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welche in enger Beziehung zum landwirtschaft-
lichen Betrieb stehen, von demselben nicht be-
liebig getrennt werden können. Dahin gehört
namentlich die Kartoffeln verarbeitende Brannt-
weinbrennerei, die auf den leichten Bodenarten
hauptsächlich den Zweck hat, das auf andere Weise
schwer zu beschaffende Futter in Form von
Schlempe zu liefern. Fortschritte sind hier ins-
besondere nach der Richtung zu verzeichnen, daß
die mehr und mehr sich vervollkommnende Technik
eine immer weiter gehende Ausnutzung des Stärke-
mehlgehaltes des Rohmaterials ermöglicht. Die
Stärkefabrikation tritt der Spiritusbrennerei
gegenüber sehr in den Hintergrund. — Ferner
ist unter die landwirtschaftlich-technischen Gewerbe
zu rechnen das Molkereigewerbe. Dieses hat nun
im Lauf der letzten Jahrzehnte einen außerordent-
lich raschen Aufschwung an den Tag gelegt. Ins-
besondere hat die Einführung der Milchzentrifuge
eine viel vollkommenere Ausnutzung des Milch-
fettes und eine weitgehende Verbesserung der
Qualität der Produkte zur Folge gehabt. Die
Technik hat mit bewunderungswürdiger Rührig-
keit in kurzer Frist eine Anzahl äußerst brauch-
barer Handzentrifugen geliefert, die insbesondere
die Einführung dieses Systems in weitere land-
wirtschaftliche Produktionskreise, namentlich auch
in den Kreis der kleinen Einzelwirtschaften, er-
möglichte. — Die Zuckerfabrikation, Brauerei
und Müllerei stehen ebenfalls in engster Beziehung
zur Landwirtschaft, sind aber, als in der Haupt-
sache für sich bestehend, zu den landwirtschaftlich-
technischen Gewerben im engeren Sinne nicht zu
rechnen.
B. Der Betrieb. Unter landwirtschaftlichem
Betrieb versteht man die Vereinigung mehrerer
Produktionszweige zu einem organischen Ganzen.
Während bisher der Produktionszweig mehr von
der rein technischen Seite betrachtet wurde, sind
es hier Momente wirtschaftlicher Art, welche in
erster Linie Berücksichtigung finden müssen; aus-
schlaggebend für die Beurteilung eines Betriebes
im konkreten Falle ist der bei denselben erzielte
Erfolg, die Differenz zwischen der Größe der auf-
gewandten und der produzierten Werte.
1. Die Betriebsmittel. Dieselben bestehen
wie bei jedem andern Produktionsprozeß in
Kapital und Arbeit. Das Kapital zerfällt aber
hier in eine Reihe von einzelnen Gliedern, deren
jedem für sich ein eigentümlicher Charakter zu-
kommt. Der Grund und Boden ist das
wichtigste der Produktionsmittel. Seine Aus-
dehnung ist, wenigstens im allgemeinen, maß-
gebend für die Größe des Betriebes, wenn auch
allerdings die Größe der umgesetzten Werte hier
mitzusprechen hat. Eine besonders schwer wiegende
Eigentümlichkeit des Bodens besteht darin, daß
er unzerstörbar ist, eine Eigenschaft, die den meisten
andern Kapitalskategorien nicht zukommt. Er
hat deshalb den Vorzug der größten Sicherheit.
Gleichzeitig ist er innerhalb eines bestimmten Ge-
Landwirtschaft.
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bietes nur in beschränktem Umfange vorhanden.
Diese beiden Umstände bewirken, daß die in Grund
und Boden angelegten Werte sich mit einer sehr
geringen Rente begnügen.
Ülber die landwirtschaftlichen Gebäude ist
zu sagen, daß dieselben für sich einen Ertrag ab-
zuwerfen nicht fähig sind. Sie tun dies nur
insofern, als sie den ganzen Produktionsprozeß
ermöglichen und unterstützen. Daraus geht schon
ohne weiteres hervor, daß diejenige Sachlage die
günstigste sein wird, bei welcher der Aufwand für
Gebäude so gering als möglich ist und doch das
der Wirtschaft nach dieser Richtung
hin wird. Das Gerätekapital muß
o sein, daß es allen Zwecken der Pro-
duktion in möglichst vollkommener Weise zu dienen
fähig ist. Der für das Gerätekapital gemachte
Aufwand ist in hohem Grade lohnend, weil ein
Mangel an den Geräten durch einen unverhältnis-
mäßig größeren Aufwand von Arbeitskraft aus-
geglichen werden muß.
Das Rohstoffkapital besteht hauptsächlich
in Dünger und Futterstoffen. Besonders die er-
steren nehmen eine hervorragende Bedeutung in
Anspruch. Bezüglich des Verhältnisses, in welchem
der Aufwand für das Düngerkapital zu den
übrigen Unkosten der Produktion steht, greifen
die solgenden Erwägungen Platz. Die übrigen
Unkosten, insbesondere der Zinsbetrag des Boden-
wertes, die zu entrichtende Steuer, die aufzuwen-
dende Arbeitskraft, bemessen sich im allgemeinen
nach der Größe der Fläche. Der Aufwand für
diese Faktoren ist für einen gut gedüngten Boden
ebensogroß wie für einen schlecht gedüngten. Es
gilt deshalb, auf den gegebenen Flächen möglichst
viel zu produzieren, um jenen unumgänglichen
Aufwand auf eine möglichst große Zahl von Wert-
einheiten zu verteilen. Wenn auf einem Morgen
20 Zentner Weizen geerntet werden, so ist die
auf den Zentner entfallende Quote der Unkosten
nur halb so groß, als wenn nur 10 Zentner auf
demselben produziert worden wären. Darum kann
man mit der Verabreichung des Düngers meist
bis zu derjenigen Grenze gehen, bei deren Über-
schreitung eine Steigerung der Produktion nicht
mehr eintreten würde, ohne daß darunter die Ren-
tabilität des gemachten Aufwandes Not leidet.
Sehr der Beachtung wert sind die Umstände,
welche bezüglich der Preisbestimmung der ein-
zelnen Produktionsmittel obwalten. Der Preis
der Arbeit wird bestimmt auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt; die Landwirtschaft hat ausgehört,
einen solchen für sich zu besitzen. Die Preise für
Dünger, Geräte usw. bestimmen sich ebenfalls nach
Gesichtspunkten, die außerhalb des Machtbereichs
des einzelnen Landwirts liegen. Aber auch auf
die Preise der Produkte übt weder der produ-
zierende Landwirt noch der Umfang der inländi-
schen Produktion einen Einfluß aus, seitdem die-
selben durch die auf dem Weltmarkt herrschenden
Konjunkturen bedingt sind. Der einzig veränder-
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