Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1093 
Gesamtheitwiedereinzelnen. Wodieseschwindet, da 
nistet sich entweder wieder eine heidnische „Herren- 
moral“ ein, welche „das ganze Geschwätz von 
Menschenrechten in die Rumpelkammer“ verweistiso 
A. Tille in der Südwestd. Wirtschaftskorrespondenz 
1906), oder ein utopistischer Sozialismus, der 
seinen übertriebenen Anforderungen an die Staats- 
gewalt alle Grundrechte des einzelnen opfert. 
Literatur. über die Urrechte des Menschen 
find die verschiedenen Werke über Naturrecht u. 
Rechtsphilosophie zu vergleichen. über die M. im 
Sinne der Declaration of rights u. der Déclara- 
tion des droits de Fhomme et du citoyen vl. 
außer den bereits zitierten Werken: F. Alengry, La 
Déclaration des droits de l’homme et du citoyen. 
Textes et documents (Par. 21902); Pesch, Li- 
beralismus, Sozialismus u. christl. Gesellschafts- 
ordnung (21901). (Kämpfe, rev. Ettlinger.]) 
Merkantilsystem s. Handel und Handels- 
politik, Volkswirtschaftslehre. 
Mexiko. I. GSeschichte. Die Eroberung 
Mexikos (1519/21 durch Cortez) wurde vollendet 
durch die Mission der Franziskaner und Jesuiten 
und eine starke spanische Einwanderung; doch er- 
hielt sich die indianische Bevölkerung besonders in 
den tropischen Gegenden und im Gebirge. Das 
Land wurde als Vizekönigreich Neuspanien, das 
auch Guatemala und den südwestlichen Teil der 
Union von Texas bis Kalifornien umfaßte und 
in 11, später 15 Intendencias eingeteilt war, nach 
denselben Grundsätzen verwaltet wie das übrige 
spanische Amerika. Der Handel war bis 1788 
unterbunden. Der Hauptzweck der Kolonie war, 
dem Mutterland die Edelmetalle zu liefern, deren 
es für seine Stellung in Europa bedurfte. Reiche 
Ergebnisse brachten die Silberminen von Sulte- 
peque, Guanajuato und Zacatecas; v. Humboldt 
schätzte die Edelmetallproduktion Mexikos bis zum 
Beginn des 19. Jahrh. auf 2000 Mill. Pesos. 
Gegen Ende der Kolonialzeit betrugen die Ein- 
künfte des Vizekönigreichs aus Kopf= und in- 
direkten Steuern und Tabak 300 Mill. Realen, 
wovon / an die Krone flossen. Etwaigen Eman- 
zipationsbestrebungen wurde vorgebeugt durch die 
Absperrung der Kolonien unter sich, durch die 
Aufsicht des Rates von Indien und der Gerichts- 
höfe (Audiencias), durch Besetzung aller höheren 
Amter nicht mit Kreolen, sondern gebornen Spa- 
niern und häufigen Amtswechsel. Die Unabhängig- 
keitsbewegung kam in Fluß mit der Umwälzung 
in Spanien 1808. Wie im Mutterlande bildete 
sich auch in Mexiko eine Junta, die zunächst loyal 
im Namen der abgesetzten Dynastie regierte. Der 
Gegensatz zwischen Kreolen und Nationalspaniern 
drängte bald zu weiteren Schritten. Doch wurde 
die kreolische Bewegung überholt von einem Auf- 
stand der unteren Klassen und der Indianer unter 
dem Pfarrer Hidalgo (1810/11). Die Ausschrei- 
tungen dieser undisziplinierten Massen schadeten 
der Freiheitsbewegung so sehr, daß Mexiko wäh- 
rend der Befreiung Südamerikas ganz beiseite 
stand. Den Anstoß zur Revolution gab eine Ver- 
Merkantilsystem — Merxiko. 
  
1094 
schwörung unter General Iturbide, der im Pro- 
nunciamento von Iguala 24. Febr. 1821 Mexiko 
als selbständige konstitutionelle Monarchie unter 
Ferdinand VII. oder einem spanischen Prinzen 
proklamierte. Als die spanischen Cortes sein Pro- 
jekt verwarfen, ließ er sich Mai 1822 zum Kaiser 
(Augustin I.) ausrufen, wurde aber schon März 
1823 gestürzt, und der mexikanische Kongreß rief 
16. Dez. 1823 die Republik aus, die von Eng- 
land und der Union sofort, von Spanien erst 1836 
anerkannt wurde. 
Nach der Verfassung, die am 4. Okt. 1824 ins 
Leben trat, war Mexiko ein Bundesstaat mit 
19 Staaten und 5 Territorien. Die Einzelstaaten 
genossen große Selbständigkeit; auch Präsident, 
Senat, Deputiertenkammer usw. wurden nach 
nordamerikanischem Vorbild eingerichtet. Das 
Land war für die Verfassung nicht reif und kam 
während der nächsten 45 Jahre nicht zur Ruhe. 
Von Anfang an standen sich zwei Parteien gegen- 
über, die Escoseses (reaktionäre Zentralisten) und 
Vorkinos (radikale Föderalisten). Die hervor- 
ragendste Figur dieser Zeit war General Santa 
Anna, der mehrmals Präsident und Diktator 
war und zweimal, 1835 und 1847, eine zentra- 
listische Verfassung einführte, welche die Bundes- 
staaten zu Departements herabdrückte. Die Ver- 
fassung von 1835 führte zum Abfall von Texas, 
das sich 1836 als eigne Republik konstituierte; 
als es sich 1845 den Vereinigten Staaten an- 
schloß, erklärte Mexiko (unter Santa Anna) den 
Krieg. Nach mehreren Niederlagen und dem Fall 
der Hauptstadt mußte Mexiko im Frieden von 
Guadalupe Hidalgo, 2. Febr. 1848, auf Texas, 
Neumexiko und Oberkalifornien, zusammen etwa 
1 800 000 qkm, also fast die (freilich sehr dünn 
bevölkerte) Hälfte seines Gebietes, verzichten. Die 
Union zahlte 15 Mill. Dollars und kaufte im 
Gadsden-Vertrag 1853 noch den Landstrich süd- 
lich vom Gila um 10 Mill. hinzu. Der verklei- 
nerte Staat wurde durch die Verfassung vom 
5. Febr. 1857 in 24 Staaten und 1 Territorium 
eingeteilt. Die neue Verfassung war liberal und 
führte zum Kulturkampf und zum Bürgerkrieg, 
aus dem Benito Juärez 1861 als Diktator hervor- 
ging. Infolge der finanziellen Zerrüttung mußte 
der Kongreß 1861 die Einstellung aller Zahlungen 
ans Ausland auf zwei Jahre verkünden. Zum 
Schutze ihrer Gläubiger einigten sich Spanien, 
England und Frankreich in der Londoner Kon- 
vention vom 31. Okt. 1861 zu bewaffnetem Ein- 
schreiten. Spanien und England zogen aber schon 
im Frühjahr 1862 ihre Truppen zurück, als sie 
Napoleons wahre Absicht erkannten, in Mexiko 
eine Monarchie unter französischem Protektorat 
zu errichten. Die Franzosen setzten nun den Krieg 
gegen Juärez allein fort; Forey eroberte 10. Junie 
1863 die Hauptstadt, setzte eine Regentschaft ein 
und ließ am 10. Juli den Erzherzog Maximilian 
zum Kaiser wählen, der am 12. Juni 1864 in 
der Hauptstadt einzog. Seine redlichen Be- 
357
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.