Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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die Verfassung auf jährlich 200 000 Franken fest- 
gesetzt. Diese Summe kann aber bei jedem Thron- 
wechsel im Wege des Gesetzes geändert werden. 
Durch Gesetz vom 16. Mai 1891 sind der Groß- 
herzog und die Mitglieder der landesherrlichen 
Familie von der Mobiliar= und Personalsteuer 
befreit; auch unterliegt das im Großherzogtum 
befindliche Privatvermögen des großherzoglich 
luxemburgischen Hauses den nassauischen Familien- 
verträgen sowie den auf Grund dieser Hausgesetze 
getroffenen oder zu treffenden Bestimmungen. 
Der Großherzog ist im Besitz der exekutiven 
Gewalt, sanktioniert und publiziert die Gesetze, er- 
nennt und entläßt die Regierung, besetzt die Amter, 
beruft die Kammer, schließt und vertagt sie, ist 
aber in Ausübung der gesetzgebenden Gewalt an 
die Zustimmung der Kammer gebunden. Auch 
hat diese das Recht der Initiative und zugleich ein 
unbeschränktes Budgetrecht. Sie kann parla- 
mentarische Untersuchungen anordnen und sordern, 
daß die Minister ihren Sitzungen beiwohnen; sie 
kann unter Umständen Minister in Anklagestand 
versetzen. Die Verantwortlichkeit der Regierung 
gilt in vollem Umfang. Die Zahl der Kammer= 
mitglieder beträgt, da je ein Abgeordneter auf 
5000 Seelen kommt, gegenwärtig 51. Sie werden 
direkt, und zwar auf 6 Jahre gewählt; alle 3 Jahre 
scheidet die Hälfte aus. Um Wähler zu sein, muß 
man Luxemburger und 25 Jahre alt sein, bürger- 
liche und politische Rechte genießen, im Groß- 
herzogtum wohnen und an direkten Steuern den 
Betrag von 10 Franken entrichten. Wählbar ist 
jeder Luxemburger, der sich im Genusse der bürger- 
lichen und politischen Rechte befindet, im Groß- 
herzogtum Wohnsitz hat und 25 Jahre alt ist. 
Nicht wählbar sind die Mitglieder der Regierung, 
sämtliche Staatsbeamten, welche ein Gehalt be- 
ziehen, die Staatsräte, alle vom Staate besoldeten 
Geistlichen sowie die Gemeindelehrer. Die Kammer 
tritt jedes Jahr ohne Einberufung zur ordentlichen 
Sitzung am ersten Dienstag nach dem 3. Nov. 
zusammen und wählt selbst ihren Vorstand. Die 
Beschlußfassung geschieht durch absolute Stimmen- 
mehrheit; bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag 
als verworfen. 
Mit der obersten Staatsverwaltung ist 
eine Regierung beauftragt, bestehend aus einem 
Präsidenten mit dem Titel eines Staatsministers, 
der zugleich mit der Generaldirektion der aus- 
wärtigen Angelegenheiten, der Justiz und des 
Ackerbaues beauftragt ist, und drei Mitgliedern 
mit dem Titel eines Generaldirektors (für In- 
neres; Finanzen; öffentliche Arbeiten und Eisen- 
bahnen). Der Regierung können noch vier Räte 
beigegeben werden. Die Verteilung der einzelnen 
Dienstzweige, welche die speziellere Befugnis der 
einzelnen Regierungsmitglieder bestimmt, geschieht 
durch großherzoglichen Beschluß. Jedes Regie- 
rungsmitglied bearbeitet und entscheidet die ihm 
zugewiesenen Sachen, liquidiert die betreffenden 
Kosten und unterzeichnet die vom Großherzog 
Luxemburg. 
  
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ausgehenden Akte mit, für deren Inhalt es ver- 
antwortlich ist. Einzelne Sachen werden von der 
Regierung in pleno verhandelt, namentlich solche, 
welche der Entscheidung des Staatsoberhauptes 
unterliegen. 
An der Zentralverwaltung hat auch der Staats- 
rat einen hervorragenden Anteil. Er besteht aus 
15 vom Großherzog ernannten Mitgliedern, die 
Luxemburger und 30 Jahre alt sein müssen. Über 
sämtliche Gesetzvorlagen und Verbesserungsanträge 
hat er vorher sein Gutachten abzugeben. Unter- 
bleibt dies in einem dringenden Falle, so muß es 
noch vor dem Schlußvotum eingeholt werden. 
Auch darf der Staatsrat die Aufmerksamkeit der 
Regierung auf die Zweckmäßigkeit gewisser Be- 
schlußnahmen lenken und kann, falls beide über 
das Prinzip einig sind, ersucht werden, den Ge- 
setz= oder Reglementsentwurf auszuarbeiten. Noch 
wichtiger wird der Staatsrat durch den aus sieben 
Mitgliedern (die vom Großherzog aus den von 
der Kammer vorgeschlagenen Kandidaten ernannt 
werden) gebildeten Ausschuß für Streitsachen. 
Diesem steht die Entscheidung in Verwaltungs- 
streitsachen in letzter Instanz zu. Seine Kom- 
petenz wird häufig durch Spezialgesetze noch sehr 
erweitert. 
Das Bindeglied zwischen der Zentralgewalt 
und den Gemeinden bilden die Distriktskommis- 
sare, je einer in Luxemburg, Diekirch und Greven- 
macher. Ihr Amt besteht darin, den Gemeinde- 
rat, der mit dem Bürgermeister und den zwei 
Schöffen die Gemeindebehörde bildet, zu über- 
wachen, zu beraten und zu leiten, ihm sowie der 
Regierung geeignete Vorschläge zu machen und für 
Ausführung der Gesetze und Verordnungen zu 
sorgen. Die Kommissare werden vom Großherzog 
ernannt. Die Gemeinderatsmitglieder werden auf 
6 Jahre gewählt; alle 3 Jahre scheidet die Hälfte 
aus; ihre Zahl beträgt 7 in Gemeinden bis zu 
1000, 9 bis zu 3000, 11 bis zu 10 000 Einw., 
das Schöffenkollegium mit einbegriffen. Die 
Stadt Luxemburg hat 15 Räte. Das aktive 
Wahlrecht verlangt ein Alter von 25 Jahren und 
eine direkte Steuer von 10 Franken, das passive 
ein Alter von 25 Jahren mit dem Wohnsitz in der 
Gemeinde. Dem Gemeinderat gegenüber, welcher 
berät und Beschlüsse faßt, ist das Schöffen- 
kollegium, bestehend aus dem Bürgermeister und 
den beiden Schöffen, die Exekutivbehörde. Der 
Großherzog ernennt die Bürgermeister auf 6 Jahre; 
er kann sie auch außerhalb der Gemeinderäte wäh- 
len. Die Schöffen der Städte werden durch den 
Großherzog, die andern durch den Generaldirektor 
auf 6 Jahre ernannt. Mit der Unterstützung der 
Armen ist in jeder Gemeinde ein Armenbureau 
betraut, dessen Mitglieder durch den Gemeinderat 
ernannt werden. Die Gemeinde und das Armen- 
bureau genießen die Vorteile der juristischen Per- 
sönlichkeit. 
Die Rechtspflege wird ausgeübt durch 12 Frie- 
densgerichte, je eines in jedem Kantonshauptort
	        
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