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Kriegsfahrzeuge wurden von überlegenen franzö-
sischen Schiffen in neutralen Häfen eingeschlossen;
doch gelang es dem Kanonenbot „Meteor“ unter
Kapitänleutnant Knorr im Hafen von Habana,
den größeren französischen Aviso „Bouvet“ im Ge-
fecht kampfunfähig zu machen, und die Korvette
„Augusta“ unter Kapitän Weikhmann kaperte an
der französischen Küste drei französische Schiffe.
6. Mit der Gründung des neuen Deutschen
Reichs 1871 wurde die Marine des Norddeut-
schen Bundes zur Kriegsmarine des Reichs. Durch
den neuen Chef der kaiserlichen Admiralität, Ge-
neralleutnant v. Stosch, wurde 1873 dem
Reichstag ein neuer Flottenplan vorgelegt, welcher
für die Jahre 1873/82 außerordentliche Ausgaben
für die Marine im Gesamtbetrag von 218 Mill. M
forderte. In der Begründung dieses Planes finden
sich folgende Ausführungen, die den noch frischen
Eindruck der gewaltigen Siege des Heeres, aber
auch den Gegensatz zu der Begründung früherer
und späterer Flottenpläne ersehen lassen:
„Die Offensivkraft in einem großen
Krieg kann undmuß Deutschland seiner
Landormeeüberlassen. Die deutsche Flotte
hat nicht die Aufgabe, gegen die großen europäischen
Staaten offensiv zu verfahren, sondern sie soll nur
dahin unsere Macht tragen, wo wir kleinere Inter-
essen zu vertreten haben und wo wir die eigentliche
Macht unseres Staates, die Landmacht, nicht anders
hinbringen können. Unsere Offensive wird bestehen
in Angriffen gegen Flottillen und gegen Küsten-
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in der Welt zu erhalten trachtet. Es ist wahr, See-
schlachten allein entscheiden nur selten über das
Schicksal von Staaten, und auf absehbare Zeit hin-
aus liegt die Entscheidung jedes Krieges für Deutsch-
land in seinem Landheer. Aber wenn die deutsche
Flotte auch nur befähigt sein soll, einer noch un-
fertigen Staatenbildung jenseits des Ozeans Re-
spekt einzuflößen, oder wenn sie in einem europäi-
schen Krieg auch nur gegen eine der kleinsten See-
mächte mit Erfolg auftreten soll, auch nur ein
dürftiges Küstenfort anzugreifen, bedarf sie der
Panzerschiffe. Und wenn in einem größeren Kriege
gegen zur See überlegene Mächte die deutsche Flagge
allein sich auf dem Meere nicht behaupten könnte,
so würde sie ohne Panzerschiffe für maritime Bun-
desgenofsen keinen Wert haben.“
Von größter Bedeutung für die deutsche Ma-
rine wurde die Thronbesteigung Kaiser Wil-
helms II. (15. Juni 1888), welcher der Marine
ein besonders lebhaftes und warmes Interesse zu-
wandte. Eine der ersten Handlungen des neuen
Kaisers war im Juli 1888 die Übertragung des
Oberbefehls über die Marine, die bisher stets von
Landoffizieren befehligt worden war, auf einen
Seeoffizier, und seitdem blieb der Oberbefehl über
die Marine in den Händen von Fachleuten. Esfolgte
am 1. Juli 1890 die Erwerbung Helgolands
für Preußen, wodurch die Marine einen aus-
gezeichneten Stützpunkt und infolge seiner Befesti-
gung auch ein mächtiges Bollwerk gewann. Von
großem Interesse war ferner die Erbauung des
ewesen.
forts in mehr oder minder entfernten Gewässern. Nordostseekanals, eröffnet 21. Juni 1895,
Im Falle eines europäischen Krieges mit den großen welcher die Möglichkeit gewährte, die deutsche
Seemächten ist die deutsche Kriegsmarine nicht im= Kriegsflotte in der Nordsee oder in der Ostsee je
stande, unsere Handelsmarine zu schützen dies kann nach Bedarf durch Schiffe aus dem andern Meeres-
nur indirekt durch unsere Landmacht geschehen.“ teil rasch zu verstärken. Endlich hat die Besitz-
Auch diese Forderungen fanden ohne formelle ergreifung der Kiautschoubucht am 14. Nov.
Annahme des Flottenplanes die Zustimmung des 1897 Deutschland eine wertvolle Flottenstation
Reichstages. General v. Caprivi, Chef der für die in Ostasien sich aufhaltenden deutschen
Admiralität, forderte und erlangte sodann 1884 1 Kriegsschiffe gebracht. Der Kaiser trat auch in
als besonders dringliche Maßregel den Bau von öffentlichen Reden nachdrücklichst für die Ver-
70 Torpedobooten für 16,8 Mill. M. Über die stärkung der Flotte ein, so bei der Jubiläumsfeier
Hochseepanzerschiffe sprach sich Caprivi in einer der Gründung des Deutschen Reichs am 18. Jan.
dieser Exigenz angefügten Denkschrift dahin aus: 1896 im Schloß zu Berlin, wo er die um ihn ver-
„Ohneden Hintergrund vongepanzerten Schlacht= sammelten Reichstagsabgeordneten darauf hin-
schiffen, ohne die Sicherheit, in einer gesammelten, wies, daß aus dem Deutschen Reich ein „Welt-
kampfbereiten Hochseeflotte nötigenfalls ausgiebige reich“ geworden sei, und sie aufforderte, ihm in
Unterstützung finden zu können, würde ein der der Erfüllung seiner Schutzpflicht gegenüber den
Weltstellung des deutschen Kaiserreiches angemese Deutschen im Ausland zu helfen und dieses
senes Auftreten der Schiffe des politischen Dienstes größere deutsche Reich“ fest an das hei-
auf die Dauer nicht gewährleistet sein. — Man mif ch lieder Aus späteren Kaiserreden
kann gepanzerte Schiffe und schwere Artillerie da mische anzugliedern. Aus sp
nicht entbehren, wo um die Beherrschung eines mögen folgende charakteristische Außerungen her-
Meeresteiles gekämpft werden soll. Solchen Kampf vorgehoben werden: „Der Dreizack gehört in un-
muß indes jede europäische Flotte im Auge haben, sere Faust“ (Köln, 18. Juni 1897); „Reichs-
für ihn muß sie einen Teil ihrer Streitmittel zu= gewalt bedeutet Seegewalt, und Seegewalt und
richten, wenn sie überhaupt eine Flotte bleiben will. Reichsgewalt bedingen sich gegenseitig so, daß die
Eine Marine, die ihren Schwerpunkt auf oder am eine ohne die andere nicht bestehen kann“ (Kiel,
Land suchte, verdiente den Namen nicht mehr. 16. Dez. 1897); „Unsere Zukunft liegt auf dem
Immer mehr hören die Meere auf, die Nationen Waf «' ttin 23 Sept. 1898); „Bitter not
zu trennen, und immer mehr scheint der Gang der asser ettin, 23. Sept. 27
Geschichte darauf hinzuweisen, daß sich ein Staat ist uns eine starke deutsche Flotte“ (Hamburg,
von der See nicht zurückziehen darf, wenn er auch 18. Okt. 1899); „Der Wellenschlag des Ozeans
über die nächste Zukunft hinaus sich eine Stellung klopft mächtig an unseres Volkes Tore und zwingt