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erfüllen die Bischöfe, indem sie gewöhnlich bei Be-
ginn der Fastenzeit sowie bei außergewöhnlichen
Anlässen an ihre Untergebenen Hirtenbriefe richten,
die in allen Kirchen der Diözese verlesen werden.
Auch bei Firmungs= und Visitationsreisen pflegen
sie vielfach den Gläubigen das Wort Gottes zu
verkünden. Da es aber wegen der großen Aus-
dehnung der Diözesen und der vielen Verwal-
tungsarbeiten heutzutage den Bischöfen unmöglich
ist, der Pflicht des Unterrichts und der Predigt
in weitgehendem Maße persönlich nachzukommen,
müssen sie andere bestimmen, die an ihrer Stelle
und in ihrem Auftrage das Wort Gottes von den
Kanzeln verkünden und in den Schulen lehren.
Nach göttlichem Recht steht der gesamte religiöse
Unterricht seiner Diözesanen dem Bischofe zu; es
kann mithin an und für sich kein Priester und
kein Laie, mögen sie wissenschaftlich und methodisch
noch so gut vorgebildet sein, denselben erteilen,
ohne vom Bischof dazu beauftragt und bevoll-
mächtigt zu sein. Dieses Auftrags für den Unter-
richt in religiösen Dingen bedarf der Volks-
schullehrer ebenso wie der Priester, der einfache
Religionslehrer ebenso wie der Universitätspro-
fessor. Diese Vollmacht ist die missio cano-
nica, die demnach ein Ausfluß aus dem von
Christus eingesetzten kirchlichen Lehramte ist.
Von der heutigen Staatsgesetzgebung
wird das kirchliche Lehramt mehr oder weniger an-
erkannt. Es bleibt ihm überlassen, die Glaubens-
lehre festzustellen, Irrtümer zu verwerfen, die Re-
ligionslehrer vorzuschlagen oder zu bestellen usw.
Die Ausübung des Lehramtes kann in allen
Staaten, in denen die Kirche öffentlich anerkannte
Religionsgesellschaft ist, in den zur Vornahme
gottesdienstlicher Handlungen bestimmten Ge-
bäuden erfolgen; die Störung wird strafrechtlich
verfolgt. Anderseits wird da und dort, allerdings
in verschiedenem Umfange, an dem jus placeti,
das u. a. selbst für dogmatische Erlasse des Papstes
und der Bischöfe vor der Veröffentlichung die Ge-
nehmigung der Staatsbehörde fordert, bis heute
festgehalten, z. B. in Bayern, Sachsen, Württem-
berg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar, Braun-
schweig, Sachsen-Koburg-Gotha und in einigen
Kantonen der Schweiz.
III. Missio canonica. 1. Unter der missio
Canonica versteht man die kirchliche Sendung oder
Bevollmächtigung, die nach göttlichem und kirch-
lichem Recht zur öffentlichen, d. i. im Namen der
Kirche geschehenden Unterweisung in der katholi-
schen Glaubenslehre notwendig ist. Um in der Reli-
gion unterrichten zu können, genügt also nicht die
Befähigung zu einem solchen Unterricht allein,
die vielmehr nur eine Vorbedingung zur missio
canonica ist; diese selbst aber ist ein Akt kirch-
licher Jurisdiktionsgewalt, durch welchen die Be-
fugnis zur Ausübung eines Lehramtes übertragen
wird. Hier muß jedoch das private Lehren vom
amtlichen wohl unterschieden werden. Auch die
Eltern unterrichten die Kinder in den religiösen
Lehramt, kirchliches.
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Wahrheiten, ohne irgendwelcher missio zu be-
dürfen; es ist dies eben ein durchaus privater
Unterricht, zu dem es einer kirchlichen Sendung
nicht bedarf. Der amtliche Unterricht aber kann
nur auf Grund der missio canonica erteilt wer-
den. Ob dieser Unterricht in populärer oder wis-
senschaftlicher Form, in Volksschulen, Gymnasien
oder an Universitäten, in der Kirche oder im Schul-
raume erteilt wird, ist gleichgültig; für jeden der-
artigen Unterricht, für jedes theologische Lehramt
ist die missio canonica notwendig.
2. Diese Notwendigkeit ergibt sich, wie schon
gesagt wurde, aus der Einsetzung des kirchlichen
Lehramtes und ward wiederholt von der Kirche
ausgesprochen. Wenn in der älteren kirchlichen
Gesetzgebung die missio canonica nicht genannt
wird, so hat dies darin seinen Grund, daß früher
der gesamte Unterricht in den Händen der Kirche
lag, so daß in der Anstellung auch der Lehrauftrag
enthalten war. Je mehr aber der Kirche der all-
gemeine Unterricht genommen ward, desto mehr
betonte sie die Notwendigkeit, daß alle Lehrer der
Religion ihren Lehrauftrag, ihre Lehrbefugnis von
ihr erhalten müßten.
Innozenz III. bestimmte: Quia nonnulli sub
specie pietatis virtutum eius (iuxta quod
Apostolus ait) abnegantes auctoritatem sibi
vindicant praedicandi, cum idem Apostolus
(2 Tim. 3; ad Rom. 10) dicat: „Quomodo
praedicabunt nisi mittantur?" omnes qui pro-
hibiti vel non missi praeter auctoritatem ab
Apostolica Sede vel catholico episcopo loci
susceptam publice vel privatim praedicatio-
nis officium usurpare praesumpserint, er-
communicationis vinculo innodentur. Das
Konzil von Konstanz (1415) verurteilte den Wi-
clisschen Satz: Licet alicui diacono vel presby-
tero praedicare verbum Dei absque auctori-
tate Sedis Apostolicae vel episcopi catholici
(ogl. Hefele, Konziliengeschichte VII 117; Bulle
Martins V. Inter cunctas bei Mansi XXVII
1204, 1208). Das Konzil von Trient aber de-
finierte: Si quis dixerit . eos, qui nec ab
ecclesiastica et canonica potestate rite ordi-
nati nec missi sunt, sed aliunde veniunt,
legitimos esse verbi et sacramentorum mi-
nistros, anathema sit (Sess. XXIII de sacram.
ordinis can. 7). Pius IV. schrieb in seiner Kon-
stitution In sacrosancta vom 10. Nov. 1564 den
Lehrern in quibusvis studiorum generalium
universitatibus aut gymnaslüis publicis aut
alibi die Ablegung des Tridentinischen Glaubens-
bekenntnisses vor dem Bischof oder dessen Stell-
vertreter vor. Partikularsynoden des 16. und
17. Jahrh. forderten auch von Volksschullehrern,
daß sie vor der Zulassung zur Lehrtätigkeit das
Glaubensbekenntnis in die Hände des Bischofs
oder eines von diesem Bevollmächtigten ablegten.
Mit Recht beruft sich daher die Denkschrift des
preußischen Episkopates von 1849 darauf, daß
schon im 17. Jahrh. für die Lehrer zur öffentlichen