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Gesamtheitwiedereinzelnen. Wodieseschwindet, da
nistet sich entweder wieder eine heidnische „Herren-
moral“ ein, welche „das ganze Geschwätz von
Menschenrechten in die Rumpelkammer“ verweistiso
A. Tille in der Südwestd. Wirtschaftskorrespondenz
1906), oder ein utopistischer Sozialismus, der
seinen übertriebenen Anforderungen an die Staats-
gewalt alle Grundrechte des einzelnen opfert.
Literatur. über die Urrechte des Menschen
find die verschiedenen Werke über Naturrecht u.
Rechtsphilosophie zu vergleichen. über die M. im
Sinne der Declaration of rights u. der Déclara-
tion des droits de Fhomme et du citoyen vl.
außer den bereits zitierten Werken: F. Alengry, La
Déclaration des droits de l’homme et du citoyen.
Textes et documents (Par. 21902); Pesch, Li-
beralismus, Sozialismus u. christl. Gesellschafts-
ordnung (21901). (Kämpfe, rev. Ettlinger.])
Merkantilsystem s. Handel und Handels-
politik, Volkswirtschaftslehre.
Mexiko. I. GSeschichte. Die Eroberung
Mexikos (1519/21 durch Cortez) wurde vollendet
durch die Mission der Franziskaner und Jesuiten
und eine starke spanische Einwanderung; doch er-
hielt sich die indianische Bevölkerung besonders in
den tropischen Gegenden und im Gebirge. Das
Land wurde als Vizekönigreich Neuspanien, das
auch Guatemala und den südwestlichen Teil der
Union von Texas bis Kalifornien umfaßte und
in 11, später 15 Intendencias eingeteilt war, nach
denselben Grundsätzen verwaltet wie das übrige
spanische Amerika. Der Handel war bis 1788
unterbunden. Der Hauptzweck der Kolonie war,
dem Mutterland die Edelmetalle zu liefern, deren
es für seine Stellung in Europa bedurfte. Reiche
Ergebnisse brachten die Silberminen von Sulte-
peque, Guanajuato und Zacatecas; v. Humboldt
schätzte die Edelmetallproduktion Mexikos bis zum
Beginn des 19. Jahrh. auf 2000 Mill. Pesos.
Gegen Ende der Kolonialzeit betrugen die Ein-
künfte des Vizekönigreichs aus Kopf= und in-
direkten Steuern und Tabak 300 Mill. Realen,
wovon / an die Krone flossen. Etwaigen Eman-
zipationsbestrebungen wurde vorgebeugt durch die
Absperrung der Kolonien unter sich, durch die
Aufsicht des Rates von Indien und der Gerichts-
höfe (Audiencias), durch Besetzung aller höheren
Amter nicht mit Kreolen, sondern gebornen Spa-
niern und häufigen Amtswechsel. Die Unabhängig-
keitsbewegung kam in Fluß mit der Umwälzung
in Spanien 1808. Wie im Mutterlande bildete
sich auch in Mexiko eine Junta, die zunächst loyal
im Namen der abgesetzten Dynastie regierte. Der
Gegensatz zwischen Kreolen und Nationalspaniern
drängte bald zu weiteren Schritten. Doch wurde
die kreolische Bewegung überholt von einem Auf-
stand der unteren Klassen und der Indianer unter
dem Pfarrer Hidalgo (1810/11). Die Ausschrei-
tungen dieser undisziplinierten Massen schadeten
der Freiheitsbewegung so sehr, daß Mexiko wäh-
rend der Befreiung Südamerikas ganz beiseite
stand. Den Anstoß zur Revolution gab eine Ver-
Merkantilsystem — Merxiko.
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schwörung unter General Iturbide, der im Pro-
nunciamento von Iguala 24. Febr. 1821 Mexiko
als selbständige konstitutionelle Monarchie unter
Ferdinand VII. oder einem spanischen Prinzen
proklamierte. Als die spanischen Cortes sein Pro-
jekt verwarfen, ließ er sich Mai 1822 zum Kaiser
(Augustin I.) ausrufen, wurde aber schon März
1823 gestürzt, und der mexikanische Kongreß rief
16. Dez. 1823 die Republik aus, die von Eng-
land und der Union sofort, von Spanien erst 1836
anerkannt wurde.
Nach der Verfassung, die am 4. Okt. 1824 ins
Leben trat, war Mexiko ein Bundesstaat mit
19 Staaten und 5 Territorien. Die Einzelstaaten
genossen große Selbständigkeit; auch Präsident,
Senat, Deputiertenkammer usw. wurden nach
nordamerikanischem Vorbild eingerichtet. Das
Land war für die Verfassung nicht reif und kam
während der nächsten 45 Jahre nicht zur Ruhe.
Von Anfang an standen sich zwei Parteien gegen-
über, die Escoseses (reaktionäre Zentralisten) und
Vorkinos (radikale Föderalisten). Die hervor-
ragendste Figur dieser Zeit war General Santa
Anna, der mehrmals Präsident und Diktator
war und zweimal, 1835 und 1847, eine zentra-
listische Verfassung einführte, welche die Bundes-
staaten zu Departements herabdrückte. Die Ver-
fassung von 1835 führte zum Abfall von Texas,
das sich 1836 als eigne Republik konstituierte;
als es sich 1845 den Vereinigten Staaten an-
schloß, erklärte Mexiko (unter Santa Anna) den
Krieg. Nach mehreren Niederlagen und dem Fall
der Hauptstadt mußte Mexiko im Frieden von
Guadalupe Hidalgo, 2. Febr. 1848, auf Texas,
Neumexiko und Oberkalifornien, zusammen etwa
1 800 000 qkm, also fast die (freilich sehr dünn
bevölkerte) Hälfte seines Gebietes, verzichten. Die
Union zahlte 15 Mill. Dollars und kaufte im
Gadsden-Vertrag 1853 noch den Landstrich süd-
lich vom Gila um 10 Mill. hinzu. Der verklei-
nerte Staat wurde durch die Verfassung vom
5. Febr. 1857 in 24 Staaten und 1 Territorium
eingeteilt. Die neue Verfassung war liberal und
führte zum Kulturkampf und zum Bürgerkrieg,
aus dem Benito Juärez 1861 als Diktator hervor-
ging. Infolge der finanziellen Zerrüttung mußte
der Kongreß 1861 die Einstellung aller Zahlungen
ans Ausland auf zwei Jahre verkünden. Zum
Schutze ihrer Gläubiger einigten sich Spanien,
England und Frankreich in der Londoner Kon-
vention vom 31. Okt. 1861 zu bewaffnetem Ein-
schreiten. Spanien und England zogen aber schon
im Frühjahr 1862 ihre Truppen zurück, als sie
Napoleons wahre Absicht erkannten, in Mexiko
eine Monarchie unter französischem Protektorat
zu errichten. Die Franzosen setzten nun den Krieg
gegen Juärez allein fort; Forey eroberte 10. Junie
1863 die Hauptstadt, setzte eine Regentschaft ein
und ließ am 10. Juli den Erzherzog Maximilian
zum Kaiser wählen, der am 12. Juni 1864 in
der Hauptstadt einzog. Seine redlichen Be-
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