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Die Erziehung des Klerus, die Ernennung des
Generalvikars, die Anstellung und Absetzung der
Pfarrer und Vikare liegt in der Hand des Bi-
schofs. Dieser unterstand bis zu der durch die
Konstitution Sapienti Consilio vom 29. Juni
1908 erfolgten Neuordnung der römischen Be-
hörden der Jurisdiktion der Propaganda; er muß
Luxemburger sein, und seine durch den Papst er-
folgende Ernennung muß die Genehmigung des
Staatsoberhauptes erhalten. Das Kapitel, be-
stehend aus einem Dompropst und acht Dom-
kapitularen, ist nicht staatlich anerkannt und auch
nicht dotiert. Der Generalvikar ist ermächtigt, in
Abwesenheit des Bischofs mit den Zivilbehörden
zu korrespondieren, bezieht aber als solcher kein
Gehalt. Der Vorstand des Priesterseminars, be-
stehend aus einem Präses und fünf Professoren,
wird vom Staate besoldet. Das Priesterseminar
hat juristische Persönlichkeit, ein Privileg, das dem
Bistum bestritten wird. Zur Unterstützung dürf-
tiger Aspiranten zum Priestertum bewilligt der
Staat jährlich 3000 Franken. Die Dihzese zählt
(1908) 13 Dekanate, 261 Pfarreien, 95 Kapla-
neien (45 besetzt), 89 Vikariate (55 besetzt) und
476 Weltpriester. — Bezüglich der religiösen Ge-
nossenschaften bestimmt die Verfassung (Art. 26),
daß das Vereinigungsrecht (e droit de s'associer)
vollkommen frei sei, dagegen religiöse „Korpora-
tionen“ nur durch ein Gesetz errichtet werden
können. Als man im Jahre 1848 diesen Artikel
in die Verfassung aufnahm, hat man sich zuvor
über die Bedeutung der verschiedenen Ausdrücke
verständigt und daraufhin das Wort „Korporation“
dem Ausdrucke „Assoziation“ entgegengestellt.
Unter „Korporation“ versteht man aber in der juri-
stischen Sprache fast immer eine Genossenschaft mit
der Eigenschaft einer Zivilperson. Deswegen inter-
pretiert man diesen Artikel in dem Sinne, daß die
einfache Niederlassung einer religiösen Genossen-
schaft ohne weiteres erlaubt sei, daß aber Korpo-
rationsrechte nicht mehr wie früher auf dem Wege
der Verwaltung, sondern nur durch ein Gesetz ver-
liehen werden könnten. Ordensniederlassungen
besitzen in Luxemburg die Benediktiner (Abtei
St Moritz bei Klerf), Dominikaner (2), Re-
demptoristen (2), Jesuiten (1), Weißen Bäter (1),
die Missions Etrangeres von Paris (1), die
Priester vom heiligsten Herzen (2), Barmherzige
Brüder (3), Schulbrüder von La Salle (1), ferner
(1908) 14 weibliche Genossenschaften (126 mit
1300 Mitgliedern).
5. Schulwesen. Das Elementarunterrichts-
wesen weist die Verfassung (Art. 23) dem Staate
zu. Das Schulgesetz vom Jahre 1881 entzog dem
Ortsgeistlichen allen wirksamen Einfluß auf den
Volksunterricht und erschwerte das Zusammen-
wirken der weltlichen und der geistlichen Behörden
auf diesem Gebiete in hohem Grade. Auf der einen
Seite gilt die Religion als obligatorischer Unter-
richtszweig, auf der andern darf der Lehrer in der
Schule nichts lehren und nichts dulden, was
Luxemburg.
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irgendwie der religiösen Ansicht eines andern zu-
wider wäre. Die Folgen dieses konfessionslosen
Prinzips sind weniger fühlbar, weil es hier nur
selten konfessionell gemischte Schulen gibt, und
weil das ehemalige verhältnismäßig gute Regle-
ment einstweilen beibehalten wurde. Die Schul-
novelle vom 6. Juni 1898 nimmt den Katechis-
mus unter die Zahl der Schulbücher auf und er-
kennt dem Pfarrer die Mitgliedschaft in der Lokal-
schulkommission von Rechts wegen zu. Im Jahre
1909 gab es 19 höhere (Oberprimärschulen) und
880 niedere öffentliche Elementarschulklassen (Pri-
märschulen) mit etwa 37 500 Kindern und rund
900 Lehrkräften. Die Kosten für das öffentliche
Volksschulwesen (an 1½ Mill. Franken im Jahr)
werden teils vom Staate teils von den Gemein-
den gedeckt. Die Schulpflicht besteht vom 6. bis
12. Jahr. Für Ausbildung der Elementarlehrer
sorgt eine Normalschule (Lehrerbildungsanstalt)
mit einer getrennten Sektion für Lehrerinnen. Der
Kursus ist dreijährig.
Für höhere Bildung sorgen in Luxemburg
das Athenäum, ein Gymnasium in Diekirch, ein
Gymnasium in Echternach, eine Industrieschule in
Esch a. Alzette, eine Ackerbauschule in Ettelbrück,
7 höhere Töchterschulen und Pensionate. Das
Athenäum begreift einen einjährigen Oberkursus
mit zwei Sektionen für Philosophie und Litera-
tur und für Mathematik und Naturwissenschaf-
ten, ein sechsklassiges Gymnasium mit einer
Vorschule, endlich eine Gewerbe= und Handels-
schule mit sechs Klassen. Neben dem Athenäum
besteht ein bischöfliches Konvikt, dessen Zög-
linge zugleich Schüler des Athenäums sind. Der
Bischof macht von seinem Recht, ein kleines Se-
minar zu errichten, keinen Gebrauch, solange die
Gymnasien genügende Garantie für die religiöse
und moralische Erziehung der Jugend bieten. Der
Luxemburger hat freie Wahl in betreff der Uni-
versitäten, die er besuchen will, und besucht des-
halb deutsche und französische nach Belieben. Die
akademischen Grade werden durch von der Regie-
rung ernannte Jurys verliehen, und deren Er-
langung ist Advokaten, Richtern, Notaren, Pro-
fessoren, Arzten, Tierärzten und Pharmazeuten
vorgeschrieben. Dem Großherzog ist es vorbehal-
ten, Ausländer von Verdienst von dieser Pflicht
zu entbinden. Das großherzogliche Institut,
welches sich die Pflege der Wissenschaft zur Auf-
gabe gestellt hat, verzweigt sich in die archäolo-
gische, die naturhistorische und die medizinische
Gesellschaft.
Die Sprache des Landes ist im gewöhnlichen
Leben, selbst in den gebildeten Kreisen, der ein-
heimische (fränkische) Dialekt; die hochdeutsche
Schriftsprache und das Französische sind zwar ge-
setzlich gleichberechtigt, doch sind die Gesetzbücher
in französischer Sprache abgefaßt, das Memorial
(amtliches Blatt) in beiden Sprachen. Die Par-
lamentsverhandlungen, die Plädoyers vor Gericht
werden meist in der französischen Sprache geführt.