Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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liche Faktor im ganzen Produktionsprozeß ist also 
endlich der Preis des Grund und Bodens, und 
dieser wird rücksichtslos fallen müssen, wenn das 
Mißverhältnis zwischen den Preisen der Produkte 
und denjenigen der Produktionsmittel in der bis- 
herigen Weise fortdauert. 
2. Die Wirtschaftseinrichtung. Die 
Entscheidung darüber, welche Produktionsarten 
gewählt und welche Ausdehnung dem einzelnen 
Produktionszweig gegeben werden soll, ist von 
großer Bedeutung für den Erfolg des ganzen 
Produktionsprozesses. Die vorliegenden natür- 
lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden 
einen gewissen Zwang stets ausüben müssen. Der- 
selbe ist indessen kein absoluter; das geht schon 
daraus hervor, daß unter denselben Verhältnissen 
verschiedene Wirtschafter ihre Wirtschaft verschie- 
den einzurichten pflegen und dennoch der eine 
ebenso gute Erfolge erzielt wie der andere. Mit 
andern Worten: es ist möglich, aber nicht not- 
wendig, daß es unter bestimmten Verhältnissen 
nur eine Wirtschaftsweise gibt, welche als die 
zweckmäßigste anzusprechen wäre. Auch muß die 
Ausdehnung eines Produktionszweiges stets in 
bestimmender Weise auf die Gestaltung des Restes 
des Betriebes einwirken. Eine ausgedehnte Vieh- 
haltung nötigt dazu, einen beträchtlichen Teil des 
Areals der Futtererzeugung, einen andern der 
Produktion des erforderlichen Streustrohes ein- 
zuräumen. Der Zuckerrübenbau z. B. hat eine 
Erhöhung des Bestandes an Gespannvieh zur 
Folge; die Wirtschaft muß so eingerichtet werden, 
daß die Arbeitskräfte in der Zeit, in welcher die 
Zuckerrübenkultur dieselben gebieterisch erheischt, 
nicht durch andere Kulturarten in Anspruch ge- 
nommen werden usw. 
Wenn einmal feststeht, nach welcher Richtung 
hin der Schwerpunkt der Wirtschaft verlegt wer- 
den soll, so bleibt für die Bestimmung des Feld- 
systems, d. i. für die einzuhaltende Fruchtfolge, 
wenig freie Wahl mehr übrig. Bezüglich der 
Feldsysteme unterscheidet man Körnerwirtschaft, 
Feldgraswirtschaft und Fruchtwechselwirtschaft. 
Bei der ersten findet die Futtererzeugung auf be- 
sondern, hierfür dauernd bestimmten Flächen, 
den Wiesen und Weiden, statt. Das Ackerland 
wird ausschließlich zur Erzeugung von Getreide 
verwendet. Bei der Feldgraswirtschaft wird das 
Ackerland eine Reihe von Jahren zur Erzeugung 
von Getreide und dann eine Reihe von Jahren 
zum Grasbau benutzt. Bei der Fruchtwechselwirt- 
schaft findet jährlich ein Wechsel von Getreide 
und Blatifrüchten, wie Hülsenfrüchte, Futter- 
kräuter, Wurzelgewächse, Handelspflanzen statt. 
Man hat häufig in der landwirtschaftlichen Li- 
teratur den sog. Feldsystemen eine ungebührliche 
Bedeutung zugeschrieben, namentlich unter dem 
Namen der Fruchtwechselwirtschaften äußerst kom- 
plizierte, eine große Reihe von Jahren umfassende 
Formen konstruiert. Ganz abgesehen davon, daß 
bei dem heutigen raschen Wechsel der Konjunkturen 
Landwirtschaft. 
  
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ein derartiges Verfahren sich von selbst verbietet, 
ist es auch an sich empfehlenswerter, das Haupt- 
augenmerk nicht auf die Form, sondern auf die 
Sache zu richten. Die Gründe, warum der Frucht- 
wechsel, also das Verfahren, auf demselben Feld- 
stück verschiedene Früchte aufeinander folgen zu 
lassen, überhaupt rätlich erscheint, lassen sich unter 
folgenden Gesichtspunkten zusammenfassen: a) Ver- 
schiedene Früchte nehmen die einzelnen Boden- 
nährstoffe in verschiedenem Maße in Anspruch; 
darum wird der Vorrat der letzteren besser aus- 
genutzt, wenn man abwechselt. b) Das Wurzel- 
system verschiedener Pflanzenarten zeigt zum Teil 
sehr weit gehende Abweichungen; daher hat der 
Wechsel die vollkommenere Heranziehung aller 
Schichten des Bodens zur Produktion zur Folge. 
P) Jede Pflanzenart hat zahlreiche pflanzliche und 
tierische Feinde. Läßt man dieselbe Frucht auf 
demselben Feldstück zu häufig folgen, so wird der 
Vermehrung dieser Feinde zu viel Vorschub ge- 
leistet, d) Die Vernichtung der Unkräuter ist in 
nachhaltiger und wirksamer Weise nur möglich, 
wenn von Zeit zu Zeit auch während der Vege- 
tationsdauer der betreffenden Kulturpflanze der 
Kampf geger dieselben fortgesetzt wird, und daraus 
folgt die Notwendigkeit der Einschaltung von Hack- 
früchten zwischen solche Kultwrarten. welche die 
Unkrautvertilgung nicht zulassen. Diese Gesichts- 
punkte müssen also mit den Anforderungen der 
betreffenden Wirtschaftseinrichtung möglichst in 
Einklang gebracht werden. Immer aber wird die 
letztere die Hauptsache bilden und die Rücksicht 
auf die ersteren ihr unterzuordnen sein. Die 
Feldsysteme nehmen heute ein vorwiegend histo- 
risches Interesse in Anspruch, insofern sie im 
engsten Zusammenhang stehen mit der Entwick- 
lung der Landwirtschaft (Dreifelderwirtschaft und 
Flurzwang) und mit der Einführung neuer, den 
landwirtschaftlichen Betrieb erheblich umgestalten- 
der Kulturarten (Kleebau, Kartoffelkultur). Es 
ist aber nicht zu verkennen, daß die Herrschaft der 
Feldsysteme vielfach der Entwicklung des land- 
wirtschaftlichen Gewerbes Schaden gebracht hat, 
insofern ihre starre Form dem Fortschritt im Wege 
stand und der damit verbundene Formalismus als 
ein schlimmer Feind selbständigen Denkens und 
Handelns zu betrachten ist. 
Mit einigen Worten wäre noch der Alpenwirt- 
schaft zu gedenken. Sie hat das Besondere, daß 
die Weidewirtschaft den Ackerbau überragt. Die 
Viehzucht hat den Zweck, das Vieh in den Handel 
zu bringen, oder es liegt der Schwerpunkt in der 
Verwertung von Milch und Käse. Verglichen mit 
der erforderlichen Fläche ist die ausgewendete Ar- 
beit und Sorgfalt beim Ackerbau größer als bei 
der Viehzucht. Das Gesamteigentum, das der 
Ausnutzung weniger günstig ist, kann also bei der 
Viehzucht eine größere Rolle spielen als beim 
Ackerbau. Die Mehrzahl der Alpen steht im 
Eigentum von Gemeinden und Genossenschaften. 
Für dieses Gemeineigentum sind eigne, in den
	        
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