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diktion besitze; 2) ob der Papst einen englischen
Untertanen vom Eide der Treue entbinden könne;
3) ob es nach katholischer Lehre erlaubt sei, den
Irrgläubigen keine Treue zu halten. Von der
Pariser Sorbonne wie von den Hochschulen zu
Löwen, Douai, Salamanca und Alcaläͤ liefen ver-
neinende Antworten ein. Das Komitee tat nun
einen verhängnisvollen Schritt. Es erließ eine
„Deklaration und Protestation“, welche von den
Katholiken, um die Wohltat der Emanzipation zu
erlangen, unterzeichnet werden sollte. Ferner ver-
einbarte es mit seinen protestantischen Freunden
im Unterhaus einen neuen Eid für die Katholiken.
Die meisten Katholiken weigerten sich indes, ein
Schriftstück zu unterzeichnen, welches „jedem aus-
wärtigen Prälaten geistliche Jurisdiktion in diesem
Lande aberkannte“, und außerdem verwarfen die
Apostolischen Vikare den Eid durch Rundschreiben
vom 19. Okt. 1789. Geradezu empörend mußte
das Ansinnen des Komitees an seine Glaubens-
genossen erscheinen, unter Darangabe des alten
Namens „Katholiken“ sich fortan katholische pro-
testierende Dissenters (Protesting Catholic Dis-
senters) zu nennen. In bester Form aber wurde
ein förmliches Schisma angebahnt, als das Komitee
in völliger Verachtung der von ihm gegebenen Ver-
sicherungen einen neuen Eid für die beabsichtigte
Erleichterungsbill vorschlug, mit dem Ersuchen,
die Wohltaten des Gesetzes nur jenen zuzuwenden,
welche zuvor erklärt hatten, protestierende katho-
lische Dissenters zu sein. Auch verordnete die Bill,
kein Kind eines katholischen Dissenters dürfe als
„Papist" erzogen werden. Die Apostolischen Vi-
kare samt den Bischöfen von Irland und Schott-
land verwarfen den Eid in einem Rundschreiben,
und der Heilige Stuhl trat ihnen bei. Leider stieß
das Verfahren des Episkopats auf Widerstand.
Während der Benediktiner Joseph Wilks, Kaplan
in Bath, die Unterzeichnung der Enzyklika ver-
weigerte, veröffentlichte das Komitee sein erstes
Blaubuch, d. h. ein Schreiben an die Apostolischen
Vikare, welches in dem Satze gipfelte: Die kirch-
liche Jurisdiktion ruht im Volke (Flanagan II
399). Dagegen traten auf: Plowden, welcher den
Eid einer Prüfung unterzog, Milner, welcher bei
den Staatsmännern Burke und Fox und den angli-
kanischen Prälaten Wilberforce und Smith seine
Gründe wider die Erlaubtheit des Eides vortrug,
und endlich Weld, welcher dem Premier Pitt das
ganz Unberechtigte und Tendenziöse der Unter-
scheidung von Papisten und katholischen Dissenters
bewies. Mit verändertem Titel und abgeschwäch-
tem Eide wurde die Bill wieder vorgelegt, und
nachdem die Lords den irischen Eid von 1778 an
Stelle der vom katholischen Komitee vorgeschla-
genen Formel gesetzt, am 7. Juni 1791 von beiden
Häusern angenommen (Ward 1 283). — Dieses
zweite Erleichterungsgesetz befreite jene Katho-
liken, welche den irischen Eid leisteten, von den
gegen Rekusanten erlassenen Bestimmungen, ent-
lastete sie von der Zahlung doppelter Grundsteuer,
Staatslexikon. III. 3. Aufl.
Katholiken-Emanzipation ufsw.
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hob den unter Wilhelm und Maria bestimmten
Suprematseid auf und gestattete die Abhaltung
des katholischen Gottesdienstes und die Errichtung
katholischer Schulen.
Die glücklich errungene Beseitigung weiterer
die Katholiken auf dem bürgerlichen Gebiet ein-
engender Schranken vermochte indes den starren
Sinn des Komitees nicht zu brechen. Auch jetzt
beharrte es in unversöhnlicher Stimmung gegen
die Apostolischen Vikare. Nach Ablauf der Zeit,
für welche das Komitee gebildet worden, lebte
dasselbe am 12. April 1792 wieder auf in dem
„Cisalpinischen Klub“ (Cisalpine Club), dessen
Ziel nach Milner „Bekämpfung der Anmaßung
des Papstes und der Tyrannei der Apostolischen
Vikare“ war (Dublin Review CXlI (18931]
107). Sogar Charles Butler, der Verfasser der
bekannten Memoiren der englischen Katholiken
und Hauptagitator gegen die Bischöfe, bezeichnet
als Fundamentalprinzip des Klubs Annahme der
Protestationsbill, während er in dem Namen des
Klubs einen Ausdruck des Widerstandes gegen
„UÜbergriffe des römischen Hofes in das Gebiet
der weltlichen Gewalt erblickt“ (Flanagan II 406).
Leider fehlte unter den Apostolischen Vikaren selber
die nötige Eintracht, ein Mangel, der sich nament-
lich in der Behandlung der Anhänger des suspen-
dierten Geistlichen Wilks kundgab.
III. Der Druck, welchen die bedrohlichen Er-
scheinungen im öffentlichen Leben Frankreichs auf
die englischen Staatsmänner ausübten, führte zum
dritten Erleichterungsgesetz, welches im Jahre
17938 erlassen wurde (Ward II 297). Durch das-
selbe erhielten die Katholiken aktives, nicht aber
passives Wahlrecht zum Parlament, und außer-
dem wurde ihnen Zutritt zu höheren Stellen in
Heer und Marine eröffnet, wofern sie den von
Butler (Memoirs IV 63) mitgeteilten Eid lei-
steten. Um den gehässigen Charakter dieser For-
mel würdigen zu können, sei bloß eine Stelle aus
demselben angeführt: „Auch erkläre ich, daß die
Unfehlbarkeit des Papstes kein Artikel des katho-
lischen Glaubens ist, und daß ich ebensowenig ver-
pflichtet bin, einem in sich unsittlichen Befehl, mag
er vom Papst oder einem andern geistlichen Obern
ausgehen, Folge zu leisten. Desgleichen erkläre
ich, daß ich nicht glaube, daß eine von mir be-
gangene Sünde durch den bloßen Willen des
Papstes oder eines andern Priesters vergeben wer-
den kann, daß vielmehr aufrichtige Reue und fester
Vorsatz, die Sünde zu meiden, erforderlich sind.“
In dem nämlichen Jahre erlangten endlich auch
die schottischen Katholiken zum erstenmal teil-
weise Emanzipation. Die Tragweite des Gesetzes
von 1793 war sehr gering, es stand auf einer
Linie mit der ersten Erleichterungsbill der engli-
schen Katholiken vom Jahre 1778, beseitigte die
drückendsten Gesetze des vormaligen schottischen
Parlaments sowie die Strafbestimmungen der
achten und neunten Session des ersten Parla-
ments Wilhelms III. und hob die berüchtigte
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