Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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erfüllen die Bischöfe, indem sie gewöhnlich bei Be- 
ginn der Fastenzeit sowie bei außergewöhnlichen 
Anlässen an ihre Untergebenen Hirtenbriefe richten, 
die in allen Kirchen der Diözese verlesen werden. 
Auch bei Firmungs= und Visitationsreisen pflegen 
sie vielfach den Gläubigen das Wort Gottes zu 
verkünden. Da es aber wegen der großen Aus- 
dehnung der Diözesen und der vielen Verwal- 
tungsarbeiten heutzutage den Bischöfen unmöglich 
ist, der Pflicht des Unterrichts und der Predigt 
in weitgehendem Maße persönlich nachzukommen, 
müssen sie andere bestimmen, die an ihrer Stelle 
und in ihrem Auftrage das Wort Gottes von den 
Kanzeln verkünden und in den Schulen lehren. 
Nach göttlichem Recht steht der gesamte religiöse 
Unterricht seiner Diözesanen dem Bischofe zu; es 
kann mithin an und für sich kein Priester und 
kein Laie, mögen sie wissenschaftlich und methodisch 
noch so gut vorgebildet sein, denselben erteilen, 
ohne vom Bischof dazu beauftragt und bevoll- 
mächtigt zu sein. Dieses Auftrags für den Unter- 
richt in religiösen Dingen bedarf der Volks- 
schullehrer ebenso wie der Priester, der einfache 
Religionslehrer ebenso wie der Universitätspro- 
fessor. Diese Vollmacht ist die missio cano- 
nica, die demnach ein Ausfluß aus dem von 
Christus eingesetzten kirchlichen Lehramte ist. 
Von der heutigen Staatsgesetzgebung 
wird das kirchliche Lehramt mehr oder weniger an- 
erkannt. Es bleibt ihm überlassen, die Glaubens- 
lehre festzustellen, Irrtümer zu verwerfen, die Re- 
ligionslehrer vorzuschlagen oder zu bestellen usw. 
Die Ausübung des Lehramtes kann in allen 
Staaten, in denen die Kirche öffentlich anerkannte 
Religionsgesellschaft ist, in den zur Vornahme 
gottesdienstlicher Handlungen bestimmten Ge- 
bäuden erfolgen; die Störung wird strafrechtlich 
verfolgt. Anderseits wird da und dort, allerdings 
in verschiedenem Umfange, an dem jus placeti, 
das u. a. selbst für dogmatische Erlasse des Papstes 
und der Bischöfe vor der Veröffentlichung die Ge- 
nehmigung der Staatsbehörde fordert, bis heute 
festgehalten, z. B. in Bayern, Sachsen, Württem- 
berg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar, Braun- 
schweig, Sachsen-Koburg-Gotha und in einigen 
Kantonen der Schweiz. 
III. Missio canonica. 1. Unter der missio 
Canonica versteht man die kirchliche Sendung oder 
Bevollmächtigung, die nach göttlichem und kirch- 
lichem Recht zur öffentlichen, d. i. im Namen der 
Kirche geschehenden Unterweisung in der katholi- 
schen Glaubenslehre notwendig ist. Um in der Reli- 
gion unterrichten zu können, genügt also nicht die 
Befähigung zu einem solchen Unterricht allein, 
die vielmehr nur eine Vorbedingung zur missio 
canonica ist; diese selbst aber ist ein Akt kirch- 
licher Jurisdiktionsgewalt, durch welchen die Be- 
fugnis zur Ausübung eines Lehramtes übertragen 
wird. Hier muß jedoch das private Lehren vom 
amtlichen wohl unterschieden werden. Auch die 
Eltern unterrichten die Kinder in den religiösen 
Lehramt, kirchliches. 
  
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Wahrheiten, ohne irgendwelcher missio zu be- 
dürfen; es ist dies eben ein durchaus privater 
Unterricht, zu dem es einer kirchlichen Sendung 
nicht bedarf. Der amtliche Unterricht aber kann 
nur auf Grund der missio canonica erteilt wer- 
den. Ob dieser Unterricht in populärer oder wis- 
senschaftlicher Form, in Volksschulen, Gymnasien 
oder an Universitäten, in der Kirche oder im Schul- 
raume erteilt wird, ist gleichgültig; für jeden der- 
artigen Unterricht, für jedes theologische Lehramt 
ist die missio canonica notwendig. 
2. Diese Notwendigkeit ergibt sich, wie schon 
gesagt wurde, aus der Einsetzung des kirchlichen 
Lehramtes und ward wiederholt von der Kirche 
ausgesprochen. Wenn in der älteren kirchlichen 
Gesetzgebung die missio canonica nicht genannt 
wird, so hat dies darin seinen Grund, daß früher 
der gesamte Unterricht in den Händen der Kirche 
lag, so daß in der Anstellung auch der Lehrauftrag 
enthalten war. Je mehr aber der Kirche der all- 
gemeine Unterricht genommen ward, desto mehr 
betonte sie die Notwendigkeit, daß alle Lehrer der 
Religion ihren Lehrauftrag, ihre Lehrbefugnis von 
ihr erhalten müßten. 
Innozenz III. bestimmte: Quia nonnulli sub 
specie pietatis virtutum eius (iuxta quod 
Apostolus ait) abnegantes auctoritatem sibi 
vindicant praedicandi, cum idem Apostolus 
(2 Tim. 3; ad Rom. 10) dicat: „Quomodo 
praedicabunt nisi mittantur?" omnes qui pro- 
hibiti vel non missi praeter auctoritatem ab 
Apostolica Sede vel catholico episcopo loci 
susceptam publice vel privatim praedicatio- 
nis officium usurpare praesumpserint, er- 
communicationis vinculo innodentur. Das 
Konzil von Konstanz (1415) verurteilte den Wi- 
clisschen Satz: Licet alicui diacono vel presby- 
tero praedicare verbum Dei absque auctori- 
tate Sedis Apostolicae vel episcopi catholici 
(ogl. Hefele, Konziliengeschichte VII 117; Bulle 
Martins V. Inter cunctas bei Mansi XXVII 
1204, 1208). Das Konzil von Trient aber de- 
finierte: Si quis dixerit . eos, qui nec ab 
ecclesiastica et canonica potestate rite ordi- 
nati nec missi sunt, sed aliunde veniunt, 
legitimos esse verbi et sacramentorum mi- 
nistros, anathema sit (Sess. XXIII de sacram. 
ordinis can. 7). Pius IV. schrieb in seiner Kon- 
stitution In sacrosancta vom 10. Nov. 1564 den 
Lehrern in quibusvis studiorum generalium 
universitatibus aut gymnaslüis publicis aut 
alibi die Ablegung des Tridentinischen Glaubens- 
bekenntnisses vor dem Bischof oder dessen Stell- 
vertreter vor. Partikularsynoden des 16. und 
17. Jahrh. forderten auch von Volksschullehrern, 
daß sie vor der Zulassung zur Lehrtätigkeit das 
Glaubensbekenntnis in die Hände des Bischofs 
oder eines von diesem Bevollmächtigten ablegten. 
Mit Recht beruft sich daher die Denkschrift des 
preußischen Episkopates von 1849 darauf, daß 
schon im 17. Jahrh. für die Lehrer zur öffentlichen
	        
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