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kehrswege (90 km unter der Landesverwaltung
stehende Straßen, 40 km Gemeindewege) sind gut
gepflegt; die von Feldberg nach Buchs-Werden-
berg im Kanton St Gallen führende Bahnstrecke
durchschneidet den nördlichen Teil des Ländchens
in einer Länge von 8 km. Die Post= (5 Amter),
Telegraphen= und Telephonverwaltung wird von
Osterreich wahrgenommen; Maße und Gewichte
sind die metrischen. Seit 1900 ist die Kronen-
währung ausschließlich gesetzliche Landeswährung;
neben den eignen Gold= (20= und 10-Kronen)
und Silbermünzen (5= und 1-Kronenstücke) zir-
kulieren die österreichischen und ungarischen Kronen-
währungsmünzen.
3. Staatswesen. Die konstitutionell-mon-
archische Verfassung beruht auf der Urkunde vom
26. Sept. 1862, die am 19. Febr. 1878, 29. Dez.
1895 und 11. Okt. 1901 teilweise abgeändert
wurde. Der Fürst, dessen Thron im Mannes-
stamme des fürstlich liechtensteinschen Hauses (pri-
mog.) erblich ist, bekennt sich zur katholischen Kirche
und führt den Titel: Souveräner Fürst und Re-
gierer des Hauses von und zu Liechtenstein, Herzog
zu Troppau und Jägerndorf, Graf zu Rietberg,
Durchlaucht. Er residiert in Wien und beansprucht
keine Zivilliste, da er von seinen reichen Mediat-
besitzungen in Osterreich, Preußen und Sachsen
(an 5800 qkm) sehr hohe Einkünfte bezieht. Das
Wappen besteht aus einem quadrierten Schilde
mit eingepfropfter Spitze, die im blauen Felde
ein goldenes Jagdhorn (wegen Jägerndorf) trägt,
und einem von Gold und Rot (Liechtenstein) ge-
teilten Herzschilde (Stammwappen). Die Landes-
farben sind Blau-Rot, die Hausfarben Gold-Rot.
— Die Gesetzgebung übt der Fürst unter Mit-
wirkung eines ordentlicherweise jährlich einmal,
spätestens in der zweiten Hälfte des Oktober zu
versammelnden Landtages aus, dem das Recht der
Initiative und der Präsidentenwahl gewährleistet
ist. Er besteht aus 3 vom Fürsten und 12 (7 vom
Ober-, 5 vom Unterlande) durch indirekte Wahlen
auf 4 Jahre berufenen Mitgliedern, welche Diäten
beziehen, und 5 Ersatzmännern; aktiv und passiv
wahlberechtigt sind alle über 24 Jahre alten männ-
lichen Landesangehörigen, die im Vollgenuß der
bürgerlichen Rechte stehen und im Fürstentum
wohnen. Die Beteiligung an der Wahl der Wahl-
männer (je 2 auf 100 Seelen) ist obligatorisch —
Das Land zerfällt in die obere (südliche) Herrschaft
Vaduz jetzt Liechtenstein genannt, und in die untere
(nördliche) Herrschaft Schellenberg mit zusammen
11 Gemeinden (16 Ortschaften). Oberste Ver-
waltungsbehörde ist die fürstliche Regierung in
Vaduz, deren Chef, der fürstliche Landesverweser,
Ministerverantwortlichkeit besitzt (Verordnung vom
31. Mai 1871); ihm sind 2 vom Fürsten aus
der wahlfähigen Bevölkerung für je 6 Jahre er-
nannte Landräte, 2 Landratsstellvertreter und
1 Regierungssekretär beigegeben. Die Finanzver-
waltung ist der österreichischen Finanzbehörde in
Feldkirch zugeteilt. Der fürstliche Grundbesitz fällt
Lippe.
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in das Ressort der Domänenverwaltung, welche
die fürstliche Hofkanzlei in Wien wahrnimmt; dort
befindet sich auch die fürstliche politische Rekurs-
instanz, die über Berufungen in Verwaltungs-
angelegenheiten entscheidet. — Die Rechtspflege
übt in erster Instanz das Landgericht in Vaduz,
in zweiter das fürstliche Appellationsgericht in
Wien, in dritter das k. u. k. Oberlandesgericht in
Innsbruck (Vertrag vom 19. Jan. 1884). Die
in Liechtenstein geltenden Justizgesetze zivil= und
strafrechtlichen Inhalts sind in fast allen wesent-
lichen Punkten mit den österreichischen identisch.
In kirchlicher Beziehung gehört Liechtenstein
zur Diözese Chur; es bildet ein Diözesankapitel
mit einem bischöflichen Landesvikar an der Spitze
und umfaßt 10 Pfarrsprengel mit 14 Weltpriestern,
1 Ordenspriester und 3 weiblichen religiösen Ge-
nossenschaften. Die Schulangelegenheiten leitet
ein Landesschulrat; in jeder Gemeinde besteht ein
Gemeindeschulrat. Über den Volksschulunterricht
hinausgehende Bildung vermitteln 2 Unterreal-
schulen und 1 höhere Privatlehranstalt für Mäd-
chen (von Schwestern der christlichen Liebe geleitet).
— Die Staatsrechnung für das Jahr 1907 zeigte
544 870 K in der Einnahme und 493212 K in
der Ausgabe. Rücksichtlich der Zolleinnahmen, der
Verzehrungssteuer, des Tabak= und Salzmono-
pols bildet das Fürstentum mit dem österreichischen
Kronlande Vorarlberg auf Grund der Zolleinigung
von 1852, des Staatsvertrages vom 3. Dez. 1876
und der Additionalkonvention vom 27. Nov. 1888
ein gemeinschaftliches Zoll= und Steuergebiet und
erhält von Osterreich jährlich einen Minimalbetrag
von 40 000 K. Die Staatsschuld ist getilgt. —
Mit Militärausgaben ist der Landesfonds nicht
belastet, da seit 1868 das liechtensteinsche Kon-
tingent aufgelöst und die Bevölkerung von der
Wehrpflicht entbunden ist.
Literatur. Falke, Geschichte des fürstlichen
Hauses L. (3 Bde, 1868/82); Eggenberger, Das
Fürstentum L. (1889); Umlauft, Das Fürstentum
L. (1891); Büchel, Geschichte des Gebietes des heu-
tigen Fürstentums L. (1894); Rheinberger, Landes-
kunde des Fürstentums L. (/1898); Kraetzl, Das
Fürstentum L. und der gesamte Fürst Johann von
u. zu L.sche Güterbesitz (71903); Heer, Voralberg
u. L. (1906); v. In der Maur, Art. „L.“ im Öster-
reichischen Staatswörterbuch III (21907; mit Bi-
bliographie). IFranz, rev. Lins.)
Lippe. 1. Geschichte. Lippe, Fürstentum
und Bundesstaat des Deutschen Reiches (die land-
läufige Bezeichnung Lippe-Detmold ist unrichtig),
ist aus der reichsunmittelbaren Herrschaft der
„Herren von der Lippe“ hervorgegangen, deren
Stammvater Bernhard I. (1123/58)an der oberen
Lippe ansässig war und um 1150 die Grafschaft
Haholt mit den Orten Lemgo, Detmold und
Sassenburg erwarb. Bernhard II. gründete die
Stadt zur Lippe, das heutige Lippstadt; seine
Nachfolger erwarben die Herrschaft Rheda, den
Mitbesitz (mit Paderborn) der Grafschaften Schwa-
lenberg, Oldenburg und Stoppelberg (1358),