Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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neu geregelt, daß nach dem Tode des Großherzogs 
seine älteste Tochter Marie Adelheid als Groß- 
herzogin, eventuell unter Vormundschaft ihrer 
Mutter als Regentin, folgen sollte. Die Kammer 
genehmigte am 5. Juli diese Reglung mit 41 gegen 
7 Stimmen; ein vom Grafen Georg v. Meren- 
berg, dem Nachkommen des Prinzen Nikolaus 
von Nassau (1832/1905) aus seiner morgana- 
tischen Ehe mit Natalie Puschkin, eingelegter Pro- 
test wurde für unwirksam erklärt. Am 14. März 
1908 wurde der Prinzessin Marie Adelheid der 
Titel Erbgroßherzogin verliehen; ihre Mutter 
wurde Ende März als Statthalterin, und da das 
Befinden des Großherzogs sich verschlechterte, Nov. 
1908 als Regentin von Luxemburg eingesetzt. 
2. Fläche, Bevölkerung. Das Groß- 
herzogtum Luxemburg umfaßt nur ungefähr den 
vierten Teil des ehemaligen Herzogtums. Es hat 
in seiner jetzigen Gestalt einen Flächeninhalt 
von 2586,41 qkm. Sein größte Länge beträgt 20, 
seine größte Breite 12 Stunden. Es ist eingeteilt 
in drei Verwaltungsdistrikte: Luxemburg mit 4, 
Diekirch mit 5, Grevenmacher mit 3 Kantonen. 
Die Stadt und Gemeinde Luxemburg verhandelt 
direkt ohne Vermittlung eines Distriktskommissars 
mit der Regierung. Die 12 Kantone umfassen 
131 Gemeinden. 
Am 1. Dez. 1905 betrug die ortsanwesende 
Bevölkerung 246 455 Einwohner, am 
12. Juni 1907: 250 911, davon 36 785 Fremde. 
Die Bevölkerung hat seit dem Jahre 1895 um 
33192 Seelen zugenommen. Sie bewohnt 
7 Städte, ungefähr 560 Marktflecken, Dörfer 
und Weiler und eine große Anzahl von Einzel- 
siedlungen. Von den Städten hat Luxemburg 
1905: 21024 (im Jahre 1895: 19 909) Ein- 
wohner. Bezüglich der Staatsangehörigkeit zählte 
man 1905 neben 214 632 Luxemburgern: 15 875 
Deutsche, 4436 Belgier, 3408 Franzosen, 6991 
Italiener, 515 Osterreicher und Ungarn, 138 Eng- 
länder, die übrigen aus andern Ländern. Fast die 
ganze Bevölkerung (1907: 98,17%; 85,16% 
Luxemburger, 13,01 % Fremde) bekennt sich zur 
katholischen Kirche mit Ausnahme von 2810 
meist ausländischen Protestanten, 1167 Jsraeliten 
und 1696 Personen anderer oder nicht ange- 
gebener Bekenntnisse. Im Deutschen Reich hielten 
sich 1905: 14 170 Luxemburger auf, in Frank- 
reich 1901: 22000. 
3. Verfassung, Verwaltung. Das 
Großherzogtum Luxemburg bildet eine konstitutio- 
nelle Monarchie. ÜMber die Frage, wer nach der 
im Jahre 1868 revidierten Verfassung der Träger 
der Souveränität sei, entstand eine Kontroverse. 
Während die 1856 oktroyierte Verfassung die 
prinzipielle Erklärung enthielt, wonach die gesamte 
Staatsgewalt in der Person des Königs-Groß- 
herzogs vereinigt sei (Art. 32), stellt die Ver- 
fassung vom Jahre 1868 einfach als Tatsache 
hin, daß der König-Großherzog in Gemäßheit 
dieser Verfassung und der Gesetze des Landes die 
Luxemburg. 
  
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souveräne Staatsgewalt ausübe (Art. 82). Über 
das Motiv dieser Anderung drang nichts in die 
Offentlichkeit. Man wollte den König-Großherzog, 
der ein Jahr vorher das Land aus einer schweren 
Krisis gerettet hatte, in keiner Weise verletzen. 
Aber über die Tragweite der vorgenommenen 
Anderung mußte man den König-Großherzog, ehe 
man ihm die Annahme der Verfassung antrug, 
hinlänglich orientieren. Das tat Staatsminister 
Servais, indem er am 14. März 1868 an den 
Prinzen-Statthalter schrieb: La rédaction pro- 
posée ne modifie pas le sens de I’art. 32 de 
la constitution de 1856. Hiernach war die 
Anderung bloß redaktioneller Natur und berührte 
keineswegs den Inhalt. Während die Verfassung 
von 1856 prinzipiell, hat die von 1868 tatsächlich 
dem König-Großherzog die volle Souveränität 
eingeräumt. 
Die Krone ist erblich in der Familie Nassau. 
In sämtlichen Linien des fürstlich nassauischen 
Hauses bestand von jeher bezüglich der Erbfolge 
das salische Gesetz. Die herrschende Ottonische 
Linie des Hauses war aber nur mehr durch den 
König-Großherzog Wilhelm III. vertreten. Bei 
dem Aussterben dieses jüngeren Stammes fiel die 
Krone dem älteren, der Walramschen Linie, zu, 
an deren Spitze Herzog Adolf stand. Aus der am 
21. Juni 18938 geschlossenen Ehe des Großher- 
zogs Wilhelm (geb. 1852) mit der katholischen 
Prinzessin Anna von Braganza (geb. 1861) sind 
sechs Töchter hervorgegangen, die in der katho- 
lischen Religion erzogen werden. Nach dem Gesetz 
vom 10. Juli 1907 geht die Thronfolge auf die 
älteste Tochter des Großherzogs über. Der Groß- 
herzog wird mit zurückgelegtem 18. Lebensjahre 
volljährig. Er soll so bald als möglich in Gegen- 
wart der Kammer oder einer von ihr ernannten 
Deputation den durch Art. 5 der Verfassung vor- 
geschriebenen Eid leisten. Ist beim Ableben des 
Großherzogs der Nachfolger minderjährig, so wird 
die Regentschaft zufolge Hausvertrags ausgeübt. 
Der Regent leistet den im Art. 8 der Verfassung 
vorgeschriebenen Eid. Während einer Regent- 
schaft darf keine Verfassungsänderung vorgenom- 
men werden. Die Person des Großherzogs ist heilig 
und unverletzlich. Die Titulatur ist der Taufname 
mit dem Beisatze „von Gottes Gnaden“ Groß- 
herzog von Luxemburg. Die Anrede ist „König- 
liche Hoheit“. Der Großherzog hat das Recht der 
Mdelsverleihung, ohne jedoch, da es keine Standes- 
unterschiede im Staate mehr gibt, ein Privileg 
daran zu knüpfen. Für die Verleihung von Orden 
und Ehrenzeichen ist er an die gesetzlichen Bestim- 
mungen gebunden, und der Beschluß bedarf der 
Gegenzeichnung eines Ministers, ausgenommen 
bei Verleihung von Orden an Ausländer wegen 
Dienstleistungen, die nicht im Interesse des Groß- 
herzogtums geschehen sind. Von Ordensauszeich- 
nungen bestehen: der Orden der Eichenlaubkrone 
und der nassauische Hausorden vom goldenen 
Löwen. Die Zivilliste des Großherzogs ist durch
	        
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