1077
terielle, einfache Substanz, kann daher der Kor-
ruption und Auflösung nicht unterliegen; sie ist
ihrer Natur nach inkorruptibel.
Die Menschenseele ist aber auch unsterblich,
d. h. sie behält nach dem Tode des Leibes nicht
bloß ihre Existenz, sondern lebt auch als selbst-
bewußtes, erkennendes und wollendes Wesen fort.
Allerdings, die vegetativen und sensitiven Lebens-
sunktionen kann die Seele nur in Verbindung und
einheitlich mit den dazu geordneten Organen des
Leibes ausüben. Wenn sie daher vom Leibe ge-
trennt ist, müssen diese Lebensfunktionen aufhören.
Die intellektiven Lebensfunktionen, das Denken
und Wollen, können aber, da sie an leibliche Or-
gane nicht gebunden sind, von der Seele auch dann
noch ausgeübt werden, wenn sie vom Leibe ge-
trennt ist. Solange die Seele als forma substan-
tialis mit dem Leibe vereinigt ist, ist sie allerdings
in ihren intellektiven Lebensfunktionen von den
sensitiven insofern abhängig, als das intellektive
Leben ohne vorausgehende Betätigung und Ent-
wicklung des sensitiven nicht zur Betätigung und
Entwicklung gelangen kann. Ist aber die Seele
vom Leibe getrennt, dann hat diese Abhängigkeit
des intellektiven vom sensitiven Leben aufgehört;
ihr intellektives Leben steht dann auf gleicher Stufe
mit dem Leben der übrigen formae separatae,
der Engel, ist daher als ein kontinuierlich selbst-
bewußtes zu denken. Und darin besteht eben die
Unsterblichkeit der Menschenseele.
Allerdings ist hierzu die Forterhaltung der
Seele von seiten Gottes vorausgesetzt; denn ohne
diese könnte ja kein Wesen eine Dauer haben.
Aber an dieser göttlichen Erhaltung ist nicht zu
zweifeln. Die Endbestimmung des Menschen ist
nämlich die Glückseligkeit, und zwar nicht eine
unvollkommene, sondern die vollkommene Glück-
seligkeit, auf welche alles Tun und Lassen des
Menschen hienieden von Natur aus hingerichtet ist.
Es mufß also für den Menschen ein höchstes Gut
geben, durch dessen Erreichung er vollkommen
glücklich wird. Und er muß dieses wirklich er-
reichen können; denn sonst strebte der Mensch
allein unter allen Wesen von Natur aus nach
einem Ziel, das für ihn unerreichbar wäre, was
mit der unendlichen Liebe Gottes im Widerspruch
steht, da der Mensch unter dieser Voraussetzung
das unglücklichste Wesen wäre, das die Erde trägt.
Dieses höchste Gut kann aber nicht in diese Zeit-
lichkeit hereinfallen; denn kein irdisches Gut, ja
keine noch so große Summe irdischer Güter kann
den Menschen vollkommen glücklich machen. Zu-
dem muß die vollkommene Glückseligkeit als solche
perennierend sein; denn die Aussicht auf deren
einstigen Verlust würde den Menschen um so un-
glücklicher machen, je glücklicher er ist. Das irdische
Leben aber endet mit dem Tode und mit dem
daran geknüpften Verluste aller irdischen Güter.
Das höchste Gut des Menschen muß also über
diese Zeitlichkeit hinaus liegen, es kann nur Gott
sein. In der vollkommenen Erkenntnis und Liebe
Mensch und Menschheit.
1078
Gottes allein, sofern sie ewig dauernd ist, kann
jene vollkommene Glückseligkeit liegen, zu welcher
der Mensch als zu seiner Endbestimmung von
Natur aus hingeordnet ist. Der Mensch hat somit
dieses Endziel seines Daseins erst im jenseitigen
Leben, in welches er nach dem Tode des Leibes
eintritt, zu gewärtigen. Daher muß die Menschen-
seele nach dem Tode des Leibes ewig von Gott
erhalten werden.
Darin, daß der Mensch Leib und Geist zugleich
ist, liegt auch der innere Grund dafür, daß der
ganze Mensch nicht aus dem Tiergeschlechte sich
entwickeln konnte. Die Seele, eine immaterielle
und geistige Substanz, konnte sich aus der Materie
nicht entwickeln; sie ward von Gott unmittelbar
erschaffen. Die Annahme, der menschliche Leib
habe sich aus dem Tiere entwickelt, ist von der
Kirche nicht verurteilt worden, obschon nach dem
Engländer Mivart eine Reihe katholischer Ge-
lehrten der Deszendenztheorie weit entgegenge-
kommen sind. Selbstverständlich lehren dieselben
aber, daß die Seele des Menschen von Gott er-
schaffen und dem aus dem Tiere entwickelten Leibe
eingegossen wurde, wodurch das frühere Tier sein
Wesen verloren und zum Menschen geworden sei.
Die gewöhnliche Ansicht hält jedoch auch an der
unmittelbaren Erschaffung des menschlichen Leibes
fest und verwirft die Entwicklung desselben aus
tierischen Ahnen, weil sie mit dem biblischen
Schöpfungsbericht und geoffenbarten Wahrheiten
nicht vereinbart werden könne und auch natur-
wissenschaftlich nicht bewiesen sei.
. Die Menschheit. Die Einheit des Men-
schengeschlechtes ist die Abstammung aller Menschen
von einem einzigen Elternpaare. Gegen diese Ein-
heit hat man verschiedene Einwände erhoben. Der
erste ist hergenommen aus der Vielheit und Ver-
schiedenheit der Menschenrassen. Es gibt, so
heißt es, viele und verschiedene Menschenrassen,
zwischen denen so tiefgreifende Unterschiede walten,
daß es unmöglich ist, selbe sämtlich von einem
Paare abstammen zu lassen. Dieser Einwurf würde
aber nur dann etwas gegen die Einheit des Men-
schengeschlechtes beweisen, wenn der Unterschied
zwischen den verschiedenen Menschenrassen ein
wesentlicher, spe zifischer wäre. Sind dagegen
die unterscheidenden Merkmale zwischen den ver-
schiedenen Rassen nicht von der Art, daß sie einen
spezifischen Unterschied zwischen selben bedingen,
dann kann aus der Rassenverschiedenheit auch nicht
gegen die Abstammung aller Menschen von einem
Paare argumentiert werden. Ein solcher spezifi-
scher Unterschied besteht aber nicht.
Denn: a) Wären die Menschenrassen spezifisch
voneinander verschieden, so wäre eine Kreuzung
derselben entweder ganz unmöglich, oder falls sie
geschähe, würden wenigstens die Bastarde sich nicht
dauernd fortpflanzen. Denn eine dauernde, unbe-
grenzte Fortpflanzungsfähigkeit findet tatsächlich
immer nur innerhalb einer bestimmten Art statt.
Bastarde, die aus einer Kreuzung von Individuen