1005
biet entfallen. Den Kern (über die Hälfte) bildet
die weiße, hamitische Rasse der Berber, die noch
rein im Atlas und Rif sich erhalten hat und eine
vom Arabischen verschiedene Sprache spricht; seit
der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. wanderten
Araber ein, die sich besonders im Atlasvorland
festsetzten und sich zum Teil mit den Berbern,
denen sie ihre Sprache aufdrangen, vermischten.
In den Städten leben zahlreiche Mauren, Nach-
kommen der aus Spanien vertriebenen Araber,
die sich selbst, Andalusi“ nennen. Die im ganzen
Land, besonders in den Städten, vorhandenen
Juden (an 300 000), die meist von den im 13.
bis 16. Jahrh. aus Spanien, Portugal, Frank-
reich, England und den Niederlanden vertriebenen
Israeliten abstammen, sind unentbehrlich als Ver-
mittler der Geldgeschäfte, des Handels zwischen
Europäern und Eingebornen, als Dolmetscher
u. dgl. Die Neger (etwa 100.000) sind meist
Sklaven oder Nachkommen von solchen. Die Euro-
päer (Rumi oder Nasrani genannt; 1904: 8883,
davon 6813 Spanier, 1027 Briten, 784 Fran-
zosen, 169 Deutsche) wohnen nur in den den
Fremden geöffneten Handelsplätzen und den beiden
Hauptstädten Fes und Marrakesch, am meisten in
Tanger. Die einheimische Bevölkerung ist teils
seßhaft (außer in den Städten im allgemeinen in
den Gebirgsgegenden, im Atlasvorland und den
Oasen) teils nomadisch. — Die Hauptorte des
Landes sind Fes (nach Larras 65000 Einwohner),
Marrakesch (57000, wozu wie in Fes beim Auf-
enthalt des Sultans noch 10/15000 Köpfe dazu-
kommen), Meknes (20 000), Tanger (30/32000),
Rabat (20/25 000), Masagan (20/22.000),
Mogador (20 000), Salé (15 000), El-Kafr
(10/11.000 Einwohner).
Kaum die Hälfte des Landes ist dem Sultan
wirklich in Form von Steuerleistung und Militär-
dienst unterworfen, im allgemeinen das Atlas-
vorland, die Landschaft Sus zwischen Atlas und
Antiatlas und die Oase Tafilelt (südlich vom At-
las), das Stammland der herrschenden Dynastie.
Diesem „Beled el-Machsen“ oder Regierungsland
genannten Gebiet steht gegenüber das „Beled es-
Siba“, Gebiet der Unabhängigkeit, das von
Stämmen bewohnt wird, die Steuern und Militär=
dienst verweigern, den Sultan höchstens als reli-
giöses Oberhaupt-anerkennen und nur gelegentlich
durch militärische Expeditionen zeitweilig unter-
worfen werden; dazu gehören besonders die Rif-
kabylen, die Berbern des zentralen Atlas und die im
äußersten Süden und Osten (um den Schott Tigri)
wohnenden Stämme. Je nach der Macht und Tat-
kraft eines Sultans schwanken die Grenzen zwischen
unterworfenem und freiem Gebiet bedeutend. Einige
Plätze an der Nordküste, die Presidios (Ceuta, Me-
lilla usw.), sind im Besitz der Spanier, im Osten
halten die Franzosen die Oase Figig und Udschda,
im Westen „vorläufig“ Casablanca besetzt.
Die Haupterwerbszweige der Bevölkerung sind
Landwirtschaft und Viehzucht. Für den Ackerbau
Marokko.
1006
geeignet ist in erster Linie das etwa 80 000 qkm
umfassende ebene und hügelige Atlasvorland
Gwischen dem Nordwestabhang des Atlas und
dem Atlantischen Ozean), besonders das etwa
40 000 qkm große, überaus fruchtbare Schwarz-
und Roterdegebiet des „Tir“ und „Hamri“ zwi-
schen den Flüssen Sebu und Tensift, eine der
Kornkammern des alten Rom; ferner zahlreiche
Oasen in den Tälern des Atlas und Rif und in
der Wüste (Sus, Draa, Tafilelt usw.). Der Acker-
bau wird besonders von den Berbern sehr sorg-
fältig (Terrassenanlagen an den Berghängen),
wenn auch noch mit den primitivsten Werkzeugen,
betrieben; angepflanzt werden Durra, Reis, Wei-
zen, Gerste, Linsen, Erbsen, Kartoffeln, Flachs,
Hanf, von Gemüsen Melonen, Kürbisse, Toma-
ten, Rüben usw. Von großer Bedeutung ist die
Kultur der Fruchtbäume: Dattelpalmen (in den
Oasen südlich vom Atlas und am Nordfuß des
Gebirges), Orangen (bes. um Marrakesch), Ol-,
Feigen-, Zitronen-, Mandel-, Nußbäume usw.;
auch Weinbau ist ziemlich verbreitet. Die Vieh-
zucht steht im allgemeinen auf niedriger Stufe
trotz der günstigen Vorbedingungen, die vor allem
das Atlasvorland bietet; von Nutztieren werden
gezogen Pferde, Rinder (auf 6/7 Mill. geschätzt),
Schafe (45 Mill.), Ziegen (10/12), Esel und
Maultiere (4), Kamele (/8 Mill.) und Hühner.
Von den wilden Tieren ist die Heuschrecke oftmals
eine furchtbare Plage für das Land. Bedeutend
ist der Fischreichtum der Flüsse und an der Küste.
— Marokko gilt als reich an Bodenschätzen, doch
ist das Schürfen danach verboten und sichere
Nachrichten über Abbaufähigkeit der Vorkommen
schwer zu erhalten. Gold kommt im Südwesten
(Sus) vor, Silber ebenda und im Norden, Kupfer
an vielen Orten (in Sus und Udschda früher
ausgebeutet), Eisen im Südwesten (Dschebel Ha-
did bei Mogador), bei Melilla (Abbau neuerdings
von Spaniern in Angriff genommen; Bahn im
Bau), im Atlas, ferner Salz (Meer= und Stein-
salz, Salzquellen), Schwefel, Marmor (Marra-
kesch usw.), einige Mineralquellen (bei Fes usw.);
doch ist, mit Ausnahme von Salz, alles, was
Marokko an Bodenschätzen besitzt, unter den jetzigen
Verhältnissen wirtschaftlich wertlos. — Die ge-
werbliche Tätigkeit ist gering und beschränkt sich
im allgemeinen auf die Herstellung der notwen-
digen Gebrauchsgegenstände. Eines guten Rufes
auch im Ausland erfreuen sich die Arbeiten aus
Leder (Saffian und Maroquin), die Teppiche
(aus Rabat), Messingteller (Mogador), Waffen;
ferner Wollgewebe, Stickereien, Töpferarbeiten,
aus Kamel= und Ziegenhaaren hergestellte Zelt-
decken, Flechtereien aus Halfagras und dem Bast
der Zwergpalme, Filigranarbeiten usw.
Der Handel wird durch mancherlei Beschrän-
kungen, durch ungünstige Landeverhältnisse in den
allein dem fremden Handel geöffneten acht Häfen
(Tanger, Tetuan, Larasch, Rabat, Casablanca,
Masagan, Safi und Mogador), durch unge-