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kannte die Notwendigkeit an, „daß Mecklenburg
in die Reihe der konstitutionellen Staaten ein-
trete“; Georg von Mecklenburg-Strelitz (1816
bis 1860) erklärte sich am 25. März in gleichem
Sinne. Die Stände gaben ihre grundgesetzlichen
Landstandschaftsrechte auf, und am 31. Okt. 1848
trat eine nach vereinbartem Wahlgesetz gewählte
konstituierende Versammlung zusammen. Infolge
zu weit gehender Forderungen löste Mecklenburg-
Strelitz am 13. Aug. 1849 die Kammer einseitig
auf, während der Großherzog von Mecklenburg-
Schwerin das vereinbarte Staatsgrundgesetz am
23. Aug. beschwor und am 10. Okt. 1849 ver-
kündete. Der erste ordentliche Landtag wurde für
den 27. Febr. 1850 einberufen. Außer Mecklen-
burg-Strelitz protestierten auch die Agnaten beider
Herrscherlinien (darunter Preußen auf Grund des
Vertrages von 1442) und die Ritterschaft gegen
die neue Verfassung und wandten sich an den
Deutschen Bund. Das Bundesschiedsgericht
(v. Götze, v. Scheele und v. Langenn) entschied
am 11. Sept. 1850 zugunsten der Kläger (Freien-
walder Schiedsspruch); der Großherzog hob am
14. Sept. die Verfassung auf, und der altstän-
dische Landtag trat am 15. Febr. 1851 wieder
zusammen.
Im deutschen Kriege 1866 stellten sich die
Großherzogtümer auf die Seite Preußens; am
21. Aug. 1866 traten sie mit einigen Vorbehalten
wegen des Zollvereins und des Elbzolles dem
Norddeutschen Bunde bei und wurden 1871 Be-
standteile des Deutschen Reichs. In den 1870er
Jahren wurden die Verhandlungen über die
Verfassungsreform wieder ausgenommen; sie schei-
terten aber am Widerspruch der Ritterschaft.
1880 fanden Verhandlungen zwischen Kommis-
sarien der Regierung und Deputierten der Stände
statt, die ebenfalls zu keinem Ergebnis führten. Die
Mecklenburgischen Reichstagsabgeordneten (Antrag
Büsing) versuchten die Verfassungsfrage mit Hilfe
des Reichs zu ordnen; sie beantragten im Reichs-
tag eine Abänderung des Art. 3 der Reichsverf.,
nach dem in jedem Bundesstaate eine geord-
nete Volksvertretung bestehen müsse. Dieser An-
trag wurde 1871, 1873 und 1874 vom Reichs-
tage angenommen. Am 26. Okt. 1875 sprach der
Bundesrat die Erwartung aus, es werde den
beiden Regierungen gelingen, eine Umgestaltung
der Verfassung mit dem Landtag zu vereinbaren.
Im Reichstag wurden dann noch wiederholt An-
träge und Interpellationen eingebracht, zuletzt im
Jan. 1905, eine Einmischung seitens des Bundes-
rats als eine Verletzung der Reichsverfassung aber
abgelehnt. Durch die Initiative des Großherzogs
von Mecklenburg = Schwerin wurde im März
1907 die Einführung einer Verfassung aufs neue
angeregt. Der mit Zustimmung beider Regie-
rungen eingebrachte Entwurf scheiterte auf dem
Landtag von 1908 an dem Widerspruch der
Ritterschaft, ebenso der abgeänderte Entwurf auf
dem Landtag von 1909; die endgültige Entschei-
Mecklenburg.
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dung ist damit nicht gefallen, da die Landesherren
die Annahme der negativen Antwort ablehnten.
Am 10. Dez. 1909 wurde den Ständen von bei-
den Landesherren mitgeteilt, daß ein Eingreifen
des Reiches für die Zukunft nicht abgelehnt wer-
den solle.
Der gegenwärtige Großherzog von Mecklen-
burg-Schwerin, Friedrich Franz IV. (geb. 9. April
1882) folgte seinem Vater Friedrich Franz III.
(1883/97) unter Vormundschaft seines Oheims,
des Herzogs Johann Albrecht (jetzt Regent von
Braunschweig), und übernahm die Regierung am
9. April 1901; seit 7. Juni 1904 ist er, bis jetzt
kinderlos, verheiratet mit Alexandra, einer Tochter
des Herzogs von Cumberland. — Großherzog
von Mecklenburg-Strelitz ist Adolf Friedrich (geb.
22. Juli 1848), der seinem Vater Friedrich Wil-
helm (1860/1904) am 30. Mai 1904 folgte;
seit 1877 ist er mit Elisabeth, Prinzessin von
Anhalt, verheiratet (Erbgroßherzog Adolf Fried-
rich, geb. 1882).
2. Bevölkerung, Erwerbsverhältnisse.
Mecklenburg-Schwerin setzt sich zusammen aus
dem früheren Herzogtum Mecklenburg, dem wen-
dischen Kreise des früheren Herzogtums Mecklen-
burg--Güstrow, der Stadt Rostock mit dem Ro-
stocker Distrikt, dem Fürstentum Schwerin (früher
Bistum) und der Herrschaft Wismar. Zwei Ex-
klaven, NRetzeband und Rossow, liegen im Preu-
ßischen, eine dritte, Ahrensberg, in der Strelitzer
Herrschaft Stargard; im Osten ist ein preußischer
Gebietsanteil eingeschlossen. Auf einem Flächen-
raum von 13127 qkm wurden am 1. Dez. 1905
gezählt 625045 (309 150 männliche und 315895
weibliche) Einwohner, 47 (1871: 42,5) auf
1 qdkm. Die Volksdichtigkeit der beiden Mecklen-
burg ist die niedrigste in Deutschland. Die Be-
völkerung betrug 1816: 308000, 1855: 541000,
1895: 597000, 1900: 608.000 Seelen. Die
Bevölkerungszunahme 1871/1905 beträgt 12 %,
die 1900/05: 2,8 %. Dem Bekenntnis nach
waren 1905: 609 914 Evangelische, 12 835 Ka-
tholiken, 1482 Juden; auf 1000 Einwohner
kamen 976 (1871: 992) Epvangelische, 20
(1871: 3) Katholiken, 2,4 (1871: 5,3) Juden.
Die Bevölkerung verteilt sich auf 879 Gutsbe-
zirke, 905 Land= und 42 Stadtgemeinden; von
letzteren zählte (1905) Schwerin 41 628, Rostock
60 793, Wismar 21 902, Güstrow 17 161 Ein-
wohner.
Mecklenburg-Strelitz besteht aus zwei getrennten
Teilen, der Herrschaft Stargard und dem Fürsten-
tum Ratzeburg, drei unbedeutenden Exklaven im
Lauenburgischen und einer im Schwerinischen; ein-
geschlossen ist ein kleiner preußischer Gebietsanteil.
Auf einem Flächenraum von 2930 qkm wurden
am 1. Dez. 1900 gezählt 103 451 (51 484 männ-
liche und 51 967 weibliche) Einwohner, 35 (1871:
33,1) auf 1 qkm. Die Volkszahl betrug 1816:
720000, 1855: 99.000, 1895: 102 000, 1900:
102 602 Seelen. Die Bevölkerungszunahme