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Bundesfürsten, welcher nicht der eigne Landesherr
oder der Landesherr des Tatortes ist, werden mit
Zuchthaus oder Festungshaft von zwei bis zu zehn
Jahren, Beleidigungen gegen einen solchen Bun-
desfürsten, vorausgesetzt, daß dieser die Ermächti-
gung zur Verfolgung erteilt, mit Gefängnis oder
Festungshaft von einem Monat bis zu drei Jahren
bestraft. Neben der Zuchthausstrafe muß, neben
der Festungshaft im Falle des § 94 und der Ge-
fängnisstrafe im Falle des § 95 des St.G.B.
kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Amter
sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegange-
nen Rechte erkannt werden. Bei Tätlichkeiten gegen
den Kaiser, den Landesherrn und die Bundes-
fürsten kann beim Vorhandensein mildernder Um-
stände auf Festungshaft von fünf Jahren aufwärts
bzw. von sechs Monaten bis zu zehn Jahren er-
kannt werden. Die Verfolgung der Mazjestäts-
beleidigung geschieht von Amts wegen.
Die Beleidigung der Mitglieder des landes-
herrlichen Hauses des Staates des Täters oder
des Regenten seines Staates ober eines Mitgliedes
des landesherrlichen Hauses desjenigen Bundes-
staates, in welchem er sich befindet, oder des Re-
genten dieses Staates wird, wenn sie durch Tät-
lichkeiten erfolgt ist, mit Zuchthaus oder Festungs-
haft nicht unter fünf Jahren, in minder schweren
Fällen mit Zuchthaus oder Festungshaft von einem
bis zu fünf Jahren, wenn einfache Beleidigung
vorliegt, mit Gefängnis oder Festungshaft von
einem Monat bis zu drei Jahren bestraft (88 96,
97 des St.G.B.). Die Mitglieder des kaiserlichen
Hauses als solche werden durch diese Bestimmungen
nicht geschützt; sie sind nur als Mitglieder des
preußischen Herrscherhauses geschützt. Wer als
Mitglied eines bundesfürstlichen Hauses zu be-
trachten sei, wird durch die Verfassungs= und
etwaigen Hausgesetze des Partikularstaates be-
stimmt. In Preußen werden alle nachweislich
vom Stammvater des Hauses durch ebenbürtige
Ehen abstammenden Blutsverwandten beiderlei
Geschlechts dazu gerechnet, mit Ausnahme der-
jenigen weiblichen Glieder, welche durch Ver-
heiratung Mitglieder eines andern Fürstenhauses
geworden sind, sowie auch die ebenbürtigen Ge-
mahlinnen der männlichen Mitglieder. Regent
ist, wer namens oder in Vertretung des Landes-
herrn die Regierung führt.
Tätlichkeiten gegen ein Mitglied eines andern
bundesfürstlichen Hauses als des eignen oder des-
jenigen, in dessen Gebiet die Tat verübt wird,
sowie gegen den Regenten eines solchen Bundes-
staates sind mit Zuchthaus oder Festungshaft von
einem bis zu fünf Jahren und im Falle des Vor-
handenseins mildernder Umstände mit Festungs-
haft von einem Monat bis zu drei Jahren, Be-
leidigungen gegen den Regenten eines solchen
Bundesstaates im Falle der von demselben er-
teilten Ermächtigung zur Strafverfolgung mit
Gefängnis oder Festungshaft von einer Woche
bis zu drei Jahren bedroht (88 100, 101 des
Maigesetzgebung — Maistre.
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St.G.B.). Die Beleidigung der Mitglieder eines
solchen bundesfürstlichen Hauses ist aus § 185
des St.G.B. wie jede Beleidigung gegen eine
Privatperson zu bestrafen. — In allen Fällen der-
Majestätsbeleidigung und der Beleidigung von
Bundesfürsten finden die speziellen Strafvor=
schriften des St. G.B. selbstverständlich nur An-
wendung, sofern nicht in der Handlung ein anderes
Vergehen liegt, welches mit einer die Strafen dieser
Fälle übersteigenden Strafe bedroht ist. Deshalb
sind Tätlichkeiten gegen den Regenten eines Bun-
desstaates statt aus § 101 aus § 185, Verleum-
dungen gegen ein Mitglied des landesherrlichen
Hauses des eignen Staates oder des Staates des
Tatortes sowie gegen andere Bundesfürsten und
gegen Regenten statt aus den 8§ 97, 99, 101 aus
dem § 187 des St.G.B. zu bestrafen.
Die Strafbestimmungen gegen die Majestäts-
beleidigungen beziehen sich nur auf die fürstlichen
Häuser der zum Deutschen Reiche gehörenden
Staaten; aber auch die fremden Staaten müssen
gegen die von unserem Gebiete aus auf sie er-
folgenden Angriffe geschützt werden, und zwar so-
wohl wegen der gegenseitigen völkerrechtlichen Be-
ziehungen als auch deshalb, weil die internatio-
nale Rechtsgemeinschaft den Schutz jedes einzelnen
Mitgliedes derselben durch die andern erfordert.
Nach § 103 des St.G.B. wird mit Gefängnis
oder Festungshaft von einer Woche bis zu zwei
Jahren bestraft, wer sich gegen den Landesherrn
oder den Regenten eines nicht zum Deutschen
Reiche gehörenden Staates einer Beleidigung
schuldig macht, vorausgesetzt, daß in diesem Staate
dem Deutschen Reiche die Gegenseitigkeit verbürgt
und von der auswärtigen Regierung die Straf-
verfolgung beantragt ist. Der Papst ist kein
Landesherr im Sinne des St.G. B. Regent ist nur
der Stellvertreter des Landesherrn. Täter kann
jeder In= und Ausländer sein. Die Gegenseitig-
keit muß zur Zeit der Antragstellung verbürgt
sein. Sie wird schon durch die Bescheinigung einer
konstanten Gerichtspraxis, durch amtliche Auskunft
des Auswärtigen Amtes unter Angabe der die rich-
terliche Prüfung ermöglichenden Tatsachen bewie-
sen. Der Strafantrag kann bis zur Urteilspubli-
kation zurückgenommen werden. Bei Verleum-
dungen findet § 187 und bei Körperverletzung
§#223 des St.G. B. Anwendung. (Für Osterreich
vgl. St. G. B. 8§ 63, 64.)
Literatur. Verbrechen u. Vergehen gegen den
Staat u. die Staatsgewalt, bearbeitet v. van Calker,
M. E. Meyer u. Gerland, Bdl der Vergleichenden
Darstellungen des deutschen u. ausländ. Strafrechts
(1906); Bleeck, Die Majestätsbeleidigung im gelten-
den deutschen Strafgesetz (1909). lSpahn.]
Maigesetzgebung s. Kulturkampf.
Majorat s. Fideikommiß.
Maistre, Graf Joseph de, war geboren
zu Chambéry am 1. April 1754 als Sohn des
Grafen Franz Kaver de Maistre, Präsidenten des
Senats von Savoyen. Er wurde unter Leitung