Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

721 
größeren Umfang vor der gewöhnlichen Hufe aus. 
Alles zu einer Hufe gehörige Land bildete einen 
Komplex, meist in Lang-Rechteckform, mit beson- 
derem Zugang. Die Königshufen lagen mit der 
Langseite aneinandergereiht. Die Gehöfte wurden 
an dem Kopfende des Grundstücks, zumeist in den 
Tälern, an Flußläufen usw. errichtet. Die Hagen- 
hufer fallen begrifflich zusammen mit den Königs- 
hufen, unterscheiden sich von diesen aber in histo- 
rischer Beziehung, insofern dieselben nicht direkt 
vom König, sondern durch Vermittlung von Guts- 
herren ausgetan wurden. Diese Form der Grund- 
besitzverteilung findet sich heute noch im Schwarz= 
wald, Odenwald, Spessart, im Erzgebirge und 
zum Teil in den Marschen. 
Der Umstand, daß in den Gebieten östlich der 
Elbe die Zahl der großen Güter viel beträchtlicher 
ist als in den westlich von diesem Strome ge- 
legenen, scheint ebenfalls in der ursprünglichen 
Besitzergreifung begründet. Die wenigen großen 
Güter in den westlichen Bezirken sind durch Ver- 
einigung mehrerer Hufen in einer Hand entstanden, 
die Gemengelage der dazu gehörigen Grundstücke 
weist auf diese Entstehungsweise hin. In einzelnen 
Fällen kann es sich auch um Okkupation von 
Teilen der Marken durch die Gutsherren handeln. 
Im Osten dagegen wurden nachgewiesenermaßen 
gleich nach Rückeroberung dieser Gebiete aus den 
Händen der Slawen große selbständige Ackerwirt- 
schaften gebildet, während die dazwischen liegenden 
Ländereien nach Art der deutschen Hufenverfassung 
an Kolonen vergeben wurden, auch dann, wenn 
diese Kolonen der flawischen Nationalität ange- 
hörten. 
2. Von weitgehender Bedeutung war aber die 
Entwicklung der gutsherrlich-bäuerlichen Ver- 
hältnisse. Als das verfügbare Land zur Belehnung 
der Vassallen und Beamten des Königtums nicht 
mehr ausreichte, wurden die übrigen Gebiete, die 
ursprünglich Freie innehatten, jenen Vassallen zu 
Lehen gegeben, und die Insassen des Lehns- 
bezirkes kamen dadurch in ein Abhängigkeits- 
verhältnis zum Lehnsherrn. Während die Ver- 
pflichtung des letzteren in der Übernahme der 
Heeresfolge und der Gewährung eines gewissen 
Schutzes gegen unbefugte Eingriffe Dritter (guts- 
herrliche Gerichtsbarkeit) bestand, hatte er von den 
Untertanen eine Reihe von Dienstleistungen und 
Lieferungen in Sachwert zu beanspruchen, die man 
später unter den Begriff Reallasten zusammen- 
zufassen pflegte. Eine Vermehrung der Servi- 
tuten entstand dadurch, daß der Gutsherr die für 
seinen Haushalt nötigen Dienstleute und Hand- 
werker in seinem Bezirk ansässig machte und durch 
gewisse Servituten entschädigte. Infolge der guts- 
herrlich-bäuerlichen Verhältnisse hatte der Guts- 
herr auch ein Einspruchsrecht bei Veräußerungen 
und Erbschaftsregulierungen. 
Die bestehende Rechtsordnung wirkt teils mittel- 
bar teils unmittelbar (Agrargesetzgebung) auf die 
landwirtschaftlichen Verhältnisse ein. Die erb- 
Landwirtschaft. 
  
722 
rechtlichen Satzungen und Gebräuche gingen 
bei den einzelnen deutschen Volksstämmen nicht 
unerheblich auseinander. Bei den Friesen war 
zwar das Eigentum dem Rechte nach frei teilbar, 
aber die Sitte bewirkte dennoch, daß die Mehrzahl 
der Hufen in ihrem ursprünglichen Bestande sich 
erhielt. Das im Gebiet des Sachsenrechts sich 
entwickelnde Meier= und Kolonenwesen mußte 
ebenfalls die Erhaltung der geschlossenen Hufen 
begünstigen. Im Gebiet des fränkischen Rechts 
dagegen besteht nicht nur rechtlich, sondern auch 
faktisch freie Teilung, so daß hier ein rascheres 
Fortschreiten der Zerstückelung nicht ausbleiben 
konnte. Das Bestehen det Erbpacht mochte im 
allgemeinen die Gründung bäuerlicher Nahrungen 
erleichtern, auf der andern Seite aber wegen der 
in dieser Rechtsform begründeten Beschränkung 
des Verfügungsrechts des Erbzinspflichtigen der 
weiteren Zersplitterung entgegenwirken. 
3. Die aus der Hufenverfassung und der Ge- 
wanneinteilung im Laufe der Zeit sich entwickeln- 
den Unzuträglichkeiten wurden schon frühzeitig 
empfunden. Eine anscheinend in volkstümlicher 
Anschauungsweise beruhende Maßregel zur Ab- 
hilfe bestand darin, daß die einzelnen Parzellen 
zusammengeworfen und sodann wieder neu ver- 
messen und verlost wurden. In einzelnen Fällen 
kam es sogar vor, daß die Zahl der Gewanne 
vermindert und dadurch eine nicht unwesentliche 
Verbesserung des Zustandes herbeigeführt wurde. 
Das Prinzip der Gewanneinteilung blieb aber 
dabei regelmäßig bestehen. Bemerkenswert ist 
ferner, daß schon vor dem Dreißigjährigen Kriege 
vollständige Vereinödungen in beträchtlichem Um- 
fange Platz griffen. Auch später wurde zu diesem 
radikalen Mittel gegriffen. So wurde in Schles- 
wig-Holstein und Lauenburg zu Ende des 
18. Jahrh. die Verkoppelung ganz allgemein 
durchgeführt. Dabei geschah der Ausbau, d. h. die 
Verlegung des Gehöftes vom Dorfe in die Ein- 
öde mit Unterstützung seitens der Gemeinde und 
des Staates. 
Im Laufe des 19. Jahrh. haben sodann alle 
deutschen Staaten eine vielseitige gesetzgeberische 
Tätigkeit entfaltet, um eine Verbesserung der 
agrarischen Zustände herbeizuführen. Dieselbe 
hatte zum Gegenstand die Durchführung des 
Einzeleigentums an Grund und Boden, also Tei- 
lung der sog. Gemeinheiten, die Ablösung der 
Servituten und Reallasten und die Beseitigung 
oder wenigstens Milderung der aus der Gewann- 
einteilung entsprungenen weitgehenden Parzel- 
lierung und Gemengelage und der sonstigen da- 
mit im Zusammenhang stehenden, die landwirt- 
schaftliche Produktion hemmenden Unzuträglich- 
keiten. In manchen Ländern finden sich auch Be- 
stimmungen, welche die zu weit gehende Zersplitte- 
rung des Grundbesitzes und die Erhaltung der 
selbständigen bäuerlichen Nahrungen zum Gegen- 
stand haben. In allerneuester Zeit hat die preu- 
Kische Gesetzgebung in dem Rentengut eine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.