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beitung von Männer= oder Knabenkleidern im
Großen erfolgt, oder Frauen= und Kinderkleidung
im Großen oder auf Bestellung nach Maß für
den Bedarf der Besteller angefertigt oder bearbeitet
wird, oder sofern in ihnen Frauen= und Kinder-
hüte besetzt, garniert werden, oder die Anfertigung
oder Bearbeitung von weißer und bunter Wäsche
im Großen erfolgt. Dazu kamen neuerdings noch
Cufolge kaiserl. Verordnung vom 27. Nov. 1907)
Werkstätten, in denen zur Herstellung von Zigar-
ren, Zigaretten, Rauch-, Kau= oder Schnupftabak
erforderliche Verrichtungen vorgenommen oder fer-
tige Tabakwaren sortiert werden.
In den Fabriken und den ihnen gleichgestellten
Betrieben gelten folgende Vorschriften: Die Be-
schäftigung von Kindern unter 13 Jahren ist voll-
ständig verboten, ebenso die Beschäftigung älterer
Kinder, welche noch zum Besuch der Volksschule
verpflichtet sind. Soweit die Fabrikarbeit für
Kinder gestattet ist, beträgt die gesetzliche Maxi-
malarbeitszeit für den Tag 6 Stunden, welche
durch eine mindestens halbstündige Pause unter-
brochen werden muß. Während dieser Pause ist
der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nicht er-
laubt, es sei denn, daß der Betrieb eingestellt ist
oder der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und
andere geeignete Aufenthaltsräume ohne verhält-
nismäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden
können. Ferner ist die Beschäftigung von Kindern
in der Nachtzeit, d. h. von 8⅛ Uhr abends bis
5½ Uhr morgens, an Sonn= und (gesetzlichen)
Feiertagen sowie während des offiziellen Katechu-
menen-, Konfirmanden-, Beicht= und Kommu-
nionunterrichts untersagt.
Zwecks leichterer Kontrolle, die neben den Po-
lizeibehörden der Fabrikinspektion obliegt, ist den
Arbeitgebern zur Pflicht gemacht, vor der Be-
schäftigung von Kindern der Ortspolizeibehörde
schriftliche Anzeige zu machen und in der Fabrik
an augenfälliger Stelle ein Verzeichnis der be-
schäftigten Kinder aufzuhängen, zugleich mit einer
Tafel, auf welcher die geltenden Schutzvorschriften
angegeben sind. Außerdem dürfen Kinder als
minderjährige Arbeiter nur in Fabriken verwendet
werden, wenn sie mit einem von der Polizei-
behörde auszustellenden Arbeitsbuch versehen sind
(l. Gew.O. 88 107 ff, 135 ff.
Bestimmte Ausnahmen sind von vornherein
nicht vorgesehen, es können aber in bestimmten
Fällen solche festgesetzt werden, in der Regel indes
nicht durch die untere Verwaltungsbehörde, son-
dern durch die höhere Verwaltungsbehörde, den
Reichskanzler oder den Bundesrat. Letzterer hat
auch die Vollmacht, verschärfende Bestimmungen
für gewisse Fabrikationszweige mit besondern Ge-
fahren zu erlassen.
b) Nicht so einheitlich wie der Fabrikschutz ist
der Schutz in den übrigen gewerblichen Betrieben
geregelt. Das Kinderschutzgesetz vom 30. März
1903 hat vielmehr eine bunte Sammlung von
Vorschriften gebracht, je nachdem es sich um die
Kinderschutzgesetzgebung.
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oder jene Branche, und je nachdem es sich um die
Beschäftigung von eigenen oder fremden Kindern
handelt.
Als eigene Kinder gelten vor dem Gesetze nicht
nur die eigenen Kinder im gewöhnlichen Sinne,
sondern auch andere Kinder in vier Fällen, und
zwar: 1) Verwandte Kinder, wenn sie mit dem
Arbeitgeber oder dessen Ehefrau im zweiten oder
dritten Grade der geraden oder der Seitenlinie
blutsverwandt sind; 2) Adoptivkinder; 3) Mündel;
4) Zwangszöglinge, wenn sie zugleich mit andern
eigenen Kindern beschäftigt werden. Diese vier
Gattungen von Kindern gelten indes nur dann
als eigene Kinder, wenn sie zu dem Hausstand
ihres Arbeitgebers gehören.
Die Unterscheidung der Kinder nach genannter
Art wurde in der im allgemeinen nicht unberech-
tigten Voraussetzung gemacht, daß eigene Kinder
nicht des gleichen gesetzlichen Schutzes wie andere
Kinder bedürfen, da in der Elternliebe schon eine
Garantie gegen die Gefahren der Kinderbeschäf-
tigung liege. Da mit dem Kinderschutzgesetz zum
erstenmal in die Elternrechte eingegriffen wurde
betr. des gewerblichen Lebens, scheute man sich
vor einem festen und energischen Zugreifen. So
kam es, daß das Gesetz den fremden Kindern einen
größeren Schutz als den eigenen bietet. Gehen
wir zu den Einzelheiten über.
Das Geset unterscheidet absolut verbotene und
unter gewissen Bedingungen oder Beschränkungen
gestattete Arbeiten.
Für alle Kinder, für eigene wie fremde, ist
unter allen Umständen verboten die Beschäftigung
bei Bauten aller Art, im Betriebe von Ziegeleien,
Brüchen und Gruben, beim Steinklopfen, im
Schornsteinfegergewerbe, im mit Speditionsge-
schäft verbundenen Fuhrwerksbetrieb, beim Mischen
und Mahlen von Farben, bei Arbeiten in Kel-
lereien, bei öffentlichen theatralischen Vorstel-
lungen und andern öffentlichen Schaustellungen
ohne höheren künstlerischen oder wissenschaftlichen
Wert, in Motorwerkstätten, bei der Reinigung
von Dampfkesseln (laut Bekanntmachung des
Bundesrats vom 1. Juli 1907) und in einer
Reihe von Werkstätten mit besondern Gefahren,
welche durch das Gesetz selbst in einem durch den
Bundesrat nach Bedürfnis abänderbares Ver-
zeichnis zusammengefaßt sind. Daher gehören bei-
spielsweise die Werkstätten der Steinmetzen, Stein-
hauer, Steinbohrer, Steinschleifer oder Stein-
polierer, der Töpfer, Metallschleifereien usw.
Die bunte Mischung von Vorschriften, welche
außerdem noch besteht, läßt sich am klarsten und
kürzesten durch die Tabelle auf Sp. 103 dar-
stellen. ·
Dazu ist nur noch zu erwähnen, daß fremde
Kinder einer von der Ortspolizeibehörde auszu-
stellenden Arbeitskarte bedürfen und ihre Beschäf-
tigung der Ortspolizeibehörde anzuzeigen ist.
Prarentpommen aus:; 1 b. 4% ch, Leitfaden für die soziale
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