hat
man in Deutschland vor allem zwei Gebiete zu
unterscheiden, einmal die Vieh züchtenden, Nutz-
vieh produzierenden Gegenden, und das sind na-
mentlich der gebirgige Teil Mittel-= und Süd-
deutschlands sowie die Marschen, und in zweiter
Linie diejenigen Bezirke, in welchen Nutzvieh ge-
halten und verbraucht wird, und das ist in der
Hauptsache die nordöstliche Tiefebene. Die in
dem erstgenannten Gebiete gezüchteten Rassen
gliedern sich am besten nach ihren Nutzungseigen-
schaften. An der Westküste von Schleswig-Hol-
stein werden hauptsächlich, wohl infolge der eng-
lischen Nachbarschaft, zur Mast geeignete Tiere
gezüchtet; es sind das in der Hauptsache
Kreuzungsprodukte zwischen dem englischen Shor-
thorn und den deutschen Niederungsschlägen. Da
wo die letzteren rein gezüchtet werden, zeichnen
sie sich durch hervorragende Milchergiebigkeit
aus. Sie sind im großen und ganzen als Ab-
zweigungen der Holländer Rasse aufzufassen.
An der Ostküste Schleswig-Holsteins, in der
Geest, besteht dann das scharf abgegrenzte Ge-
biet des zierlichen Angler Viehes, und in der
Mitte zwischen den schweren Marschschlägen
und dem leichten Geest-Vieh die Breitenburger
Rasse, die aber einen ziemlich eng begrenzten
Bezirk einnimmt. Den südöstlichen Zipfel des
deutschen Gebiets nimmt ein Zweig der großen
braunen Schweizer Rasse, das sog. Allgäuer
Vieh, ein, das ebenfalls durch hervorragende
Milchergiebigkeit rühmlich bekannt ist. Die ge-
birgigen Teile Mitteldeutschlands sind es haupt-
sächlich, welche den Bedarf der deutschen Land-
wirtschaft an Zugochsen decken. Dahin gehört
vor allem das große Gebiet des einfarbigen roten
Frankenviehes, die Glaner, die Voigtländer Rasse,
das Harz-Vieh und andere. Ferner hat in der
neuesten Zeit eine ganz außerordentliche Verbrei-
tung gewonnen das gelb= oder rotbunte Vieh der
nordwestlichen Schweiz, früher Berner, heute
Simmentaler Rasse genannt. In einem großen
Teile Bayerns, Württembergs, Badens, Hessens
und des Elsasses ist diese Rasse (oder ihre Kreu-
zungen) zu Hause, und sie verdankt diese große
Verbreitung wohl dem Umstand, daß es ihren
Züchtern gelungen ist, alle drei Nutzungseigen-
schaften des Rindes: Milchergiebigkeit, Mastfähig-
keit und Brauchbarkeit zum Zuge, in diesen Tieren
zu vereinigen, was dasselbe natürlich für die fast
ausnahmslos kleinen Wirtschaften der genannten
Gebiete besonders wertvoll machen muß. Im
übrigen ist hervorzuheben, daß in der neueren Zeit
Landwirtschaft.
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hauptsächlich infolge der wirksamen Tätigkeit der
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ein regeres
Leben in die Kreise der die Zucht des Rindes be-
treibenden Landwirte gekommen ist. Die einzelnen
Schläge wurden gegenseitig abgegrenzt und inner-
halb des betreffenden Bereichs darauf hingearbeitet,
die typischen Eigentümlichkeiten nach Möglichkeit
herauszubilden und nutzbar zu machen.
Die Schafzucht Deutschlands ist im Rück-
gang begriffen. Die Zahl der auf Tuchwolle züch-
tenden Schäfereien ist sehr zusammengeschmolzen;
im Mittelpunkt des Interesses steht die Kamm-
wollzucht, innerhalb welcher man einen deutschen
und einen französischen Typus unterscheidet, eine
Trennung, die mit der historischen Entwicklung
beider Stämme und den ihren Angehörigen heute
zukommenden Körperformen in Beziehung steht.
Von den englischen Fleischschafen haben nament-
lich die sog. Schwarzgesichter, das Southdown-
und das Hampshiredownschaf und verwandte
Schläge eine große Verbreitung gefunden. Da-
neben behaupten die alten einheimischen Schläge,
insbesondere die Heideschnucke, das Rhönschaf und
Frankenschaf und das württembergische Bastard-
schaf, aus Kreuzung des Landschafes mit Merino
hervorgegangen, ihr Recht.
Die Schweinezucht und Schweinehaltung
sind in stetiger Zunahme begriffen, das Schweine-
fleisch spielt eine immer bedeutsamere Rolle in der
Volksernährung. Die früher allgemein verbrei-
teten Landschläge sind in der zweiten Hälfte des
19. Jahrh. durch Kreuzung mit den frühreifen
englischen Rassen mastfähiger und frühreifer ge-
worden. Den größten Anteil an dieser Blut-
einmischung hat die große weiße englische oder
Vorkshirerasse. Von den farbigen Schlägen hat
nur das Berkshireschwein eine größere Ver-
breitung gefunden. Während aber anfangs die
deutschen Zuchten von den englischen abhängig
waren und eine regelmäßige Einfuhr von Zucht-
ebern stattfinden mußte, steht die einheimische
Zucht heute auf eignen Füßen. Die verbesserten
Zuchten werden unter dem Namen „deutsches
Edelschwein“ zusammengefaßt. Sie sind auf die
Bedürfnisse des inländischen Marktes und der
deutschen Verhältnisse zugeschnitten und weichen
nicht unwesentlich von dem ursprünglichen eng-
lischen Typus ab. Neben den Zuchten des Edel-
schweines, welchen vorwiegend die Versorgung des
Marktes mit frischem Fleisch zukommt, haben sich
die genügsameren Landrassen erhalten, aber auch
sie sind durch Zuchtwahl verbessert worden. Diese
letzteren sind vorwiegend dazu bestimmt, die Dauer-
warenindustrie mit geeignetem Rohmaterial zu
versorgen.
3. Die technischen Gewerbe bilden den dritten
Produktionszweig in der Landwirtschaft. Sie be-
zwecken ohne Ausnahme eine weitere Verarbei-
tung und damit eine Werterhöhung der Produkte.
Zu den eigentlichen landwirtschaftlich-technischen
Gewerben können nur diejenigen gerechnet werden,
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