Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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biet entfallen. Den Kern (über die Hälfte) bildet 
die weiße, hamitische Rasse der Berber, die noch 
rein im Atlas und Rif sich erhalten hat und eine 
vom Arabischen verschiedene Sprache spricht; seit 
der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. wanderten 
Araber ein, die sich besonders im Atlasvorland 
festsetzten und sich zum Teil mit den Berbern, 
denen sie ihre Sprache aufdrangen, vermischten. 
In den Städten leben zahlreiche Mauren, Nach- 
kommen der aus Spanien vertriebenen Araber, 
die sich selbst, Andalusi“ nennen. Die im ganzen 
Land, besonders in den Städten, vorhandenen 
Juden (an 300 000), die meist von den im 13. 
bis 16. Jahrh. aus Spanien, Portugal, Frank- 
reich, England und den Niederlanden vertriebenen 
Israeliten abstammen, sind unentbehrlich als Ver- 
mittler der Geldgeschäfte, des Handels zwischen 
Europäern und Eingebornen, als Dolmetscher 
u. dgl. Die Neger (etwa 100.000) sind meist 
Sklaven oder Nachkommen von solchen. Die Euro- 
päer (Rumi oder Nasrani genannt; 1904: 8883, 
davon 6813 Spanier, 1027 Briten, 784 Fran- 
zosen, 169 Deutsche) wohnen nur in den den 
Fremden geöffneten Handelsplätzen und den beiden 
Hauptstädten Fes und Marrakesch, am meisten in 
Tanger. Die einheimische Bevölkerung ist teils 
seßhaft (außer in den Städten im allgemeinen in 
den Gebirgsgegenden, im Atlasvorland und den 
Oasen) teils nomadisch. — Die Hauptorte des 
Landes sind Fes (nach Larras 65000 Einwohner), 
Marrakesch (57000, wozu wie in Fes beim Auf- 
enthalt des Sultans noch 10/15000 Köpfe dazu- 
kommen), Meknes (20 000), Tanger (30/32000), 
Rabat (20/25 000), Masagan (20/22.000), 
Mogador (20 000), Salé (15 000), El-Kafr 
(10/11.000 Einwohner). 
Kaum die Hälfte des Landes ist dem Sultan 
wirklich in Form von Steuerleistung und Militär- 
dienst unterworfen, im allgemeinen das Atlas- 
vorland, die Landschaft Sus zwischen Atlas und 
Antiatlas und die Oase Tafilelt (südlich vom At- 
las), das Stammland der herrschenden Dynastie. 
Diesem „Beled el-Machsen“ oder Regierungsland 
genannten Gebiet steht gegenüber das „Beled es- 
Siba“, Gebiet der Unabhängigkeit, das von 
Stämmen bewohnt wird, die Steuern und Militär= 
dienst verweigern, den Sultan höchstens als reli- 
giöses Oberhaupt-anerkennen und nur gelegentlich 
durch militärische Expeditionen zeitweilig unter- 
worfen werden; dazu gehören besonders die Rif- 
kabylen, die Berbern des zentralen Atlas und die im 
äußersten Süden und Osten (um den Schott Tigri) 
wohnenden Stämme. Je nach der Macht und Tat- 
kraft eines Sultans schwanken die Grenzen zwischen 
unterworfenem und freiem Gebiet bedeutend. Einige 
Plätze an der Nordküste, die Presidios (Ceuta, Me- 
lilla usw.), sind im Besitz der Spanier, im Osten 
halten die Franzosen die Oase Figig und Udschda, 
im Westen „vorläufig“ Casablanca besetzt. 
Die Haupterwerbszweige der Bevölkerung sind 
Landwirtschaft und Viehzucht. Für den Ackerbau 
  
Marokko. 
  
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geeignet ist in erster Linie das etwa 80 000 qkm 
umfassende ebene und hügelige Atlasvorland 
Gwischen dem Nordwestabhang des Atlas und 
dem Atlantischen Ozean), besonders das etwa 
40 000 qkm große, überaus fruchtbare Schwarz- 
und Roterdegebiet des „Tir“ und „Hamri“ zwi- 
schen den Flüssen Sebu und Tensift, eine der 
Kornkammern des alten Rom; ferner zahlreiche 
Oasen in den Tälern des Atlas und Rif und in 
der Wüste (Sus, Draa, Tafilelt usw.). Der Acker- 
bau wird besonders von den Berbern sehr sorg- 
fältig (Terrassenanlagen an den Berghängen), 
wenn auch noch mit den primitivsten Werkzeugen, 
betrieben; angepflanzt werden Durra, Reis, Wei- 
zen, Gerste, Linsen, Erbsen, Kartoffeln, Flachs, 
Hanf, von Gemüsen Melonen, Kürbisse, Toma- 
ten, Rüben usw. Von großer Bedeutung ist die 
Kultur der Fruchtbäume: Dattelpalmen (in den 
Oasen südlich vom Atlas und am Nordfuß des 
Gebirges), Orangen (bes. um Marrakesch), Ol-, 
Feigen-, Zitronen-, Mandel-, Nußbäume usw.; 
auch Weinbau ist ziemlich verbreitet. Die Vieh- 
zucht steht im allgemeinen auf niedriger Stufe 
trotz der günstigen Vorbedingungen, die vor allem 
das Atlasvorland bietet; von Nutztieren werden 
gezogen Pferde, Rinder (auf 6/7 Mill. geschätzt), 
Schafe (45 Mill.), Ziegen (10/12), Esel und 
Maultiere (4), Kamele (/8 Mill.) und Hühner. 
Von den wilden Tieren ist die Heuschrecke oftmals 
eine furchtbare Plage für das Land. Bedeutend 
ist der Fischreichtum der Flüsse und an der Küste. 
— Marokko gilt als reich an Bodenschätzen, doch 
ist das Schürfen danach verboten und sichere 
Nachrichten über Abbaufähigkeit der Vorkommen 
schwer zu erhalten. Gold kommt im Südwesten 
(Sus) vor, Silber ebenda und im Norden, Kupfer 
an vielen Orten (in Sus und Udschda früher 
ausgebeutet), Eisen im Südwesten (Dschebel Ha- 
did bei Mogador), bei Melilla (Abbau neuerdings 
von Spaniern in Angriff genommen; Bahn im 
Bau), im Atlas, ferner Salz (Meer= und Stein- 
salz, Salzquellen), Schwefel, Marmor (Marra- 
kesch usw.), einige Mineralquellen (bei Fes usw.); 
doch ist, mit Ausnahme von Salz, alles, was 
Marokko an Bodenschätzen besitzt, unter den jetzigen 
Verhältnissen wirtschaftlich wertlos. — Die ge- 
werbliche Tätigkeit ist gering und beschränkt sich 
im allgemeinen auf die Herstellung der notwen- 
digen Gebrauchsgegenstände. Eines guten Rufes 
auch im Ausland erfreuen sich die Arbeiten aus 
Leder (Saffian und Maroquin), die Teppiche 
(aus Rabat), Messingteller (Mogador), Waffen; 
ferner Wollgewebe, Stickereien, Töpferarbeiten, 
aus Kamel= und Ziegenhaaren hergestellte Zelt- 
decken, Flechtereien aus Halfagras und dem Bast 
der Zwergpalme, Filigranarbeiten usw. 
Der Handel wird durch mancherlei Beschrän- 
kungen, durch ungünstige Landeverhältnisse in den 
allein dem fremden Handel geöffneten acht Häfen 
(Tanger, Tetuan, Larasch, Rabat, Casablanca, 
Masagan, Safi und Mogador), durch unge-
	        
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