989
nischen Marinekommission. Indessen gelang es
der deutschen Zentralgewalt nicht einmal, der be-
schlossenen schwarz-rot-goldenen deutschen Kriegs-
und Handelsflagge Anerkennung zu verschaffen;
England erklärte, daß es die deutsche Flagge
nicht kenne und solche unbekannte Flaggen in See
wie die von Seeräuberschiffen behandeln würde.
Ein Teil der kleinen, aus schwach gebauten Han-
delsschiffen zusammengesetzten Reichsflotte unter-
nahm am 4. Juni 1849 eine erste und einzige,
unter schwarz-rot-goldener Flagge erfolgte Rekog-
noszierungsfahrt von Bremerhaven aus in die
Nähe von Helgoland, wo es mit einer dänischen
Korvette zu einem erfolglosen Treffen kam. Selbst
diese wenigen deutschen Kriegsschiffe konnten nur
kurze Zeit kriegsfertig gehalten werden, da die von
der Nationalversammlung für das erste Jahr be-
willigten Matrikularbeiträge von 6 Mill. Talern
nur zur Hälfte einliefen und Preußen gegen Ende
des Jahres 1850 seine Flottenbeiträge ganz ein-
stellte. Mehr Bedeutung als die Reichsflotte er-
rang sich eine aus 14 Fahrzeugen bestehende vom
schleswig-holsteinischen Marineausschuß ins Leben
gerufene Flottille, welche 1849 und 1850 tapfer
und wiederholt erfolgreich gegen die Dänen,
kämpfte. Nachdem der Einheitstraum des deut-
schen Volkes ein rasches Ende gefunden hatte, löste
der deutsche Bundestag die Reichsflotte, deren
Besitz kein Bundesstaat dem andern gönnte, auf;
einige Schiffe wurden von Preußen gekauft, der
Rest 1852 zur öffentlichen Versteigerung gebracht.
Die schleswig-holsteinische Flottille verschwand mit
der Rückgabe Schleswig-Holsteins an Dänemark.
4. Preußen besaß 1848, als die dänischen
Kriegsschiffe sich vor die Ostseehäfen legten, so
gut wie keine Kriegsmarine, nämlich nur zwei
Kanonenjollen und eine Korvette, keine genügen-
den Seeoffiziere und Mannschaften, keine Kriegs-
häfen; es entschloß sich aber nunmehr, außer den
schleunigen Maßnahmen gegen den därischen
Feind, welche zu einer Entscheidung nicht führten,
eine dauernde Kriegsmarine zu schaffen. Diese
Bemühungen waren wesentlich ein Verdienst des
Prinzen Adalbert. In der Nordsee wurde
1853 der Jadebusen als Kriegshafen erworben.
Im dänischen Krieg 1864 konnte die preußische
Flotte, da ein Teil ihrer Schiffe im Mittelmeer
und in Ostasien sich befand, gegenüber der über-
legenen dänischen Flotte Erfolge nicht erzielen.
In der Nordsee vereinigten sich drei aus dem
Mittelmeer zurückgekehrte preußische Kriegsfahr-
zeuge mit zwei österreichischen Schraubenfregatten
unter Kommodore Tegetthoff und lieferten bei
Helgoland gegen ein dänisches Geschwader, be-
stehend aus einer Fregatte und zwei Korvetten, ein
Gefecht; als die Osterreicher Zuzug bekamen, ver-
ließ das dänische Geschwader die Nordsee. Die
preußische Flotte hat schließlich, obwohl die
Flottenpläne von 1862 und 1865 die Billigung
des Abgeordnetenhauses nicht gefunden hatten, eine
Stärke von 84 Kriegsfahrzeugen mit 490 Ge-
Marinewesen.
990
schützen, 122 Seeoffizieren, 1393 Mannschaften
erreicht.
5. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes
vom 1. Juli 1867 schuf eine einheitliche Bundes-
Kriegsmarine unter preußischem Oberbefehl.
Schon unterm 15. Okt. 1867 legte der Bundes-
kanzler v. Bismarck dem Reichstag einen von
Roon entworfenen Flottenplan nebst einem Ge-
setzentwurf zur Verwilligung der erforderlichen
Geldmittel vor. In den Motiven dieser für die
ganze fernere Entwicklung der deutschen Seemacht
grundlegenden Vorlage wird gesagt:
„Norddeutschland darf nicht länger zögern, in
die Reihe der größeren Seemächte einzutreten,
um den bedeutenden Seehandel Norddeutschlands
zu schützen und die vaterländischen Küsten und
Häfen an der Ost= und Nordsee zu verteidigen, und
um für alle Zukunft seinen Einfluß in europäischen
Angelegenheiten, zumal wenn diese solche Länder
betreffen, welche nur zur See erreichbar sind, wahren
zu können. Diesem Zweck und Ziele zu entsprechen,
muß die Bundesmarine sich folgende Aufgabe
stellen: 1) Schutz und Vertretung des See-
handels Norddeutschlands auf allen
Meeren und Erweiterung seiner Rechte
und seiner Beziehungen; 2) Verteidi-
gung der vaterländischen Küsten und
Häfen an der ÖOst= und Nordsee; 3) Ent-
wicklung deseignen Offensivvermögens
nicht bloß zur Störung feindlichen See-
handels, sondern auch zum Angriff feind-
licher Flotten, Küsten und Häfen. Um
auch nur den defensiven Teil dieser Aufgabe zweck-
entsprechend durchführen zu können, bedarf es einer
arine, welche imstande ist, unter Umständen die
Offensive zu ergreifen. Eine Marine aber, welche
die ganze Aufgabe lösen soll, wird von einer solchen
Stärke und so gegliedert sein müssen, daß sie mit
einem Teil den Seehandel in fernen Meeren zu
schützen, mit dem zweiten Teil die Küsten des eignen
Landes zu decken und mit dem wichtigsten und
stärksten Teil die Hauptmacht des Feindes auf hoher
See anzugreifen, sie in ihre eignen Häfen zurück-
zuwerfen und diese zu blockieren vermag."
Im einzelnen war vorgeschlagen, im ersten
Bauabschnitt von zehn Jahren mit einer jähr-
lichen Gesamtausgabe für die Marine im Betrag
von 8 Mill. Taler die Flotte auf 16 Panzer-
schiffe und Fahrzeuge, 20 Korvetten, 8 Avisos,
3 Transportschiffe, 22 Dampfkanonenboote, 2 Ar-
tillerieschiffe und 5 Übungsschiffe zu bringen, die
Kriegshäfen Wilhelmshaven und Kiel herzustellen
und den Personalbestand der Marine auf 350
Offiziere, 5660 Seeleute, 1019 Maschinisten und
Heizer, 460 Handwerker, 10 Kompagnien See-
soldaten und 8 Kompagnien Seeartillerie zu ver-
mehren. Die geforderten Gelder sind vom Reichs-
tag in den einzelnen Etatsjahren bewilligt worden
ohne formelle Genehmigung des Flottenplanes.
In dem Krieg gegen Frankreich 1870/71 war die
noch wenig entwickelte Bundesflotte außer stand,
die Blockierung der deutschen Küsten und Häfen
durch die übermächtige französische Panzerflotte zu
verhindern. Die im Ausland befindlichen deutschen