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Mindestens in den untersten Teilen des Luftraumes
vermag der Staat auch eine ausschließliche Herr-
schaft auszuüben, sein Eigentumsrecht oder seine
Gebietshoheit also in vollem Umfange geltend zu
machen. In größeren Höhen ist ihm das freilich
erschwert oder sogar unmöglich, aber bis zu der
Höhe, in der eine Störung von anderer Seite
versucht werden könnte, ist er zweifellos in der
Lage, sein Recht zu verteidigen; darüber hinaus
entfällt mit der Möglichkeit eines Angriffs auch
die Notwendigkeit der Verteidigung und der Gel-
tendmachung der Herrschaft. — Neben diesen
staats= und völkerrechtlichen Erwägungen spricht
auch, wie besonders Grünwald (Luftschiff 32 ff)
eingehend darlegt, der Grundsatz des Privat-
rechts, daß dem Grundstückseigentümer Eigentum
an der Luftsäule über seinem Grundstücke zusteht,
für das Eigentums= oder Hoheitsrecht des Staates
an dem über ihm befindlichen Luftraume. Der
Staat besteht aus der Gesamtheit aller in ihm
liegenden Grundstücke; das Eigentum an ihnen
erstreckt sich auf den über ihnen liegenden Luft-
raum, also untersteht auch er der Hoheit des
Staates, wobei freilich zu beachten ist, daß privat-
rechtliche Grundsätze nicht ohne weiteres für das
Staatsrecht entsprechend heranzuziehen sind.
Auch aus der oben geschilderten geschichtlichen
Entwicklung des Völkerrechts ergibt sich die Rich-
tigkeit dieser Ansicht: Der Grundstaat kann den
Wünschen und Bedürfnissen der Nachbarstaaten
und der Völkerrechtsgemeinschaft durch Zugeständ-=
nisse entgegenkommen, durch die er sein Eigen-
tums= oder Hoheitsrecht zugunsten der Allgemein-
heit beschränkt. Das Maß seines Entgegenkommens
bestimmt er selbst entsprechend dem Charakter der
aufgegebenen Rechte als Teilen seines Eigentums-
und Hoheitsrechts. Seine Souveränität über den
Luftraum wird dadurch weder beseitigt noch auch
gemindert; denn im Rahmen seiner Verträge ist
er jederzeit berechtigt, die freiwillig übernommenen
Beschränkungen seines Rechtes am Luftraume
wieder zu beseitigen. Eine Gefahr für die Frei-
heit des Luftverkehrs liegt darin nicht; denn sein
eignes Interesse zwingt den Staat, dem Interesse
des Luftverkehrs und der übrigen Staaten soweit
als möglich entgegenzukommen. Tut er es nicht,
so kann er auf ein entsprechendes Entgegenkommen
gleichfalls nicht rechnen; er schließt sich selbst von
dem Verkehr der Völker untereinander aus und
schädigt sich und seine Untertanen dadurch am
meisten.
Ganz unhaltbar ist die Einteilung des Luft-
raumes in Zonen, in denen der Rechtszustand
jeweils ein anderer wäre. Die Abgrenzung der
einzelnen Zonen müßte durch Flächen geschehen,
die man sich durch den Luftraum gelegt dächte.
Sie wäre ohne genaue Meßgeräte niemals mit
Sicherheit festzustellen und würde dadurch der An-
laß zu unaufhörlichem Streite sein. Doch selbst
wenn sie durchführbar wäre, so würde ein Blick
auf die verschiedene Höhe, in die die einzelnen
Luftrecht ufw.
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Vertreter dieser vermittelnden Ansichten die Grenze
zwischen Luftfreiheit und Schutzzone oder Hoheits-
gebiet des Grundstaates verlegen, genügen, ihre
Unzulänglichkeit darzutun, zumal keiner der für
die verschiedenen Höhen angegebenen Gründe für
durchschlagend erachtet werden kann. Diese Grenze
würde auch, wenn sie nach der Höhe des höchsten
Bauwerkes (Rolland). der Steighöhe des Kanonen=
schusses (Bluntschli und Rivier) oder der Möglich-
keit der Geländeeinsicht und -photographie (Fau-
chille) bestimmt werden sollte, je nach dem Stande
und den Fortschritten der Technik in den einzelnen
Staaten in vielfach wechselnder Höhe verlaufen.
Endlichwürde einesolche Eigentums-oder Hoheits-,
Schutz= oder nationalisierte Zone den Grundstaat
gegen Gefährdung durch den Luftverkehr nicht
schützen; denn noch aus der höchsten Höhe herab
kann ihm und seinen Untertanen der größte Scha-
den zugefügt werden. Man sieht dieser Ansicht
viel zu sehr die entsprechende Anwendung des See-
rechts, insbesondere seiner Grundsätze für die
Küstengewässer, auf das Luftrecht an, ohne daß
deren Lage neben, des Luftraumes über dem Staate
ihrer Bedeutung gemäß berücksichtigt wäre.
Was nun den Luftraum über den Küstenge-
wässern betrifft, so kann für ihn nur dasselbe
gelten, was für die Küstengewässer selbst gilt. Wie
sie, stellt er nur eine Interessensphäre des Uferstaates
dar, über die dieser nur die gleichen Rechte hat wie
über die unter ihm liegenden Küstengewässer. Der
Luftraum über dem hohen Meere endlich und
andern Gebieten, die keiner staatlichen Herrschaft
unterworfen sind, ist frei, wie sie selbst es sind.
B. Luftverkehrsrecht. Der Bedeutung, welche
die Luft als ein Gas, das allem organischen Leben
auf der Erde unentbehrlich ist, und der Luftraum
als der Raum, in dem aller Handel und Wandel
sich abspielt, bereits besitzen, fügt die neuzeitliche
Technik durch die Erfindung und Ausgestaltung
der drahtlosen Telegraphie und der Luftschiffahrt
die weitere als eines wichtigen Verkehrsmittels
hinzu.
I. Funkentelegraphenrecht. Die drahtlose
Telegraphie ist, wie Meili (Verkehrs= und Trans-
portrecht 4) mit Recht sagt, vollkommen in die
Luft hinaus gestellt. Sie arbeitet allerdings mit
Absende= und Empfangsstationen, deren zusammen-
hängende Verbindung durch Leitungsdrähte aber
fehlt. Die Vermittlung der Nachrichten erfolgt
durch elektrische Wellen, die, durch die Luft ge-
tragen, frei den Luftraum durcheilen. Aus den
oben begründeten Leitsätzen, daß dem Eigentümer
eines Grundstückes an dem Luftraume über diesem
Eigentum zusteht, und weiter, daß er wie alle
Menschen die Luft als nicht im Eigentum eines
einzelnen stehend für sich nützen kann, ergibt sich
zwingend, daß er zur Übermittlung von Nach-
richten von einem Punkte seines Grundstückes zum
andern, sofern die Verbindung nicht über andere
Grundstücke führt, grundsätzlich die drahtlose Tele-
graphie benutzen darf. Nun ist es unmöglich, die