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Kirchenrecht XVIII (1908) 349 ff; Hellmuth, Dif-
sertation (Würzb. 1908); Schneemann, Die kirchl.
Lehrgewalt (1868); Andries, Cathedra Romana
oder der apostol. Lehrprimat (1872); Heinze, Das
Lehramt in der kath. Kirche u. der päpstl. primatus
iurisdictionis (1876); Jansen, De k(acultate do-
cendi (Brüssel 1885); Scherer, Handb. des Kirchen-
rechts II (1898) 1ff; Hinschius, Kirchenrecht IV
(1888) 432 ff; Sägmüller, Lehrb. des kath. Kirchen-
rechts (21909) 457 ff; Heiner, Kath. Kirchenrecht J
(21909) 235 ff 297f; weitere Literatur s. in Gla,
Repertorium der kath.-theol. Literatur I, 2 (1904),
555 ff. LJos. Schutlte.]
Lehrlings-z und Gesellenwesen.
I. Lehrlingswesen. 1. Geschichtlicher Umriß.
Geschichtliche Urkunden, welche Aufschluß über das
Lehrlingswesen der Urzeit geben, fehlen uns. Die
erste Ausbildung von Lehrlingen hängt zweifels-
ohne mit der Notwendigkeit der Erzeugung von
Gebrauchsgegenständen zusammen; sie ist in der
Urzelle der Gesellschaft, in der Familie, zu suchen,
als mit zunehmendem Fortschreiten der Bedarfs-
deckung und der Arbeitsteilung sich die manuelle
Tätigkeit bis zu einem gewissen Grade von Kunst-
fertigkeit schon entwickelt hatte. Erst von da ab
kann man füglicherweise von der Ausbildung von
Personen (vornehmlich Familienangehörigen und
Sklaven) reden, denen die auf autodidaktischem
Wege gewonnene Kenntnis von Handgriffen bei-
gebracht worden ist. Die Familie oder der Stamm
(die Sippschaft) ist wahrscheinlich zum größten
Teile bis tief in die christliche Zeitrechnung hinein
Träger der Heranbildung des Nachwuchses ge-
wesen und hat die von den Vorfahren erlernten
Handfertigkeiten an ihre Nachkommen weiter-
vererbt und dadurch die Familienglieder in einer
traditionellen Technik geschult und zu erhalten ge-
sucht. Die Ausbildung des Nachwuchses blieb
eine individuelle. Auch die Gesetze der Kultur-
staaten des klassischen Altertums geben uns kein
genaues Bild von der Heranbildung des gewerb-
lichen Nachwuchses; denn die Gewerbeverfassung
war (speziell im alten Hellas und Rom) eine rein
individualistische; der Staat stellte keine Normen
für Gründung und Betrieb gewerblicher Unter-
nehmungen auf; nur insoweit das Staatswohl
es erforderte, zwang er dem Nachwuchs der Ge-
werbetreibenden die Erlernung des Handwerks der
Vorfahren auf und schuf damit Kasten der Ge-
werbetreibenden, z. B. der Fleischer im alten Rom.
In Deutschland finden sich schon sehr früh
Handwerker, welche entweder als Freie gewerbs-
mäßig Handwerkserzeugnisse herstellten oder als
Unfreie für ihren Herrn arbeiteten. Im 6. und
7. Jahrh. sind schon Werkstätten von Töpfern,
Waffenschmieden, Edelmetallarbeitern, Webern
usw. vorhanden; naturnotwendig wurden auch
hier Lehrlinge in der Kunst unterrichtet.
Eigentliche Lehrwerkstätten, in denen zuerst
svstematisch und unabhängig von dem Berufe und
der individuellen Fertigkeit der Vorfahren Hand-
werkerlehrlinge allgemein herangebildet wurden,
Lehrlings= und Gesellenwesen.
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sind hauptsächlich erst von den Klöstern seit
Mitte des 8. Jahrh. geschaffen worden. Erst von
hier ab läßt sich die Heranbildung des gewerb-
lichen Nachwuchses genauer verfolgen. Sie nimmt
ihre Fortsetzung und ihren Ausbau auf den könig-
lichen Pfalzen durch Verordnung Karls d. Gr.
von 812 über die Haltung von Handwerkern,
sodann auf den Gutshöfen des Mittelalters und
nach Sprengung der Gutsherrschaft in den Einzel-
wirtschaften. Mit dem Emporblühen der Städte
schloß sich das Handwerk nach und nach in den
Zünften usw. zusammen, und von da ab beginnt
das Lehrlingswesen sich in geregelteren, durch die
Autonomie der Zünfte festgesetzten Normen zu be-
wegen. Die Zunft greift jetzt zwar in den freien
Willen der Individuen ein, aber sie bewährt sich
auch als Erzieherin auf moralischem Gebiete.
Wenn das Lehrlings= und Gesellenwesen auch von
vornherein von UÜbertreibungen nicht frei und mit
manchem Formelkram verbunden war, so hatte
diese eigentümliche Schule, die jeder über sich er-
gehen lassen mußte, doch auch unverkennbar ihre
wohltätigen Folgen. Die Aufnahme eines Knaben
zur Erlernung eines Handwerks war vor allem
abhängig von ehelicher Geburt. Vor Beginn der
Lehre mußte eine Probezeit bis zu vier Wochen
zurückgelegt werden. Hierauf erfolgte bei offener
Lade unter Beobachtung gewisser Feierlichkeiten
in Anwesenheit aller Mitglieder der Zunft die
Aufdingung. Der Name des Lehrlings ward in
das Protokollbuch eingetragen, wofür eine kleine
Gebühr zu entrichten war. Der Lehrling stand
unter der Zucht des Meisters sowie der Kontrolle:
des Zunftmeisters und Altgesellen hinsichtlich seiner
technischen Ausbildung und sittlichen Erziehung;
er schlief im Hause des Meisters und aß an dessen
Tische. — Die Dauer der Lehrzeit war von den
verschiedenen Zünften sehr verschieden reguliert;
sie schwankte zwischen zwei und sechs Jahren; die
Pflichten des Lehrherrn gegenüber dem Lehrling
bestanden neben väterlicher Fürsorge in tüchtiger
technischer Ausbildung und sittlicher Erziehung,
die des Lehrlings in Beobachtung sittlichen Lebens-
wandels sowie in treuer Pflichterfüllung und Ge-
fügsamkeit unter die Botmäßigkeit des Meisters.
Nach Beendigung der Lehrzeit erfolgte ebenfalls
unter Beobachtung gewisser Feierlichkeiten die
Lossprechung und die Ausstellung eines Lehr-
briefes.
Vor Antritt der Wanderschaft mußte aber der
neue Geselle noch eine mitunter etwas harte Pro-
zedur durchmachen. Wenngleich er von Rechts
wegen durch die Zustimmung der Meister Geselle
geworden war, so war er es noch nicht nach Hand-
werksgewohnheit und Brauch. Er mußte sich viel-
mehr an die Gesellenbrüderschaft wenden und um
Aufnahme bitten, die unter allerlei Scherzen und
Lächerlichkeiten gewährt wurde; aber man wahrte
dabei den Ernst der Situation in mancherlei
Reden, die dem Gesellen zur Richtschnur für sein
künftiges Verhalten werden sollten.