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judenschaft“ die Rechte einer juristischen Person.
Die Landjudenschaft zerfällt in (zurzeit 13) Syn-
agogengemeinden.
Das Volksschulwesen ist geregelt durch
das Gesetz vom 11. Dez. 1849 und zahlreiche
Nachträge (zuletzt vom 14. Juni 1895). Ein neues
Volksschulgesetz, das unter anderem die Beseitigung
der geistlichen Schulaufsicht, Herabsetzung der
Maximalschülerzahl von 120 auf 100, Ersatz des
Konsistoriums durch eine Oberschulbehörde, An-
stellung praktischer Schulmänner als Inspektoren
und die Anstellungsmöglichkeit weiblicher Lehr-
kräfte enthielt, legte die Regierung im Jahre 1908
dem Landtag vor. Die Vorlage wurde aber zurück-
gezogen, weil der Landtag die Beaufsichtigung des
Religionsunterrichts dem Ortsgeistlichen nicht zu-
gestehen wollte. Das Land ist in Schulbezirke
eingeteilt, deren Bewohner die Schulgemeinde
(mit nach dem Dreiklassensystem gewählten Schul-
gemeindeausschuß und dem Schulvorstand) bilden.
Die Schulpflicht währt vom 6. bis 14. Lebens-
jahre. Für die Ausbildung der Lehrer sorgt das
fürstliche Landesseminar. Lippe besitzt ferner zwei
Gymnasien, verschiedene Realschulen, Fachschulen
u
. dgl.
Die katholischen Schulen sind Privatvolks-
schulen mit staatlichen Zuschüssen (Hälfte der Ge-
List.
hälter und Pensionen der Lehrer); die Mitglieder
der acht katholischen Schulgemeinden sind von der
Steuerzahlung an sonstige Schulkassen des Landes
befreit (Gesetz die Stellung der kathol. nichtstaatl.
Schulen betr. vom 30. Dez. 1904). Zwei katho-
lische Volksschulen genießen die Rechte öffentlicher
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Franziskaner-Mission (1880) 614 ff 627 ff; Aug.
Dreves, Gesch. der Kirchen, Pfarren, geistl. Stif-
tungen u. Geistlichen des Lipp. Landes (Lemgo, F. L.
Wagener, 1881); Gemmeke, Gesch. der kath. Pfar-
reien in L. (1905); Freisen, Staat u. kath. Kirche
in den deutschen Bundesstaaten 1 (1906) 1/282.
lSacher.)]
List, Friedrich, geb. am 6. Aug. 1789
als Sohn eines Weißgerbers zu Reutlingen in
Württemberg, besuchte die Lateinschule daselbst,
trat dann als Lehrling in das Geschäft seines
Vaters ein, vertauschte jedoch bald die ihm nicht
zusagende Beschäftigung mit der Schreibstube.
Seine Versetzung in die Oberamtskanzlei in Tü-
bingen (1813) ermöglichte die Fortsetzung seiner
wissenschaftlichen Ausbildung; nach Bestehen der
Prüfung im Regiminalfache wurde er (1816)
Oberrevisor mit dem Titel Rechnungsrat. Unter
dem Ministerium v. Wangenheim wurde er als
Professor für Staatspraxis an die neugegründete
staatswirtschaftliche Fakultät Tübingen berufen;
hier veröffentlichte er 1818 als Grundriß zu seinen
Vorlesungen eine kleine Schrift: „Die Staats-
kunde und Staatspraxis Württembergs“, und
gründete eine Zeitschrift, den „Volksfreund aus
Schwaben, ein Vaterlandsblatt für Sitte, Frei-
heit und Recht“. Seine Stellung wurde durch
den Sturz seines Gönners v. Wangenheim er-
schüttert, und als er im Jahre 1819 in Frank-
furt a. M. den „Verein deutscher Kaufleute und
Fabrikanten“ zum Zwecke der Aufhebung der Zölle
im Innern Deutschlands gründete und hierfür
eine Eingabe an die Bundesversammlung ent-
Elementarschulen, nämlich die zu Falkenhagen worfen hatte, wurde er wegen Übernahme fremder
(eigne Entwicklung der konfessionellen Verhält= öffentlicher Geschäftsführung, zumal in einem aus-
nisse) und Grevenhagen (Exklave mit ganz katho= wärtigen Staate, zur Aufgabe seiner Professur
lischer Bevölkerung). Die Schule zu Cappel ist genötigt. Er widmete sich nunmehr ganz den Be-
eine öffentliche Simultanschule mit katholischem strebungen des deutschen Handelsvereins, gründete
Charakter („so lange die überwiegende Mehrzahl das „Organ für den deutschen Handels= und Ge-
der lippischen Angehörigen der Schulgemeinde werbestand“ (1819) und suchte bei verschiedenen
katholischer Konfession ist“). v
Literatur. Falkmann, Beiträge zur Gesch.
des Fürstentums L. (6 Bde, 1847/1902); Falk-
mann u. Preuß, L.#sche Regesten (4 Bde, 1860/68);
Kiewning, Die auswärtige Politik der Grasschaft
L. von der französ. Revolution bis zum Tilsiter
Frieden (1903); „Fürstin Pauline zu L. u. Her-
zog Friedr. Christian von Augustenburg", Briefe
aus den Jahren 1790/1812, hrsg. von Rachel
(1903); zum Erbfolgestreit schrieben: Laband
(1891 u. 1896), Bornhak (1895), Kahl (1896),
Kekule v. Stradonitz (1897, 1901), Pinsker (1898),
Triepel (1903), Anschütz (Der Fall Friesenhausen,
1904); Weerth u. Anemüller, Bibliotheca Lippiaca
(1886; für Bibliographie). Mitteilungen aus der
lipp. Gesch. u. Landeskunde (seit 1903). — Schicke-
geschichtl. Beziehung (1830); Schwanold, Das
Fürstent. L., das Land u. seine Bewohner (1899).
(1884); Tasche, Staats= u. Verwaltungsrecht von
Regierungen für seine Absichten zu wirken. Am
7. Dez. 1820 trat er in die württembergische
Kammer als Abgeordneter seiner Vaterstadt ein
und verfaßte für diese eine Petition, in der er
rücksichtslos seinen Anschauungen über die Ge-
brechen des damaligen öffentlichen Lebens in
Württemberg Ausdruck gab. Die Regierung
leitete vorwiegend auf Betreiben des größeren,
kurzsichtigen und in den alten Anschauungen be-
fangenen Teils der Ständeversammlung gegen
List eine Kriminaluntersuchung ein, die zu seiner
Ausschließung aus der Kammer führte; nach lang-
wierigen, schikanösen Verhören, in welchen ihm
sogar Zwangsmaßregeln (Stockprügel!) angedroht
wurden, um ihn zur Verantwortung wegen seiner
danz, Das Fürstentum L. in geogr., statist. u. önz g wegen
Verteidigungsrede in der Kammer zu bringen,
wurde er wegen „Ehrenbeleidigung und Verleum-
— Falkmann, Das Staatsrecht im Fürstentum L., dung der Regierung, der Gerichts= und Verwal-
in Marquardsens Handbuch des öffentl. Rechts III
Suerpiensch . 1 Übertretung des Preßgesetzes und wegen Staats-
L. (1910). — Woker, Gesch, der Norddeutschen
tungsbehörden und Staatsdiener Württembergs,
verbrechens, auch wegen unbotmäßigen Beneh-