Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Ausfuhrartikel sind Piassave, Palmöl, Palmnüsse, 
Kaffee, Zucker, Kautschuk, Ingwer, Indigo, Elfen- 
bein, Rotholz, Häute, Arrowroot; eingeführt 
werden Lebensmittel, Baumwollwaren, Eisen- 
waren, Tabak, geistige Getränke, Schuhe usw., 
wovon in den Häfen Monrovia, Grand Bassa 
und Riverceß, Maryland, Sinoe, Grand Cape 
Mount Eingangszölle erhoben werden. Die Zahl 
der eingelaufenen Schiffe deutsche, englische, fran- 
zösische und spanische Linien) belief sich 1907 auf 
385 mit 727 067 Registertonnen. Durch ein in 
der Tagung 1908/09 angenommenes Gesetz wird 
auch das Innere des Landes für den fremden 
Handel geöffnet, doch dürfen nur solche Firmen, 
die auch in einem offenen Eingangshafen eine 
Niederlassung haben, im Innern (gegen Zahlung 
einer Lizenz) Handel treiben. Für Streitigkeiten, 
die aus der Ausübung des Handels im Innern 
entstehen, sind ausschließlich die liberianischen Ge- 
richte zuständig. Seit 1879 gehört Liberia dem 
internationalen Postverband an; das deutsch-süd- 
amerikanische Kabel soll in Monrovia gelandet 
werden. An Münzen laufen meist englische um, 
Rechnungen werden gewöhnlich in amerikanischer 
Währung ausgestellt; die Republik selbst prägt 
50-, 25= und 10-Centsstücke in Silber, 2= und 
1-Centsstücke in Bronze. Maße und Gewichte 
sind im allgemeinen die englischen. "% 
3. Staatswesen. Die nach amerikanischem 
Muster gebildete Verfassung vom 26. Juli 1847 
verbietet jede Art von Sklavenhandel und See- 
räuberei und garantiert Versammlungsrecht sowie 
Rede= und Preßfreiheit. Nur „Farbige“ können 
Bürger der Republik werden; doch ist den Weißen. 
gestattet, sich im Lande niederzulassen und Handel 
zu treiben. Verträge sind abgeschlossen mit dem 
  
  
Liberia. 
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Senates ist. Die gesetzgebende Gewalt wird durch 
ein Parlament mit zwei Kammern ausgeübt. Der 
Senat besteht aus 8 auf 4 Jahre gewählten Mit- 
gliedern, das Repräsentantenhaus aus 13 auf 
2 Jahre berufenen Abgeordneten. Jede der vier 
Grafschaften entsendet 2 Senatoren; jede Ver- 
mehrung der Bevölkerung um 10 000 Einwohner 
gibt das Anrecht auf einen neuen Deputierten für 
die Zweite Kammer. Auch alle öffentlichen Amter 
werden durch Wahlen besetzt, die sich von 2 zu 
2 Jahren erneuern. Wähler ist jeder 21 Jahre 
alter Staatsbürger, der mit 30 Jahren wählbar 
wird. — Zentralbehörden sind außer dem Staats- 
departement: das Schatzdepartement mit je einem 
Kontrolleur, Auditor und Schatzmeister, der At- 
torney-General, der General-Postmeister, der 
Oberrichter und je ein Sekretär für Inneres, Krieg 
und Marine, Schule und Unterricht. Ein oberster 
Gerichtshof tritt jährlich einmal in Monrovia zu- 
sammen; außerdem bestehen Distriktsgerichte, die 
monatlich oder vierteljährlich ihre Sitzungen halten, 
und ein Gerichtshof zur Prüfung von Testamenten 
(probate court), der sich alle Monate versammelt. 
Die Republik zerfällt in vier Grafschaften: Mont- 
serrado, Grand Bassa, Sino und Maryland oder 
Kap Palmas; diese sind wieder in Towuships 
eingeteilt, deren Geschäfte selbstgewählte Beamte 
besorgen. Offizielle und Umgangssprache ist das 
Englische. 
Die Bewohner Liberias gehören ihrer großen 
Mehrzahl nach dem Islam und dem Heidentum 
an. Die Verfassung trennt die Kirche vom Staate 
und duldet alle Bekenntnisse in gleicher Weise. 
Die wenigen Katholiken stehen unter der Aposto- 
lischen Präfektur Liberia, welche am 18. April 
1903 von dem Apostolischen Vikariat Sierra Leone 
Deutschen Reiche (vertreten durch einen Konsul in abgezweigt und 1906 dem Lyoner Missionsseminar 
Monrovia, zugleich Konsul für Sierra Leone und anvertraut wurde (eine Missionsstation unter den 
die französische Elfenbeinküste), Großbritannien, Gola im Hinterland des Little Cap Mount). 
Frankreich, Belgien, Dänemark, Italien, den Ver= Protestantische Missionen der amerikanischen Epi- 
einigten Staaten von Amerika, den Niederlanden, skopalkirche, der Methodisten, Baptisten u. a. sind 
Schweden und Norwegen, Osterreich = Ungarn, schon seil 1833 hier tätig, haben aber noch keine 
Halti und Spanien. An der Spitze der Republik nennenswerten Erfolge erzielt (etwa 7500 Kom- 
steht ein auf 4 Jahre gewählter Präsident, in munikanten); „regelmäßig wiederkehrende Feld- 
dessen Händen sich die Exekutivgewalt befindet; gottesdienste dienen zu künstlicher Erzeugung von 
jedoch holt er in wichtigen Angelegenheiten die periodischen Erweckungen und werden etwa wie 
Ansicht oder (wie bei Verträgen) die Zustimmung eine europäische Kirmes besucht“ (Gundert). Für 
des Senates ein, dem die Funktionen eines Staats= das Schulwesen besteht zwar ein Staatssekretariat, 
rats übertragen sind. Der Präsident bestätigt doch ist der Unterricht großenteils der Privattätig- 
ferner die Beschlüsse des Repräsentantenhauses; keit, besonders den Missionsgesellschaften, über- 
billigt er sie nicht, so gehen sie mit seinen Vor- # lassen; so verwendet auch die New Vork State 
schlägen an diese Versammlung zurück, die als= Colonisation Society, welche grundsätzlich keine 
dann mit Zweidrittelmajorität über ihre Annahme schwarzen Kolonisten mehr nach Liberia sendet, 
zu entscheiden hat. Für besondere Verdienste um ihre Tätigkeit und Mittel besonders auf diesem 
die Republik verleiht er den Orden der „Afrika= Gebiete. Der staatliche Volksschulunterricht ist 
nischen Befreiung“, der am 13. Jan. 1879 durch verfassungsmäßig unentgeltlich; es bestehen etwa 
die gesetzgebende Versammlung gestiftet wurde. 100 staatliche Elementarschulen, 85 Missions- 
  
Im Falle der Abwesenheit oder des Todes des 
Präsidenten werden seine Befugnisse von einem 
ebenfalls auf 4 Jahre ernannten Vizepräsidenten 
wahrgenommen, der zugleich Vorsitzender des 
schulen, 3 Mittelschulen (1 staatlich). Von den 
6 periodischen Veröffentlichungen sind zu nennen 
The Liberia Recorder und die Liberia Gazette 
in Monrovia.
	        
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