777
In der Ausübung dieses obersten Lehramtes ist
der Papst, wenn er erklärt, daß eine den Glauben
oder die Sitten betreffende Lehre von der ganzen
Kirche festzuhalten ist, kraft göttlichen Beistandes
unfehlbar. Solche Entscheidungen des Papstes
sind daher (ex sese, non autem ex consensu
Ecclesiae: Conc. Vatic. sess. IV, c. 4) unab-
änderlich (irreformabiles) und verpflichten zur
äußern und innern Unterwerfung. Die Defini-
tionen ex cathedra sind wohl zu unterscheiden
von Disziplinargesetzen und andern Entscheidungen,
da sie sich nur auf Glaubens= und Sittensachen
beziehen können, die in der mit dem Tode der
Apostel abgeschlossenen Offenbarung bereits ent-
halten sind und an und für sich weder durch Gesetz
noch durch Gewohnheit, weder durch Privileg noch
durch Dispens abgeändert oder aufgehoben werden
können. Von den Glaubensentscheidungen gilt dies
absolut, während Ausnahmen von dem göttlichen
Sittengesetz zulässig sind, wenn dem kirchlichen
Lehramte eine diesbezügliche Vollmacht durch das
ins divinum selbst zugestanden ist. Die Abfassung
von Glaubensbekenntnissen ist ebenfalls
Sache des obersten Lehramtes. Die Glaubens-
bekenntnisse, Symbole, sind eine Zusammen-
fassung der hauptsächlichsten Glaubenslehren, die
allen zu glauben vorgelegt werden. Wir zählen
vor allem zwölf solcher Glaubensbekenntnisse, die
eine besondere Form von dogmatischen Entschei-
dungen sind. Da sie für die gesamte Kirche er-
lassen werden, ist nur der Papst (St Thomas,
Summa theol. 2, 2, d. 1, art. 10) oder ein all-
gemeines Konzil zu ihrer Abfassung berechtigt,
während den Bischöfen einzeln oder in Partikular=
konzilien, da sie nicht unfehlbar sind, dieses Recht
nicht zusteht. Allgemeine Geltung erhält ein sol-
ches Symbolum, wenn der Papst oder ein all-
gemeines Konzil dasselbe anerkennt oder das ma-
gisterium ordinarium zustimmt, d. h. wenn es
in der gesamten Kirche als Glaubensbekenntnis
betrachtet und angenommen wird. So ist das
fälschlich dem hl. Athanasius zugeschriebene Sym-
bolum zur allgemeinen Glaubenslehre geworden,
wie auch Zusätze zum Symbolum. Über den im
Konzil von Toledo (446) gemachten Zusatz fllio-
qdue zum Konstantinopolitanischen Glaubens-
bekenntnis s. Hefele, Konziliengeschichte II 306 f;
III 114 f. Weiter betätigt der Papst sein Lehr-
amt in Verwerfung von Irrtümern gegen den
Glauben und in Zensurierung von Büchern; denn
Aufgabe des obersten Lehramtes ist es auch, dar-
über zu wachen, daß der Glaube unverfälscht be-
wahrtbleibe und daher gegen Irrtümer sicher gestellt
werde. Die Kongregationen des Heiligen Offi=
ziums und des Index sind daher ein Ausfluß des
kirchlichen Lehramtes. Ein Irrtum wird nicht
immer als häretisch verworfen; das kirchliche Lehr-
amt verhängt auch geringere Zensuren, indem es
Lehrmeinungen zurückweist als sententia erronea,
haeresi proxima, de haeresi suspecta, haere-
sim sapiens, piarum aurium offensiva, scan-
Lehramt, kirchliches.
778
dalosa, temeraria usw. (vgl. Denzinger-Bann-
wart, Enchirid. 402 ff u. passim). Solche Sätze
dürfen nicht mehr gelehrt werden. Wer einen vom
Apostolischen Stuhl unter der Strafe der excom-
municatio latae sententiae verworfenen Satz
öffentlich oder privatim lehrt oder verteidigt, ver-
fällt nach dem von Pius IX. eingeführten Recht
der dem Papste reservierten excommunicatio
latae sententiae (Konst. Apostolicae Sedis
vom 12."Okt. 1869, cap. 2, n. 1). Auch die Er-
richtung von theologischen Fakultäten
und Lehranstalten, die Aussicht über den
Unterricht an denselben, ge Begabung mit dem
Recht, die akademischen Grade zu verleihen, ist
Sache des obersten Lehramtes. Ferner gehört hier-
her die Approbation von Ordensregeln
und die Kanonisation der Heiligen, in-
soweit das Lehramt entscheidet, ob die vorgelegten
Regeln bzw. der Lebensverlauf den Grundsätzen
des Glaubens über die christliche Vollkommenheit
entsprechen. Auch für die Verbreitung des
Glaubens, für die Missionierung der Un-
gläubigen hat der Papst kraft seiner höchsten Lehr-
befugnis Sorge zu tragen; der dieserhalb ein-
gesetzten Kongregation der Propaganda obliegt
die Aussendung von Glaubensboten, die Errich-
tung und Leitung von Missionsanstalten und die
Verwaltung der kirchlichen Missionsgebiete.
Da die Unfehlbarkeit des Papstes die nämliche
ist, qua divinus Redemptor Ecclesiam suam
in definienda doctrina vel moribus instructam
esse voluit (Conc. Vatic., Coll. Lac. VII 487),
erstreckt sich seine Unfehlbarkeit ebensoweit wie die
Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes überhaupt
(Näheres s. im Art. Papst). Ohne Zweifel aber ist
die Lehrgewalt des Papstes nicht beschränkt auf
die Entscheidung ex cathedra. Kraft seines Amtes
belehrt er auch in Enzykliken und Allokutionen, in
Schreiben an ganze Kirchenprovinzen wie an ein-
zelne Bischöfe usw. über wichtige Fragen, ent-
scheidet über Lehrstreitigkeiten, erteilt Unterwei-
sungen über Predigt und Religionsunterricht usw.
Die Verpflichtung solchen Außerungen des Lehr-
amtes wie auch den Entscheidungen der Kongre-
gationen gegenüber ist nach Form und Inhalt
derselben verschieden; niemals aber wird un-
bedingte Unterwerfung gefordert, da sie nicht irre-
formabel sind.
2. Der mit dem Papste als seinem Haupt in
der Einheit des Glaubens und Gehorsams ver-
bundene Gesamtepiskopat ist gleichfalls der
ganzen Kirche gegenüber mit dem unfehlbaren
Lehramte betraut. Die Gesamtheit der Bischöfe
übt dieses Lehramt sowohl in der ordentlichen und
täglichen Lehrverkündigung durch Predigt und
christlichen Unterricht als auch auf den ökumeni-
schen Konzilien durch feierliche Glaubensurteile.
Solche Lehrentscheidungen der allgemeinen Kirchen-
versammlungen sind zwar keine absolut notwendige
Außerung des Lehramtes der Kirche, sie erscheinen
aber als die feierlichste und nachdrücklichste Form