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Maßgabe ihres Militärranges zu den unter 1) bis
3) angeführten Kategorien.
II. Militärbeamte sind alle im Heer oder in
der Marine für das Bedürfnis des Heeres oder
der Marine dauernd oder auf Zeit angestellten,
nicht zum Soldatenstande gehörenden und unter
dem Kriegsminister oder Chef der Admiralität als
Verwaltungschef stehenden Beamten, welche einen
Militärrang haben. Militärbeamte, welche
im Offiziersrange stehen, sind obere Militärbeamte,
alle andern Militärbeamten sind untere Militär-
beamte. Dagegen gehören nicht zu den Militär-
personen die Zivilbeamten der Heeres= und
Marineverwaltung; dieselben haben keinen Mili-
tärrang, obwohl sie zum „aktiven Heere“ (Flotte)
gehören.
III. Diese Unterscheidung der verschiedenen
Klassen von Militärpersonen ist rechtlich von
größter Bedeutung; so findet das militärische
Standesrecht, von einigen wenigen Bestimmungen
abgesehen, auf die Zivilbeamten der Heeres= und
Marineverwaltung keine Anwendung; ferner gilt
das Reichsbeamtengesetz für die Militärbeamten,
aber nicht für die Personen des Soldatenstandes;
umgekehrt ist das Militärstrafgesetzbuch im Frie-
den nur auf Personen des Soldatenstandes, auf
Militärbeamte nur im Felde anwendbar. Die für
den Militärdienst erforderlichen Personen gewinnt
der Staat auf einem doppelten Weg: einmal im
Wege des Zwanges durch Festsetzung einer alle
wehrfähigen Staatsbürger treffenden Wehrpflicht
(s. unter F), sodann im Wege des Vertrages durch
Einstellung berufsmäßig sich dem Militärdienst
widmender Personen (s. unter G).
F. Wehrpflicht. Die hierüber geltenden Vor-
schriften der Militärgesetze nebst den Ausführungs-
bestimmungen sind in der deutschen Wehr-
ordnung (neueste Fassung von 1904) zusam-
mengestellt. Hierzu sind militärische Ergänzungen
ergangen in der preußischen Heerordnung
(neueste Fassung von 1904) und in der Marine-
ordnung (neueste Fassung vom 3. April 1909).
Entsprechende Heerordnungen sind für Bayern,
Sachsen und Württemberg erlassen worden.
I. Allgemeine Wehrpflicht. Die Grundlage
des heutigen Rechts bildet das preußische Gesetz
vom 3. Sept. 1814 über die Verpflichtung zum
Kriegsdienst. Die entscheidende Bestimmung der
Reichsverf. Art. 57 lautet: Jeder Deutsche ist
wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser
Pflicht nicht vertreten lassen. Die Wehrpflicht be-
steht in der Verpflichtung des Staatsbürgers,
auf Befehl der zuständigen Behörde Waffendienste
oder sonstige, dem bürgerlichen Beruf des Pflich-
tigen entsprechende militärische Dienste im Heer,
in der Marine oder im Landsturm zuleisten.
Die allgemeine Wehrfpflicht bedeutet dagegen nicht,
daß alle Wehrfähigen zu militärischen Diensten
herangezogen werden müssen; das Maß der Heran-
ziehung zum Dienst hängt vielmehr von politi-
schen, finanziellen und volkswirtschaftlichen Ver-
Militärwesen des Deutschen Reichs.
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hältnissen ab und wird in besondern Gesetzen über
die Friedenspräsenzstärke und den Personalbestand
der Flotte geregelt. In dem Entwurf zu einem
Gesetz über die deutsche Wehrverfassung vom
25. Sept. 1848, welchen der Ausschuß der Frank-
furter Nationalversammlung ausgearbeitet hatte,
fand sich in § 15 der Vorschlag, es sollen „alle
verfügbaren Wehrpflichtigen auch wirklich ein-
gereiht und ausgebildet“ werden. Gegen diesen
Vorschlag wandte sich in einem Promemoria
der damalige Prinz von Preußen, nachmalige
Kaiser Wilhelm I., indem er in ausführlicher
Darlegung die Forderungen des § 15 als „un-
erfüllbar sowohl hinsichtlich der Sache selbst als
der dazu nötigen Mittel“ nachwies. Als im Jahre
1890 bei Beratung des Gesetzes über die Friedens-
präsenzstärke Pläne laut wurden, welche als Kon-
sequenz des Scharnhorstschen Gedankens der all-
gemeinen Wehrpflicht forderten, daß alle Waffen-
fähigen auch zum Gebrauch der Waffe ausgebildet
werden sollen, beschloß der Reichstag am 26. Juni
1890 auf Antrag des Abgeordneten Dr Windt-
horst, „die Erwartung auszusprechen, daß die
verbündeten Regierungen Abstand nehmen werden
von der Verfolgung von Plänen, durch welche die
Heranziehung aller wehrfähigen Mannschaften zum
aktiven Dienst durchgeführt werden soll, indem da-
durch dem Deutschen Reich geradezu unerschwing-
liche Kosten erwachsen müßten“. — Ausgenommen
von der Wehrpflicht sind nur: a) die Mitglieder
der regierenden Häuser; b) die Mitglieder der
mediatisierten, vormals reichsständischen und der-
jenigen Häuser, welchen die Befreiung von der
Wehrpflicht durch Verträge zugesichert ist oder auf
Grund besonderer Rechtstitel zusteht; c) die zur
Zeit der Vereinigung Helgolands mit dem Deut-
schen Reich von der Insel Helgoland herstammen-
den Personen und ihre vor dem 11. Aug. 1890 ge-
bornen Kinder (Wehrgesetz vom 9. Nov. 1867, §1
und Gesetz vom 15. Dez. 1890, 8 3). Ausnahmen
aus religiösen Gründen zugunsten der Menno-
niten zuzulassen, hat der Reichstag abgelehnt;
doch ist den Mennoniten durch preußische Kabinetts-
order vom 3. März 1868 gestattet, den Kriegs-
dienst als Nichtkombattanten (Krankenwärter,
Okonomiehandwerker, Trainfahrer, Schreiber) zu
leisten. Das Maß der Wehrpflicht ist für alle
Pflichtigen grundsätzlich gleich. Die Wehrpflicht
beginnt mit dem vollendeten 17. Lebensjahre und
dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre; sie
zerfällt in die Dienstpflicht und die Landsturm-
pflicht. Um die Erfüllung der Wehrpflicht zu
sichern, sind gesetzliche Beschränkungen der Aus-
wanderungsfreiheit und Strafandrohungen er-
lassen, von welch letzteren insbesondere die Straf-
bestimmungen gegen das unerlaubte Verlassen des
Reichsgebiets und die Selbstverstümmelung her-
vorzuheben sind (Reichsgesetz vom 1. Juni 1870,
§ 15 und R. St.G.B. 8§ 140, 142).
II. Die Militärpflicht besteht in der Ver-
pflichtung des Wehrpflichtigen, sich der Aushebung