Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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In der Ausübung dieses obersten Lehramtes ist 
der Papst, wenn er erklärt, daß eine den Glauben 
oder die Sitten betreffende Lehre von der ganzen 
Kirche festzuhalten ist, kraft göttlichen Beistandes 
unfehlbar. Solche Entscheidungen des Papstes 
sind daher (ex sese, non autem ex consensu 
Ecclesiae: Conc. Vatic. sess. IV, c. 4) unab- 
änderlich (irreformabiles) und verpflichten zur 
äußern und innern Unterwerfung. Die Defini- 
tionen ex cathedra sind wohl zu unterscheiden 
von Disziplinargesetzen und andern Entscheidungen, 
da sie sich nur auf Glaubens= und Sittensachen 
beziehen können, die in der mit dem Tode der 
Apostel abgeschlossenen Offenbarung bereits ent- 
halten sind und an und für sich weder durch Gesetz 
noch durch Gewohnheit, weder durch Privileg noch 
durch Dispens abgeändert oder aufgehoben werden 
können. Von den Glaubensentscheidungen gilt dies 
absolut, während Ausnahmen von dem göttlichen 
Sittengesetz zulässig sind, wenn dem kirchlichen 
Lehramte eine diesbezügliche Vollmacht durch das 
ins divinum selbst zugestanden ist. Die Abfassung 
von Glaubensbekenntnissen ist ebenfalls 
Sache des obersten Lehramtes. Die Glaubens- 
bekenntnisse, Symbole, sind eine Zusammen- 
fassung der hauptsächlichsten Glaubenslehren, die 
allen zu glauben vorgelegt werden. Wir zählen 
vor allem zwölf solcher Glaubensbekenntnisse, die 
eine besondere Form von dogmatischen Entschei- 
dungen sind. Da sie für die gesamte Kirche er- 
lassen werden, ist nur der Papst (St Thomas, 
Summa theol. 2, 2, d. 1, art. 10) oder ein all- 
gemeines Konzil zu ihrer Abfassung berechtigt, 
während den Bischöfen einzeln oder in Partikular= 
konzilien, da sie nicht unfehlbar sind, dieses Recht 
nicht zusteht. Allgemeine Geltung erhält ein sol- 
ches Symbolum, wenn der Papst oder ein all- 
gemeines Konzil dasselbe anerkennt oder das ma- 
gisterium ordinarium zustimmt, d. h. wenn es 
in der gesamten Kirche als Glaubensbekenntnis 
betrachtet und angenommen wird. So ist das 
fälschlich dem hl. Athanasius zugeschriebene Sym- 
bolum zur allgemeinen Glaubenslehre geworden, 
wie auch Zusätze zum Symbolum. Über den im 
Konzil von Toledo (446) gemachten Zusatz fllio- 
qdue zum Konstantinopolitanischen Glaubens- 
bekenntnis s. Hefele, Konziliengeschichte II 306 f; 
III 114 f. Weiter betätigt der Papst sein Lehr- 
amt in Verwerfung von Irrtümern gegen den 
Glauben und in Zensurierung von Büchern; denn 
Aufgabe des obersten Lehramtes ist es auch, dar- 
über zu wachen, daß der Glaube unverfälscht be- 
wahrtbleibe und daher gegen Irrtümer sicher gestellt 
werde. Die Kongregationen des Heiligen Offi= 
ziums und des Index sind daher ein Ausfluß des 
kirchlichen Lehramtes. Ein Irrtum wird nicht 
immer als häretisch verworfen; das kirchliche Lehr- 
amt verhängt auch geringere Zensuren, indem es 
Lehrmeinungen zurückweist als sententia erronea, 
haeresi proxima, de haeresi suspecta, haere- 
sim sapiens, piarum aurium offensiva, scan- 
Lehramt, kirchliches. 
  
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dalosa, temeraria usw. (vgl. Denzinger-Bann- 
wart, Enchirid. 402 ff u. passim). Solche Sätze 
dürfen nicht mehr gelehrt werden. Wer einen vom 
Apostolischen Stuhl unter der Strafe der excom- 
municatio latae sententiae verworfenen Satz 
öffentlich oder privatim lehrt oder verteidigt, ver- 
fällt nach dem von Pius IX. eingeführten Recht 
der dem Papste reservierten excommunicatio 
latae sententiae (Konst. Apostolicae Sedis 
vom 12."Okt. 1869, cap. 2, n. 1). Auch die Er- 
richtung von theologischen Fakultäten 
und Lehranstalten, die Aussicht über den 
Unterricht an denselben, ge Begabung mit dem 
Recht, die akademischen Grade zu verleihen, ist 
Sache des obersten Lehramtes. Ferner gehört hier- 
her die Approbation von Ordensregeln 
und die Kanonisation der Heiligen, in- 
soweit das Lehramt entscheidet, ob die vorgelegten 
Regeln bzw. der Lebensverlauf den Grundsätzen 
des Glaubens über die christliche Vollkommenheit 
entsprechen. Auch für die Verbreitung des 
Glaubens, für die Missionierung der Un- 
gläubigen hat der Papst kraft seiner höchsten Lehr- 
befugnis Sorge zu tragen; der dieserhalb ein- 
gesetzten Kongregation der Propaganda obliegt 
die Aussendung von Glaubensboten, die Errich- 
tung und Leitung von Missionsanstalten und die 
Verwaltung der kirchlichen Missionsgebiete. 
Da die Unfehlbarkeit des Papstes die nämliche 
ist, qua divinus Redemptor Ecclesiam suam 
in definienda doctrina vel moribus instructam 
esse voluit (Conc. Vatic., Coll. Lac. VII 487), 
erstreckt sich seine Unfehlbarkeit ebensoweit wie die 
Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes überhaupt 
(Näheres s. im Art. Papst). Ohne Zweifel aber ist 
die Lehrgewalt des Papstes nicht beschränkt auf 
die Entscheidung ex cathedra. Kraft seines Amtes 
belehrt er auch in Enzykliken und Allokutionen, in 
Schreiben an ganze Kirchenprovinzen wie an ein- 
zelne Bischöfe usw. über wichtige Fragen, ent- 
scheidet über Lehrstreitigkeiten, erteilt Unterwei- 
sungen über Predigt und Religionsunterricht usw. 
Die Verpflichtung solchen Außerungen des Lehr- 
amtes wie auch den Entscheidungen der Kongre- 
gationen gegenüber ist nach Form und Inhalt 
derselben verschieden; niemals aber wird un- 
bedingte Unterwerfung gefordert, da sie nicht irre- 
formabel sind. 
2. Der mit dem Papste als seinem Haupt in 
der Einheit des Glaubens und Gehorsams ver- 
bundene Gesamtepiskopat ist gleichfalls der 
ganzen Kirche gegenüber mit dem unfehlbaren 
Lehramte betraut. Die Gesamtheit der Bischöfe 
übt dieses Lehramt sowohl in der ordentlichen und 
täglichen Lehrverkündigung durch Predigt und 
christlichen Unterricht als auch auf den ökumeni- 
schen Konzilien durch feierliche Glaubensurteile. 
Solche Lehrentscheidungen der allgemeinen Kirchen- 
versammlungen sind zwar keine absolut notwendige 
Außerung des Lehramtes der Kirche, sie erscheinen 
aber als die feierlichste und nachdrücklichste Form
	        
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