Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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landesgesetzliche Vorschriften, für Preußen das 
A.L.R. 8§§ 149 ff, I, 8. Dabei ist freilich dar- 
auf hinzuweisen, daß sie nicht unter dem Ge- 
sichtspunkte der Verschaffung freien Luftzutritts, 
sondern lediglich unter dem der Sicherung 
des nötigen Lichtes erlassen sind. Immerhin er- 
füllen sie zugleich auch jene Aufgabe. Ahrnliche 
Bestimmungen bestehen in den übrigen Bundes- 
staaten. Daneben sorgt die Polizei auf Grund 
öffentlich-rechtlicher Vorschriften, in Preußen be- 
sonders auf A.L.N. 8 10, II, 17 und das Gesetz 
über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 
gestützt, durch Verordnungen und Verfügungen 
auf dem Gebiete insbesondere der Baupolizei da- 
für, daß keinem zum Aufenthalte von Menschen 
und Tieren bestimmten Raume die Möglichkeit 
ungehinderten Luftzutritts fehlt. Im einzelnen ist 
die Reglung, weil nicht von einem Mittelpunkte 
ausgehend, sehr verschieden; doch ist wohl allen 
Bauordnungen die Festsetzung des Verhältnisses 
zwischen der Breite einer Straße und der Höhe 
der an ihr zu errichtenden Gebäude, die Reglung 
der Bauweise, ob offen oder geschlossen, das Ver- 
bot des Ausbaues von Erkern und Balkons ohne 
besondere Erlaubnis u. dgl. mehr gemeinsam. Auch 
Vorschriften über die Mindestgröße der Zimmer 
für eine bestimmte Bewohnerzahl und noch andere 
dem Gebiete der Gesundheitspflege angehörende 
Bestimmungen finden sich. 
Daneben ist die Gesetzgebung bemüht, für mög- 
lichste Reinhaltung der Luft zu sorgen und jedes 
berechtigte Interesse gegen ihre Verunreinigung 
oder sonstwie unangenehme oder schädliche Ver- 
änderung nach Möglichkeit zu schützen. Dabei 
muß sie freilich zugleich das Interesse des durch 
solche Vorschriften in erster Linie betroffenen Ge- 
werbes beachten, das in seiner Entwicklung nicht 
durch allzustark einengende Bestimmungen ge- 
hemmt werden darf. Das B. G.B findet den rich- 
tigen Weg des Ausgleichs durch § 906, der diese 
Fragen für das Privatrecht umfassend und ab- 
schließend regelt: 
„Der Eigentümer eines Grundstückes kann die 
Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, 
Ruß, Wärme und ähnliche von einem andern 
Grundstücke ausgehende Einwirkungen insoweit 
nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung 
seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich be- 
einträchtigt oder durch eine Benutzung des andern 
Grundstücks herbeigeführt wird, die nach den ört- 
lichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage 
  
gewöhnlich ist. Die Zuführung durch eine besondere 
Leitung ist unzulässig.“ 
Das Geset schützt also gegen alle Verschlechte- 
rungen der Luft, die nicht unerheblich oder orts- 
üblich sind. Die Rechtsprechung hat beide Begriffe, 
die Unerheblichkeit und die Ortsüblichkeit, in 
überaus glücklicher Weise festgelegt, indem sie die 
widerstreitenden Interessen sorgfältig gegeneinander 
abwog und besondere Verhältnisse in weitem Um- 
fange berücksichtigte, so unter anderem die Ein- 
wirkung solcher Luftveränderungen auf Kurgäste, 
Luftrecht usw. 
  
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in Stadtteilen mit besonderer Bebauungsart usw. 
Eine Verpflichtung zur Aufnahme derartiger Luft- 
ströme besteht übrigens nicht; der Bedrohte darf 
sich vielmehr gegen ihr Eindringen nach Möglich- 
keit schützen. In Fällen, in denen dieses nicht 
Mmööglich ist und eine unzulässige Einwirkung ein- 
tritt, steht ihm neben dem Anspruch auf Schadens- 
ersatz die Klage auf Unterlassung der Einwirkung 
oder auf Beseitigung der sie verursachenden Ein- 
richtung zu, diese jedoch nicht, wenn die Störung 
von einem behördlich genehmigten Gewerbebetriebe 
ausgeht. Dann kann er nach § 26 der Gew.O. 
nur die Herstellung von Anlagen, die die benach- 
teiligende Wirkung ausschließen, oder wenn sie 
untunlich sind, Schadensersatz verlangen. Gegen 
die Errichtung einer solchen Anlage bieten ihm 
jedoch die §§ 16 ff der Gew.O. hinreichenden 
Schutz indem sie eine Offenlegung und eingehende 
Prüfung des Planes und der gegen ihn erhobenen 
Einsprüche vorschreiben. Ergibt die Prüfung, daß 
die geplante Anlage nicht den zu stellenden An- 
forderungen entspricht oder ein Einspruch gerecht- 
fertigt ist, so muß die Genehmigung versagt oder 
an die Erfüllung von Bedingungen geknüpft 
werden, die jede Gefährdung oder Schädigung 
Dritter ausschließen. 
Den Angestellten und Arbeitern aller Art ver- 
schaffen § 618 des B. G.B., 977 des H. G. B. 
und § 120 a der Gew.O. die Wohltat frischer 
Luft an ihren Arbeitsstätten. Insbesondere sorgen 
auf Grund des § 120 a der Gew.O. eingehende 
gewerbepolizeiliche Vorschriften für ausreichende 
und reine Luft in gewerblichen Anlagen, zumal in 
solchen, in denen der Betrieb mit größerer Staub- 
entwicklung oder Durchsetzung der Luft mit mehr 
oder weniger gesundheitsschädlichen Gasen ver- 
bunden ist, und entsprechend sichern auf Grund 
der Berggesetzgebung bergpolizeiliche Verord- 
nungen dem Bergmann in den Tiefen der Erde 
frische Luft und Schutz gegen Kohlenstaub-- und 
Schlagwetterexplosionen durch strenge Bestim- 
mungen über die Bewetterung der Gruben. 
So ließe sich noch manche Vorschrift nennen, 
die auf andern Gebieten des Wirtschaftslebens das 
gleiche Ziel verfolgt. Alle diese Verhältnisse durch 
Gesetze bis in die Einzelheiten zu regeln, wäre 
unmöglich, zugleich aber auch bedenklich; denn die 
Fortschritte der Technik würden sehr häufig Ande- 
rungen daran nötig machen. Sie würden oft auch 
unberechtigte Härten gegen den einzelnen Betrieb 
enthalten, bei dem eine durch sie bekämpfte, bei 
Betrieben dieser Art übliche Gefahr aus beson- 
dern Gründen gar nicht oder nur in geringerem 
Umfange vorkäme. Die zurzeit vorhandene Reg- 
lung der grundlegenden Fragen durch das Gesetz, 
der Einzelheiten durch örtliche Verordnungen 
oder Auferlegung besonderer Bedingungen bei 
Erteilung der Genehmigung für den einzelnen 
Betrieb gewährleistet die beste Lösung dieser oft 
sehr schwierigen Fragen. Ein besonderes Luft- 
recht dafür zu schaffen, wie technische Kreise for-
	        
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