Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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einzelnen Ländern bestehen sogar Bestimmungen, 
welche die Neuschaffung solchen Schutzes auf dem 
Zwangswege ermöglichen. Indessen pflegt die 
staatliche Tätigkeit hier auch direkt einzugreifen. 
So ist in Preußen namentlich zu nennen der 
Ankauf und die Aufforstung von Sandschellen 
seitens des Forstfiskus, Aufbringung von Strand- 
forsten gegen Sturmfluten und Dünerver- 
wehungen usw. 
B. Die Grundbesitzverteilung. 1. Die 
Siedlung. Im heutigen Deutschland hat die Be- 
sitzergreifung des Grund und Bodens innerhalb 
der historischen Zeit stattgefunden durch drei der 
arischen Völkergruppe angehörige Stämme: die 
Kelten, die Germanen und die Slawen. Zuerst 
erfolgte der Vorstoß gegen Westen durch die 
Kelten; diese wurden durch die nachdrängenden 
Germanen wieder vertrieben, und den letzteren 
folgten endlich die Slawen, welche aber ihrerseits 
durch die Rückstöße der Germanen wieder weit 
nach dem Osten zurückgeworfen wurden. So 
kommt es, daß im größten Teil des heutigen 
Deutschlands die germanische Siedlungsweise als 
Ausgangspunkt und Grundlage des jetzt herrschen- 
den Zustandes zu erkennen ist. Die Reste der 
keltischen Besitzergreifung sind überall dort zu 
suchen, wo das einzelne Gehöft in der Einöde 
liegt und die dazu gehörigen Felder rings um den 
Hof angeordnet sind. Dieses Einödsystem trifft 
man heute noch in großen Teilen des gebirgigen 
Südens, ferner am Rhein, in Westfalen und in 
Friesland. Der slawischen Siedlungsweise ist 
eigentümlich die Sitte, die Gehöfte zwar zusammen- 
zubauen, aber das zu jedem Gehöft gehörige 
Land in einem Stück und hinter dem Hof liegend 
auszuteilen. Die Gehöfte bilden entweder einen 
Kreis, oder sie liegen zu beiden Seiten einer 
Straße. Die Grundstücke schließen sich fächer- 
förmig, nach außen breiter werdend, an diese an. 
Spuren dieser Siedlungsweise haben sich heute 
noch erhalten in der Lausitz, in Sachsen und 
Oberfranken. 
Nach germanischer Sitte scheint ursprünglich 
der von einer Stammesgemeinschaft in Besitz ge- 
nommene Bezirk gemeinsames Eigentum gewesen 
zu sein. Dies gilt namentlich für die Zeit, da 
Weide und Jagd die ausschließliche Nutzung 
bildeten. Mit den festen Wohnsitzen beginnt auch 
das Sondereigentum an dem zum Feldbau be- 
stimmten Lande. Von entscheidender Bedeutung 
ist aber die Inangriffnahme des Landes zur Be- 
ackerung, denn diese hat der ganzen heutigen Feld- 
einteilung ihren Charakter aufgeprägt. Dieselbe 
erfolgte gewannweise. Es wurden größere Kom- 
plexe von gleicher Bodenqualität und gleicher Lage 
zu den Gebäuden ausgemessen, meist in der Lang- 
Rechteckorm. Jeder Genosse bekam in jedem Ge- 
wann seinen Anteil. Die Reihenfolge wurde ein- 
mal ausgelost, und die Austeilung erfolgte sodann 
in jedem Gewann nach dieser Reihenfolge in der 
Richtung des Sonnenlaufs. Das übrig bleibende 
Landwirtschaft. 
  
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und das in dem betreffenden Jahre brach liegende 
Land wurde zu gemeinschaftlicher Weide benutzt. 
Zwischen den einzelnen Dorfgemarkungen blieben 
größere Landstriche frei, sie bilden später die sog. 
Marken, deren Nutzung den anstoßenden Dorf- 
chaften zustand. Später wurden diese Marken 
unter die anteilhabenden Dorsschaften verteilt, 
blieben aber Gemeindeeigentum, wodurch die All- 
menden entstanden. 
Die Einheit in der Dorfgemeinschaft bildete 
die Hufe. Dieser Begriff ist aber nicht so eng 
aufzufassen, daß er etwa nur das Eigentum an 
einer Fläche von bestimmter Größe darstellte, 
vielmehr ist die Hufe zu betrachten als der In- 
begriff einer Anzahl von Rechten und Pflichten. 
Die ersteren bestanden in einem bestimmt be- 
messenen Anteil an Grundeigentum und an Weide, 
Holz und sonstigen gemeinsamen Nutzungen. Die 
Pflichten sind namentlich die Heeresfolge und die 
Anteilnahme an den Kosten der Gemeinde, nach 
der Entwicklung des Lehnswesens die an den 
Lehnsherrn zu leistenden Abgaben. Die Hufe ist 
ihrem ganzen Umfang nach teilbar. Wenn die 
Teilung einer Huse vorgenommen wurde, so be- 
traf die Teilung nicht den ganzen zu der Hufe 
gehörigen Grundbesitz, sondern es wurde in jedem 
Gewann besonders geteilt. Und wenn die Teilung 
nicht so weit ging, so erstreckte sie sich jedenfalls 
auf den Hufenanteil jeder Flur. Die Flureintei- 
lung ergab sich ganz von selbst durch den Anbau 
von Winter= und Sommerfrucht. Die Zahl der 
Gewanne wird in drei Abteilungen gebracht, die 
noch heute fast überall aufrecht erhalten sind: das 
Winterfeld, das Sommerfeld und das Brachfeld; 
das letztere diente ursprünglich der gemeinsamen 
Weide, heute dem Anbau aller der Früchte, die 
im Winterfeld oder Sommerfeld keinen Platz 
finden. Jeder Hufenteil mußte in jeder dieser 
drei größeren Abteilungen seine Parzelle haben. 
Aus diesen Verhältnissen erklärt sich auch der 
sog. Flurzwang, der dem landwirtschaftlichen 
Betriebe überall da, wo die Gemengelage der 
Grundstücke besteht, einen hohen Grad von Starr- 
heit und Unbeweglichkeit verliehen hat. 
Außer den drei schon genannten volkstümlichen 
Siedlungsarten haben wir noch einige andere zu 
nennen, die indessen von nebensächlicher Bedeutung 
sind. Zweifellos blieben bei der ersten Besitzergrei- 
fung solche Gebiete, welche sich zu Weidenutzung 
und Ackerbau weniger eigneten, unbesiedelt; als 
sich dann später aus der Führerschaft im Kriege 
das Königtum entwickelte, wurden diese Gebiete 
von den Machthabern in Besitz genommen, um 
als Besoldungen der nötig werdenden Beamten 
verwertet zu werden. Die Nutzung geschah nicht 
direkt, sondern durch Vergebung an zinspflichtige 
Kolonen. Teilweise geschah die Einweisung der 
letzteren in der volkstümlichen Art der Gewann- 
verfassung, teilweise, und das namentlich in der 
Karolinger Zeit, durch Ausmessung der Königs= 
hufen. Diese zeichneten sich vor allem durch 
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