Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1139 
des Kriegszustandes in Elsaß-Loth- 
ringen ist ein besonderes Reichsgesetz vom 
30. Mai 1892 ergangen, welches an Stelle einer 
abgelehnten Regierungsvorlage über den Belage- 
rungszustand in Elsaß-Lothringen vom Reichstag 
auf Grund eines Antrages der Zentrumsfraktion 
angenommen wurde. Dieses Spezialgesetz ermäch- 
tigt die obersten Militärbefehlshaber Elsaß Loth- 
ringens, im Falle eines Krieges oder eines un- 
mittelbar drohenden feindlichen Angriffs — nicht 
auch im Falle eines Aufruhrs — in den ihnen 
unterstellten Orten oder Landesteilen die Aus- 
übung der vollziehenden Gewalt vorläufig 
zu übernehmen, verpflichtet sie aber, alsdann un- 
verzüglich die Entscheidung des Kaisers über die 
Verhängung des Kriegszustandes einzuholen. Die 
Übernahme der vollziehenden Gewalt erfolgt durch 
die Erklärung des obersten Militärbefehlshabers 
gegenüber der Zivilverwaltungsbehörde des be- 
treffenden Ortes oder Landesteiles; sie ist in orts- 
üblicher Weise öffentlich bekannt zu machen und 
hat die Folge, daß die Zivilverwaltungs= und 
Gemeindebehörden den Anordnungen und Auf- 
trägen der Militärbefehlshaber Folge zu leisten 
haben. Über die getroffenen Verfügungen, für 
welche die Militärbefehlshaber persönlich verant- 
wortlich sind, muß dem Bundesrat und dem 
Reichstag Rechenschaft gegeben werden. 
III. Kriegsbereitschaft; Kriegsschatz. Der 
Kaiser ist befugt, die kriegsbereite Aufstellung 
eines jeden Teiles der deutschen Land= und See- 
macht anzuordnen und Reserve, Landwehr, See- 
wehr und Landsturm einzuberufen; ausgenommen 
ist nur das bayrische Kontingent, bei welchem die 
Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisierung) 
„auf Veranlassung“ des Kaisers durch den König 
von Bayern erfolgt (Reichsverf. Art. 63, Abf. 4; 
bayr. Bündnisvertrag III, § 5, Ziff. 3, Abs. 5; 
Wehrgesetz vom 9. Sept. 1867, § 8, Abs. 1 und 
vom 11. Febr. 1888, § 25). Um im gegebenen 
Fall die kriegsbereite Aufstellung möglichst rasch 
und zweckmäßig durchzuführen, wird schon im 
Frieden ein bis in die kleinsten Einzelheiten wohl- 
durchdachter Nobilmachungsplan entworfen 
und in seiner Ausführung vorbereitet; „alle be- 
reits im Frieden zur schleunigen Überführung auf 
den Kriegsfuß erforderlichen Vorbereitungen sind 
nach den Bestimmungen des Kaisers zu treffen“ 
(Militärgesetz vom 2. Mai 1874, § 6, Abs. 1). 
Nur für das bayrische Kontingent wird der Mobil- 
machungsplan durch den König von Bayern fest- 
gestellt; letzterer ist aber verpflichtet, „in Bezug auf 
die Mobilmachung volle Übereinstimmung mit den 
für das Bundesheer bestehenden Normen herzu- 
stellen“ (Bündnisvertrag III, § 5, Ziff. 3, Abs. 2). 
Ein Stück finanzieller Kriegsbereitschaft bildet 
der im Juliusturm der Zitadelle zu Spandau ver- 
wahrte, ausschließlich für Zwecke der Mobil- 
machung bestimmte Kriegsschatz gemünzten 
Geldes im Betrag von 120 Mill. A, welcher aus 
der von Frankreich geleisteten Kriegsentschädigung 
Militärwesen des Deutschen Reichs. 
  
1140 
entnommen wurde; über denselben kann nur mittels 
kaiserlicher Anordnung unter vorgängig oder nach- 
träglich einzuholender Zustimmung des Bundes- 
rats und des Reichstags verfügt werden (Reichs- 
gesetz vom 11. Nov. 1871, § 1). Die Verwaltung 
des Reichskriegsschatzes geschieht durch den Reichs- 
kanzler unter der Kontrolle der Reichsschulden- 
kommission. 
IV. Kriegserklärung; Kriegführung. Der 
Kaiser hat im Namen des Reichs Krieg zu er- 
klären und Frieden zu schließen; zur Kriegserklä- 
rung im Namen des Reichs ist die Zustimmung 
des Bundesrats nur dann erforderlich, wenn es 
sich nicht um die Abwehr eines Angriffs auf das 
Reichsgebiet handelt (Reichsverf. Art. 11, Abs. 1 
und 2). Die Kriegführung ist in allen Fällen 
ausschließlich Aufgabe des Kaisers und seiner 
Kommandogewalt. Dagegen bedarf es zur Be- 
streitung der durch die Kriegführung entstehenden 
Ausgaben immer eines Etatsgesetzes, also der Zu- 
stimmung des Bundesrats und des Reichstags, 
so daß insofern stets eine Mitverantwortung der 
verbündeten Regierungen und der Volksvertretung 
für die Kriegführung besteht. So hat das Bundes- 
gesetz vom 21. Juli 1870 den Bundeskanzler er- 
mächtigt, zur Bestreitung der durch die angeord- 
nete Mobilmachung der Armee und durch die 
Kriegführung gegen Frankreich entstehenden außer- 
ordentlichen Ausgaben der Heeres= und Flotten- 
verwaltung Geldmittel bis zur Höhe von 120 Mill. 
Talern im Wege des Kredits flüssig zu machen 
und zu diesem Zweck eine Anleihe aufzunehmen und 
Schatzanweisungen auszugeben. Als im Juli und 
Aug. 1900 eine kriegerische Expedition nach China 
erfolgt war, ohne daß der Reichskanzler Fürst 
v. Hohenlohe die vorgängige Genehmigung der 
Ausgaben bei dem Reichstag eingeholt hatte, er- 
bat der neue Reichskanzler v. Bülow in der Sitzung 
des Reichstags vom 19. Nov. 1900 Indemnität 
und erhielt solche durch § 6 des Reichsgesetzes vom 
25. Febr. 1901. 
E. Klasseneinfeilung der Militärpersonen 
(ogl. die Anlage zum Mil.St. G. B.). Die zum 
deutschen Heer und der Kaiserlichen Marine ge- 
hörigen Militärpersonen bestehen aus Personen 
des Soldatenstandes und Militärbeamten. 
I. Personen des Soldatenstandes sind: 1) die 
Offiziere, und zwar a) im Heer: Generalität, 
Stabsoffiziere, Hauptleute und Rittmeister, Sub- 
alternoffiziere (Oberleutnants und Leutnants); 
b) in der Marine: Flaggoffiziere oder Admirale, 
Stabsoffiziere, Kapitänleutnants, Subalternoffi- 
ziere (Leutnants und Unterleutnants zur See); 
2) die Unteroffiziere, welche im Heer und 
in der Marine in Portepee-Unteroffiziere, die das 
Offiziersportepee tragen, und in Unteroffiziere 
ohne Portepee eingeteilt werden; 3) die Ge- 
meinen mit Einschluß der Obergefreiten und 
Gefreiten; 4) die Mitglieder des Sani- 
tätskorps sowie 5) die Mitglieder des 
Maschinen-Ingenieurkorps gehören nach
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.