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größeren Umfang vor der gewöhnlichen Hufe aus.
Alles zu einer Hufe gehörige Land bildete einen
Komplex, meist in Lang-Rechteckform, mit beson-
derem Zugang. Die Königshufen lagen mit der
Langseite aneinandergereiht. Die Gehöfte wurden
an dem Kopfende des Grundstücks, zumeist in den
Tälern, an Flußläufen usw. errichtet. Die Hagen-
hufer fallen begrifflich zusammen mit den Königs-
hufen, unterscheiden sich von diesen aber in histo-
rischer Beziehung, insofern dieselben nicht direkt
vom König, sondern durch Vermittlung von Guts-
herren ausgetan wurden. Diese Form der Grund-
besitzverteilung findet sich heute noch im Schwarz=
wald, Odenwald, Spessart, im Erzgebirge und
zum Teil in den Marschen.
Der Umstand, daß in den Gebieten östlich der
Elbe die Zahl der großen Güter viel beträchtlicher
ist als in den westlich von diesem Strome ge-
legenen, scheint ebenfalls in der ursprünglichen
Besitzergreifung begründet. Die wenigen großen
Güter in den westlichen Bezirken sind durch Ver-
einigung mehrerer Hufen in einer Hand entstanden,
die Gemengelage der dazu gehörigen Grundstücke
weist auf diese Entstehungsweise hin. In einzelnen
Fällen kann es sich auch um Okkupation von
Teilen der Marken durch die Gutsherren handeln.
Im Osten dagegen wurden nachgewiesenermaßen
gleich nach Rückeroberung dieser Gebiete aus den
Händen der Slawen große selbständige Ackerwirt-
schaften gebildet, während die dazwischen liegenden
Ländereien nach Art der deutschen Hufenverfassung
an Kolonen vergeben wurden, auch dann, wenn
diese Kolonen der flawischen Nationalität ange-
hörten.
2. Von weitgehender Bedeutung war aber die
Entwicklung der gutsherrlich-bäuerlichen Ver-
hältnisse. Als das verfügbare Land zur Belehnung
der Vassallen und Beamten des Königtums nicht
mehr ausreichte, wurden die übrigen Gebiete, die
ursprünglich Freie innehatten, jenen Vassallen zu
Lehen gegeben, und die Insassen des Lehns-
bezirkes kamen dadurch in ein Abhängigkeits-
verhältnis zum Lehnsherrn. Während die Ver-
pflichtung des letzteren in der Übernahme der
Heeresfolge und der Gewährung eines gewissen
Schutzes gegen unbefugte Eingriffe Dritter (guts-
herrliche Gerichtsbarkeit) bestand, hatte er von den
Untertanen eine Reihe von Dienstleistungen und
Lieferungen in Sachwert zu beanspruchen, die man
später unter den Begriff Reallasten zusammen-
zufassen pflegte. Eine Vermehrung der Servi-
tuten entstand dadurch, daß der Gutsherr die für
seinen Haushalt nötigen Dienstleute und Hand-
werker in seinem Bezirk ansässig machte und durch
gewisse Servituten entschädigte. Infolge der guts-
herrlich-bäuerlichen Verhältnisse hatte der Guts-
herr auch ein Einspruchsrecht bei Veräußerungen
und Erbschaftsregulierungen.
Die bestehende Rechtsordnung wirkt teils mittel-
bar teils unmittelbar (Agrargesetzgebung) auf die
landwirtschaftlichen Verhältnisse ein. Die erb-
Landwirtschaft.
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rechtlichen Satzungen und Gebräuche gingen
bei den einzelnen deutschen Volksstämmen nicht
unerheblich auseinander. Bei den Friesen war
zwar das Eigentum dem Rechte nach frei teilbar,
aber die Sitte bewirkte dennoch, daß die Mehrzahl
der Hufen in ihrem ursprünglichen Bestande sich
erhielt. Das im Gebiet des Sachsenrechts sich
entwickelnde Meier= und Kolonenwesen mußte
ebenfalls die Erhaltung der geschlossenen Hufen
begünstigen. Im Gebiet des fränkischen Rechts
dagegen besteht nicht nur rechtlich, sondern auch
faktisch freie Teilung, so daß hier ein rascheres
Fortschreiten der Zerstückelung nicht ausbleiben
konnte. Das Bestehen det Erbpacht mochte im
allgemeinen die Gründung bäuerlicher Nahrungen
erleichtern, auf der andern Seite aber wegen der
in dieser Rechtsform begründeten Beschränkung
des Verfügungsrechts des Erbzinspflichtigen der
weiteren Zersplitterung entgegenwirken.
3. Die aus der Hufenverfassung und der Ge-
wanneinteilung im Laufe der Zeit sich entwickeln-
den Unzuträglichkeiten wurden schon frühzeitig
empfunden. Eine anscheinend in volkstümlicher
Anschauungsweise beruhende Maßregel zur Ab-
hilfe bestand darin, daß die einzelnen Parzellen
zusammengeworfen und sodann wieder neu ver-
messen und verlost wurden. In einzelnen Fällen
kam es sogar vor, daß die Zahl der Gewanne
vermindert und dadurch eine nicht unwesentliche
Verbesserung des Zustandes herbeigeführt wurde.
Das Prinzip der Gewanneinteilung blieb aber
dabei regelmäßig bestehen. Bemerkenswert ist
ferner, daß schon vor dem Dreißigjährigen Kriege
vollständige Vereinödungen in beträchtlichem Um-
fange Platz griffen. Auch später wurde zu diesem
radikalen Mittel gegriffen. So wurde in Schles-
wig-Holstein und Lauenburg zu Ende des
18. Jahrh. die Verkoppelung ganz allgemein
durchgeführt. Dabei geschah der Ausbau, d. h. die
Verlegung des Gehöftes vom Dorfe in die Ein-
öde mit Unterstützung seitens der Gemeinde und
des Staates.
Im Laufe des 19. Jahrh. haben sodann alle
deutschen Staaten eine vielseitige gesetzgeberische
Tätigkeit entfaltet, um eine Verbesserung der
agrarischen Zustände herbeizuführen. Dieselbe
hatte zum Gegenstand die Durchführung des
Einzeleigentums an Grund und Boden, also Tei-
lung der sog. Gemeinheiten, die Ablösung der
Servituten und Reallasten und die Beseitigung
oder wenigstens Milderung der aus der Gewann-
einteilung entsprungenen weitgehenden Parzel-
lierung und Gemengelage und der sonstigen da-
mit im Zusammenhang stehenden, die landwirt-
schaftliche Produktion hemmenden Unzuträglich-
keiten. In manchen Ländern finden sich auch Be-
stimmungen, welche die zu weit gehende Zersplitte-
rung des Grundbesitzes und die Erhaltung der
selbständigen bäuerlichen Nahrungen zum Gegen-
stand haben. In allerneuester Zeit hat die preu-
Kische Gesetzgebung in dem Rentengut eine