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zur Ubermittlung der Nachrichten dienenden elek-
trischen Wellen in eine bestimmte Richtung zu
zwingen und sie am Überschreiten der Grenzen des
Grundstückes zu hindern. Dazu kommt, daß sie
die Eigentümlichkeit haben, sich nicht nur gegen-
seitig zu stören, sondern sich auch von andern
als den zu ihrer Aufnahme bestimmten Empfangs-
stationen auffangen zu lassen. Der Grundstücks-
eigentümer würde also mit seinem drahtlosen
Nachrichtendienste die entsprechenden Betriebe sehr
vieler anderer Eigentümer, vor allem aber auch
den dem Telegraphenverkehre durch Drähte ange-
gliederten drahtlosen Verkehr des Staates empfind-
lich stören; denn deren Nachrichten würden allzu.
oft verstümmelt und mit seinen Mitteilungen ver-
mischt anlangen. In dieser Erkenntnis hat das
Gesetz „betr. die Abänderung des Gesetzes über
das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches vom
6. April 1892“ vom 7. März 1908 (R.G. Bl.
79 ff), ausgehend von dem Satze, daß schon auf
Grund des Gesetzes von 1892 die drahtlose Tele-
graphie ohne weiteres dem Monopol des Staates
unterliege, dem § 3 des Gesetzes von 1892 folgen-
den Absatz 2 hinzugefügt: „Elektrische Telegraphen-
anlagen, welche ohne metallische Verbindungslei-
tungen Nachrichten vermitteln, dürfen nur mit
Genehmigung des Reiches errichtet und betrieben
werden“ und hinter 8 3 als §8 3 a u. b entspre-
chende Bestimmungen für deutsche und fremde, in
deutschen Hoheitsgewässern sich aufhaltende Fahr-
zeuge für Seefahrt und Binnenschiffahrt eingefügt.
Dadurch ist die drahtlose Nachrichtenübermittlung
durch staatliche Anlagen in jeder Richtung geschützt.
Im übrigen gilt für alle bei dem Betriebe der
drahtlosen Telegraphie entstehenden Rechtsfragen
das bisherige Recht.
Wie die zur Übermittlung der drahtlosen Nach-
richten dienenden elektrischen Wellen die Grenzen
der einzelnen Grundstücke überschreiten, so machen
sie auch vor den Grenzen der Staaten nicht Halt.
Um den sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten
und Streitfragen nach Möglichkeit zu begegnen, zu-
gleich auch die Weiterbeförderung drahtloser Tele=
gramme durch die Funkentelegraphenstati
anderer Staaten sicher zu stellen, haben die Kultur-
staaten unter dem 3. Nov. 1906 den „Internatio-
nalen Funkentelegraphenvertrag" (R.G.Bl. 411 ff
geschlossen. Seine Bestimmungen haben die ver-
tragschließenden Staaten nach Art. 1 „auf alle
dem öffentlichen Verkehr zwischen dem Lande und
den Schiffen in See dienenden Funkentelegraphen-
stationen, Küsten= und Bordstationen, anzuwenden,
die von den vertragschließenden Teilen errichtet
und betrieben werden“, und „ihre Befolgung allen
zur Errichtung und zum Betriebe von Funken-
telegraphenstationen ermächtigten Privatunter-
nehmern, zu Lande und an Bord von Schiffen,
die ihre Flagge führen, aufzuerlegen“. Im ein-
zelnen auf die Bestimmungen des Vertrages und
der dazu vereinbarten „Ausführungsübereinkunft"
vom gleichen Tage (R.G.Bl. 433 ff) einzugehen,
Luftrecht usw.
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führt zu weit; es genügt, zu bemerken, daß sie
besonders eingehend die Funkentelegraphie für
Seeschiffe regeln, so unter anderem die Funken-
telegraphenstationen, deren Errichtung übrigens
den Vertragsstaaten mitgeteilt werden muß, ver-
pflichten, Anrufe von Schiffen in Seenot „mit
unbedingtem Vorrang entgegenzunehmen, zu be-
antworten und ihnen gebührend Folge zu geben“.
II. Luftschiffahrtsrecht. Ungleich schwieriger
sind die Rechtsfragen, die durch die Vervollkomm-
nung der Luftschiffahrt entstanden sind. Sie for-
dert freie Bahn für sich durch den ganzen Luft-
raum, ohne Rücksicht auf das Eigentumsrecht des
einzelnen und die Gebietshoheit des Staates
an ihm.
1. Privatrechtlich. Der einzelne Grund-
stückseigentümer darf gemäß § 905, S. 2 des
B.G. B., trotzdem er Eigentümer des über seinem
Grundstücke liegenden Luftraums ist, die Durch-
fahrt eines Luftschiffes nicht verbieten, wenn es in
solcher Höhe dahinschwebt, daß dadurch eine Be-
schädigung oder Berührung von Bauten auf dem
Grundstücke nicht stattfindet und dessen Ruhe nicht
gestört wird. Allerdings besteht die Möglichkeit,
daß aus dem Luftschiffe herabstürzende oder herab-
geworfene Gegenstände auf dem unten liegenden
Grundstücke Schaden anrichten. Eine solche Schä-
digung bildet jedoch, da der regelmäßige Auswurf
an Ballast in unschädlichem feinen Sande oder
Wasser besteht, eine so seltene Ausnahme, daß um
ihretwillen die Durchfahrt des Luftschiffes nicht
als eine Einwirkung angesehen werden kann, an
deren Ausschließung der Grundstückseigentümer
ein Interesse hätte. Zudem ist er, zugleich übrigens
auch jeder andere Verletzte oder Geschädigte, durch
§ 823 des B.G.B. gegen Beschädigung durch aus-
geworfene Gegenstände stets, gegen Beschädigung
durch hinabstürzende dann geschützt, wenn ihr Ab-
sturz die Folge einer Fahrlässigkeit des Luftschiffers
ist. Schwierig ist freilich die Begründung des
Schadensersatzanspruches, wenn es sich um ein Ab-
stürzen ohne Verschulden des Luftschiffers handelt.
Selbstverständlich muß auch hier dem Geschä-
digten ein Anspruch zugebilligt werden. So sagt
das Reichsgericht in einer mit einer Forderung
auf Ersatz des durch Funkenflug aus einer Loko-
motive entstandenen Schadens sich befassenden
Entscheidung vom 11. Mai 1903 (Entsch. Z. S.
LVIII 130 ff 134) wörtlich: „Ist aber dem
Eigentümer im Einzelfalle das so wesentliche
Recht, Eingriffe in sein Eigentum abzuwehren,
entzogen, so muß ihm notwendig hierfür ander-
weitiger, ausreichender Ersatz gegeben sein, und
solcher Ersatz kann nur in Gewährung der durch
Verschuldensnachweis nicht bedingten Klage auf
Erstattung des angerichteten Schadens gefunden
werden.“ Zur Begründung stützt es sich auf
§ 904 des B.G.B., 8 25 des preußischen Eisen-
bahngesetzes vom 3. Nov. 1838 und § 26 der
Gew.O. und zieht schließlich auch den Art. 9 der
preußischen Verfassungsurkunde („Das Eigentum