Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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amt, die Oberschulbehörde, die Steuerbehörde und 
das Finanzdepartement. 
Die Unterscheidung der Stadtgemeinde vom 
Staat wird namentlich in der Vermögensverwal- 
tung und der Ausstellung des Haushaltungsplans 
erkennbar. Auch für die Landgemeinden (Land- 
gem.-Ordn. vom 11. Febr. 1878), das Städichen 
Travemünde (Gem.-Ordn. vom 21. März 1881 
und 26. Juni 1907) und die Ortschaft Schlutup 
(Gem.-Ordn. vom 28. März 1906) fehlt es an 
einer ausdrücklichen Bestimmung, was zu den Ge- 
meindeangelegenheiten gehört. Aufsichtsbehörde 
für die Gemeinden ist das Stadt= und Landamt. 
Für die Rechtspflege ist das Oberlandesgericht 
Hamburg den drei Hansestädten und dem olden- 
burgischen Fürstentum Lübeck, das Landgericht 
Lübeck der Hansestadt und dem Fürstentum Lübeck 
gemeinschaftlich. Lübeck besitzt ein Amtsgericht. 
Die Vertretung der Interessen des Handels ist 
Sache der Handelskammer, die 1853 an Stelle 
des Kommerzkollegiums trat und den Vorstand 
der Kaufmannschaft bildet. Eine Gewerbekammer, 
die seit 1897 auch die Rechte und Pflichten einer 
Handwerkskammer hat, wurde 1867, eine Land- 
wirtschaftskammer 1905 errichtet. 
Die oberste Finanzbehörde ist das Finanzdepar- 
tement (4 Senatoren, 10 bürgerliche Deputierte). 
Der staatliche Grundbesitz in Stadt= und Land- 
gebiet ist sehr ausgedehnt. Die Abrechnung für 
1908 ergab 8,9 Mill. M Einnahmen (darunter 
als Immobilienvermögen 857 000 A, 9,13 
Mill. Ik Ausgaben. Die Staatsschuld betrug 
1908: 50,3 Mill. M. 
Laut Militärkonvention mit Preußen vom 
3. Mai und 27. Juni 1867 ist das Lübecker 
Truppenkontingent der preußischen Armee einver- 
leibt. Die zum Dienst in der Infanterie geeigneten 
Wehrpflichtigen werden in das Inf.-Reg. Lübeck, 
3. Hanseatisches Nr 162, eingereiht. Lübecks 
Wappen ist der doppelköpfige schwarze Reichs- 
adler mit einem von Silber und Rot quergeteilten 
Brustschilde; die Landesfarben sind Weiß und Rot. 
4. Religion und Unterricht. Die Re- 
formation, die schon 1529 Eingang fand, bereitete 
dem blühenden kirchlichen Leben der alten Bischofs- 
stadt ein jähes Ende. Eine von Joh. Bugenhagen 
verfaßte, 1531 veröffentlichte Kirchenordnung be- 
gründete die evangelisch-lutherische Kirche. Der 
Senat ist Inhaber des Rechts der Kirchenhoheit, 
gegenüber der evangelisch-lutherischen Kirche (letzte 
Verfassung vom 2. Jan. 1895) steht ihm auch 
das Kirchenregiment zu. Deren Organe sind der 
Kirchenrat und die Synode. Die Verhältnisse der 
kleinen, früher hart verfolgten reformierten Ge- 
meinde sind durch ein Regulativ vom 10. Dez. 
1825 geordnet. 
Die Katholiken verschwanden nach der Re- 
sormation trotz vielseitiger Unterdrückung und Be- 
schränkung und Hinderung des katholischen Gottes- 
dienstes nicht vollständig. Verschiedentlich wurden 
sie durch kaiserliche Briefe in Schutz genommen. 
Lübeck. 
  
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Die „römisch--katholische Gemeinde im Lübeckischen 
Staat“ gehört zum Apostolischen Vikariate der 
nordischen Missionen, das mit dem Bistum von 
Osnabrück verbunden ist. Ihr Verhältnis zum 
Staat ist geregelt durch das einseitig vom Senat 
am 14. Juli 1841 erlassene „Regulativ“ und die 
im Einverständnis mit der katholischen Gemeinde 
vom Senat am 18. März 1904 publizierten Ver- 
fassung. Der Staat hat sich ausdrücklich das ius 
circa sacra vorbehalten, das zwar für gewöhn- 
lich nicht drückend ist, aber stets zu allen denkbaren 
Einschränkungsbestimmungen Handhabe bietet, so 
z. B. zur Verordnung vom 20. Dez. 1905 betr. 
Zulassung religiöser Orden (jederzeit widerrufliche 
Zustimmung des Senats, Niederlassung und Ver- 
mögen unter seiner Aufsicht usw.). Die bischöfliche 
Ernennung der Geistlichen ist dem Senat unter 
Vorlegung sämtlicher Studienzeugnisse anzuzeigen 
und wird dann von ihm bestätigt. Der Pfarrer 
hat außerdem einen „Homagialrevers“ zu unter- 
schreiben. Die kirchlichen Mittel werden, abge- 
sehen von Gaben des Bonifatiusvereins usw., durch 
eine Kirchensteuer (Gesetz vom 8. März 1904 bei 
Einkommen von mehr als 1000 M) aufgebracht. 
Es besteht eine Pfarrei (Herz-Jesu-Kirche) mit 
drei und eine Filialkirche im Industriebezirk Kück- 
nitz mit einem Geistlichen; außerdem eine Ordens- 
niederlassung (Graue Schwestern) für Kranken- 
pflege und Volksschulunterricht. 
Die Jraeliten, die bis 1852 auf ein Dorf 
(Moisling) in der Nähe der Stadt beschränkt 
waren, sind seitdem im Vollgenuß der staatsbürger- 
lichen Rechte. Die „Ordnung für die israelitische 
Gemeinde zu Lübeck“ datiert vom 5. April 1865. 
Für das Schulwesen ist das Unterrichts- 
gesetz vom 17. Okt. 1885 sowie dessen zahlreiche 
Nachträge maßgebend. Aussicht und Leitung steht 
der Oberschulbehörde (3 Mitgliedern des Senats, 
12 bürgerlichen Deputierten) zu. Alle öffentlichen 
Schulen, auch auf dem Lande, sind Staats- 
schulen, doch muß das in Schulbezirke zerfallende 
Landgebiet bestimmte Aufwendungen machen. Die 
Schulpflicht dauert vom 6. bis 14. Lebensjahr. 
Die offiziell konfessionslosen, in der Tat und 
auch eingestandenermaßen evangelisch-lutherischen 
Volksschulen, bisher zur Hälfte Zahl= und Frei- 
schulen, sind seit 1909 sämtlich Schulgeldschulen. 
Für die die Stellung einer Privatschule einneh- 
mende katholische Gemeindeschule (1909: 8 Lehr- 
kräfte, 263 Kinder) zahlt der Staat einen jähr- 
lichen Beitrag (zurzeit 3000 M). Die kaufmän- 
nische Fortbildungsschule (Gesetz vom 6. Febr. 
1906) hat Besuchszwang bis zum 16. Lebensjahr. 
Höhere Schulen sind das Katharineum (Gymna- 
sium und Realgymnasium) und das Johanneum 
(Reformgymnasium und Realschule), die Real- 
schule zum Dom, die v. Großheimsche (halb- 
staatliche) Realschule, die Ernestinenschule (höhere 
Töchterschule mit Lehrerinnenseminar) und drei 
private Töchterschulen. Für die Ausbildung der 
Lehrer an Volks= und Mittelschulen besteht ein
	        
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